Anand gegen Carlsen: Die Spannung steigt...
Am 7. November wird offiziell der mit Spannung erwartete Wettkampf um die
Weltmeisterschaft zwischen Viswanathan Anand und Magnus Carlsen eröffnet. Die erste Partie wird am
9. November gespielt. Bisher trat Anand dreimal zur Titelverteidigung an, 2008
gegen Kramnik in Bonn, 2010 gegen Topalov in Sofia und 2012 gegen Gelfand in
Moskau. Dreimal war Anand erfolgreich, aber die Ergebnisse wurden immer knapper.
Gegen Kramnik gewann er noch recht deutlich, auch dank der besseren Vorbereitung
und des besser arbeitenden Teams. Gegen Topalov war das Ergebnis schon knapper
und gegen Gelfand gewann Anand erst im Stichkampf.
Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass Anand sich zur Vorbereitung auf
seine Wettkämpfe nach Bad Soden zurückzeiht. Der Ort bei Frankfurt liegt sehr
zentral und günstig, um dort die Sekundanten aus den verschiedensten Ländern zu
versammeln, ohne dass diese allzu lange Anfahrten haben - die weiteste
Anreise hat vermutlich Anand selbst. So kann es also passieren, dass man durch
Bad Soden läuft, vielleicht zu Mittag od am Abend beim "Italiener" ist, und
plötzlich einer Gruppe von spielstarken Schachgroßmeistern begegnet, darunter
dem Schachweltmeister. Außer der zentralen Lage und der Nähe zum Flughafen
Frankfurt sprach noch etwas für Bad Soden. Hier ist der frühere "Chess Classic"
Organisator Hans-Walter Schmitt zuhause und hat das "Chesstiger"-
Trainingszentrum ins Leben gerufen.
Dieses kann Anand auch für seine Zwecke
nutzen. Zudem hat sich das Chesstiger-Team in der Vergangenheit als wichtiger
organisatorischer Rückhalt für den Weltmeister erwiesen. Als Anand 2010 auf
seiner Anreise nach Sofia nach seinem Zwischenstopp in Frankfurt wegen des
Vulkanausbruchs in Island festsaß, organisierten die Chesstigers schnell einen
Minibus mit Fahrer, der Anand mit seiner Mannschaft nach Sofia kutschierte. Und
Hans-Walter Schmitt wird von Anand inzwischen schon als Privat-Maskottchen
angesehen. Wenn der frühere Siemens-Manager dabei war, ging es immer gut aus für
den Weltmeister. Schmitt gehört zu den Sorte Mensch, die Probleme aus dem Weg
räumen - bisweilen im wörtlichen Sinne.
Diesmal war es für Anand besonders wichtig, sich weit weg, nach Bad Soden
zurück ziehen zu können. Der Wettkampf wird in Chennai, in seiner Heimatstadt
ausgetragen. Dort ist Anand so populär, dass die Kinder ihm hinterherrufen, wenn
sie ihn auf der Straße entdeckt haben. Schon einmal, 1994, spielte Anand
in Indien einen Wettkampf, damals gegen Kamsky - doch der Rummel um seine Person
hat seiner Konzentration damals nicht gut getan. In Bad Soden ist man da etwas
gelassener.
Auch für die Vorbereitung auf seinen Wettkampf gegen Carlsen ist Anand wieder
in Bad Soden in Klausur gegangen. Um die Zusammensetzung der Teams wird
traditionell ein großes Geheimnis gemacht. Schließlich könnte man aus den
Sekundanten möglicherweise auf die Eröffnungen schließen, die für das Match
vorbereitet wurden. Wer sind Anands Sekundanten? Die Schachinteressierten
Einwohner von Bad Soden wissen es vermutlich ganz genau. Alle anderen müssen
raten. Einfacher ist es, die Spieler zu nennen, die nicht mehr dabei sind. Peter Heine Nielsen, der bei den letzten Kämpfen als
Sekundant von Anand dabei war, arbeitet demnächst wieder für Carlsen und bleibt
deshalb fairerweise bei diesem Wettkampf ausdrücklich neutral. Rustam
Kasimdzhanov ist auch nicht mehr dabei. Die beiden Topsekundanten vemuten, dass
sie im Zuge verschiedener WM-Vorbereitungen mehr Zeit miteinander verbracht
haben, als mit ihren Frauen bzw. Lebensgefährtinnen. Vom "alten" Anand Team
bleiben noch Radoslaw Wojtaszek und Surya Shekhar Ganguly. Aber natürlich hat
Anand sich noch ein paar weitere Topspieler ins Boot geholt.
Und Carlsen? Magnus Carlsen hat auf seiner Facebook-Seite ein paar Bilder
eines Vorbereitungscamps im August in Kragerö veröffentlicht. Dort sieht man ihn
auf Fotos bei allen möglichen sportlichen Aktivitäten. Carlsen ist körperlich
topfit, das ist sicher.
Auch ein Video wurde eingestellt. Zwischen herum liegendem Tennisschlägern,
Bällen und einem angebissenen Äpfeln blitzt der Norweger gegen Laurent Fressinet.
Auch ein Schachbuch ist zu sehen: ein zerlesenes Exemplar des Endspielbuches von
Karsten Müller und Frank Lamprecht. Ist das Arrangement nur zufällig so gewählt?
Was ist die Botschaft: Ich bin topfit und studiere Endspiele?
Ist Fressinet in Chennai mit dabei? Vermutlich nicht. Carlsen kommentierte
das Video mit "Eine Blitzpartie gegen eine Freund. Zu langsam, zu schwach. Aber
ein netter Typ." Wenig überraschend wäre es aber, wenn Carlsens Schach-und
Schulfreund Jon Ludvig Hammer mit ihm Team wäre. Aber wer sonst noch? Anfang
Oktober geisterte eine Meldung der norwegischen Boulevard-Postille VG Net durch
die Schachgemeinde, aufgeregt weiter getwitter, in der Carlsen mit Kasparov in
Zusammenhang gebracht wurde. Bei erstem Hinsehen klang es wie "Kasparov hilft
Carlsen beim Kampf gegen Anand". Bei näherem Hinsehen war genau das Gegenteil
der Fall: Ein Reporter hatte Carlsen gefragt, ob Kasparow ihm beim WM-Kampf
helfen würde. Und Carlsen hat geantwortet: "Nein, aber vielleicht sollte ich ihn
mal fragen. Er weiß ja, wie man Anand schlagen kann."
Kürzlich hieß es, Carlsen hätte zur Vorbereitung ein Domizil auf den
Malediven bezogen.
Eine nicht unerwartete Dynamik des kommenden WM-Kampfes könnte so sein: Anand
ist bis in die Haarspitzen auf alle möglichen Eröffnungen vorbereitet. Carlsen
versucht jeder Vorbereitung auszuweichen und spielbare Stellungen zu bekommen
und dann seine Stärken zur Geltung zu bringen - viel Energie und gute Ideen in
ausgeglichenen, aber noch nicht toten Endspielen. Experten meinen aber, dass es
heutzutage alles andere als einfach ist, Stellungen unterhalb des
Vorbereitungsradars zu bekommen. Man wird sehen.
Energie und physische Vorbereitung wird in jedem Fall eine Rolle spielen.
Wenn einer Spieler in der Lage ist, in jeder Partie 60 Züge und mehr zu spielen,
ohne schnell zu ermüden, der andere aber nicht, ist klar, wer hier im Vorteil
ist. Diesen Punkt hat offenbar auch Anand erkannt, dessen Affinität zu
Bewegungssportarten bisher gerade übermäßig ausgeprägt war. Bei seiner
Vorbereitung in Bad Soden hat der inzwischen 43-Jährige deshalb auch viel Wert
auf Ausdauertraining und Verbesserung der Fitness gelegt. Anand hat regelmäßig
Waldläufe gemacht und sich eine Saisonkarte für das Bad Sodener Bad gekauft, um
dort täglich 1000 Meter zu schwimmen. In der Zeit hat er sechs Kilo abgenommen,
berichtet die Bad Sodener Zeitung.
Das Teaserbild ist allerdings nicht real. Kricket, Volkssport in Indien, hat
Anand nur für einen Werbeclip seines Sponsor AMD gespielt:
Von André Schulz
Fotos: Chesstigers, VG Nett
Links:
Mate in Chennai...
Turnierseite der WM...