Anand bleibt König von Mainz
Anand gewinnt Grenke Leasing
Rapid Chess World Championship mit knappem
Vorsprung
Von Harry Schaack
Fotos: Carsten Straub
Partien Grenke Leasing Rapid World Championship...
Partien Ordix
Open...
Mainz: Stadtpanorama,...
... Vater Rhein,..
... Rheingoldhalle...
...viele Besucher...
Vier Tiger
...und spielstärkster Bürgermeister Deutschlands: Jens Beutel
Schmitt und Beutel
Leichte Kost zum Auftakt?
Sonntag, direkt nach dem Ende des
Ordix Open, das mit 762 Teilnehmern größte
Schnellturnier der Welt, endeten die Chess Classic
Mainz mit einem weiteren Höhepunkt: Der Grenke
Leasing Rapid Chess World Championship, in dem
Anand und Aronian im Finale gegeneinander antraten.
Vishy Anand: bester Schnellspieler bei normaler Startstellung
Drei Tage zuvor hatten sie sich bereits
im Finale der FiNet Chess960 World
Championship gegenüber gesessen.
Hans-Walter Schmitt und Levon Aronian, Sieger im Schach960
Ein spannendes und aufregendes Match,
aber jetzt stand sogar noch mehr auf dem Spiel: Anand wollte Revanche für
seine Niederlage und zeigen, dass er immer noch der beste
Schnellschachspieler der Welt ist. Außerdem gab es da noch die kommende
FIDE-Weltmeisterschaft in Mexiko:
Aronian und Anand zählen dort beide zu
den Favoriten und wer in Mainz gewinnen würde, hätte sich einen
psychologischen Vorteil gegenüber einem gefährlichen Rivalen verschafft.
Gleichzeitig mussten beide darauf achten, nicht zu viel von ihrer
Vorbereitung auf Mexiko zu verraten. Vielleicht war dies der Grund, warum
beide äußerst vorsichtig zu Werke gingen. In der ersten Partie wiederholten
sie den Spanier, der auch in ihrer Partie aus der Vorrunde auf dem Brett
stand, aber während Anand in dieser Partie besser gestanden hatte, holte er
diesmal nichts aus der Eröffnung und willigte bald ins Remis ein.
Anders als Anand und Aronian, konnten es
Bacrot und Kasimdzhanov in ihrem Kampf um den
dritten Platz locker angehen lassen. Samstagabend saßen sie nach der Runde
sogar noch zusammen beim Essen, tranken Wein und scherzten miteinander.
Wahrscheinlich beschlossen sie hier, in ihrem Wettkampf nicht so sehr auf
das Ergebnis zu achten, sondern unterhaltsames Schach zu spielen. Genau das
taten sie auch. Gleich in der ersten Partie spielte
Kasimdzhanov energisch auf Königsangriff, aber im entscheidenden
Moment fehlte ihm der Mut zu einem Opfer auf g6, das Shirov in einem der
Analyseräume für gewonnen hielt. Nachdem Kasimdzhanovs
Zeitvorrat bis auf wenige Sekunden geschrumpft war, verlor er in den
entstehenden Verwicklungen die Orientierung und übersah in einer Stellung
mit einem Turm weniger den rettenden Weg zum Dauerschach, wodurch Bacrot 1-0
in Führung ging.
In der zweiten Runde machten Bacrot und
Kazimdzhanov genau da weiter, wo sie aufgehört
hatten.
Gleich nach der Eröffnung fand Bacrot
eine interessante Möglichkeit, mit seinem Läuferpaar gegen die gegnerischen
Springer zu kämpfen: Kurz entschlossen opferte Bacrot beide Läufer, um zu
versuchen, den gegnerischen König Matt zu setzen, aber geriet in eine
schlechtere Stellung, als Kasimdzhanov einen
Turm zurück gab, um Schlimmeres zu verhindern.
Doch im weiteren Verlauf der Partie
konnte Bacrot, der jetzt mit Turm gegen zwei Springer spielte, weiter Druck
auf die schwarze Stellung ausüben und so kam es zu einem Endspiel, in dem er
alle Springergabeln vermeiden, die meisten der noch verbliebenen Bauern
tauschen und das Remis retten konnte.
Auch Aronians Läuferpaar hatte es mit
zwei Springern zu tun. Allerdings war der Armenier weniger großzügig als
Bacrot und gab Anand lediglich einen Bauern, wobei er auch noch seine Läufer
behielt, die sein materielles Defizit kompensierten.
Doch als es Anand gelungen war, einen
Großteil des weißen Drucks abzuwehren und Aronian nur noch 30 Sekunden auf
der Uhr hatte – Anand hingegen sieben Minuten – sah manch einer Anand schon
gewinnen. Aber diese Hoffnung – oder Sorge – wich der Verblüffung, als sich
die Spieler plötzlich auf Remis einigten. Ein genauerer Blick auf die
Stellung verriet jedoch, dass Anand den Verlust seines Extrabauern nicht
vermeiden konnte, wonach das entstehende Endspiel hoffnungslos Remis war.
Wiedersehen in Mexiko
Die dritte Partie zeigte einmal mehr,
wie viel Respekt Anand und Aronian voreinander hatten und wie sorgfältig sie
darauf bedacht waren, das Risiko einer Niederlage zu vermeiden oder
irgendwelche Geheimnisse zu enthüllen. Erneut stand der Spanier, den sie
bereits in der Vorrunde und in der ersten Wettkampfpartie gespielt hatten,
auf dem Brett. Aber erneut gelang es Anand nicht, irgendetwas aus der
Eröffnung zu holen – Fritz sah sogar Schwarz leicht im Vorteil – und die
Partie wurde ohne größere Aufregung Remis.
Also mussten
Kasimdzhanov und Bacrot für ein bisschen Unterhaltung sorgen.
Dementsprechend entschied sich Bacrot für das Marshall-Gambit, das ihm in
der Vorrunde einen Sieg beschert hatte. Aber
Kasimdzhanov hatte seine Hausaufgaben gemacht und verbesserte sein
Spiel aus dieser Partie. Er konsolidierte seine Stellung allmählich, gab den
Extrabauern zurück und erhielt eine Stellung, in der sein Freibauer auf der
c-Linie ihm (sehr) gute Gewinnchancen gab. Als der c-Bauern allmählich näher
zur Grundreihe vorrückte, schien tatsächlich alles nach Plan zu laufen – bis
Schwarz plötzlich mit einem taktischen Trick aufwartete, der ihm ein Remis
zu sichern schien. Doch schließlich siegte die Gerechtigkeit, denn am Ende
der von Schwarz forcierten taktischen Variante hatte Schwarz kein Remis,
sondern verlor eine Figur und die Partie. Damit glich
Kasimdzhanov den Wettkampf aus und konnte hoffen, die vierte Partie
und das Match zu gewinnen.
Aber es sollte nicht sein – obwohl beide
Spieler sich Mühe gaben, konnte keiner gewinnen. Einmal mehr trat das
Läuferpaar gegen die Springer an, aber weder die eine noch die andere Seite
kam in Vorteil und nachdem die meisten Figuren abgetauscht waren, einigten
sich die Spieler auf Remis. Da die Organisatoren beschlossen hatten, auf den
Tie-Break zu verzichten, teilten sich Kasimdzhanov
und Bacrot Platz drei.
Unterdessen begann die vierte und
entscheidende Partie zwischen Anand und Aronian verhalten, endete aber
dramatisch. Anand spielte mit Schwarz und konnte nach der Eröffnung
problemlos ausgleichen. Es kam zu einer Stellung, die weder der einen noch
der anderen Seite viele Möglichkeiten bot. Aber ob er nun nervös oder müde
war, in jedem Fall geriet Aronian allmählich ins Hintertreffen. Seine
Stellung wurde immer schlechter und er verbrauchte deutlich mehr Bedenkzeit
als Anand. Plötzlich war auch seine einzige wirkliche Schwäche, der Bauer
auf a3, in ernsthafter Gefahr und als er fiel, schien Anand auf dem besten
Wege zu sein, seinen Schnellschachweltmeistertitel zu verteidigen. Und
obwohl Aronian in etlichen der vorherigen Partien im Turnier bemerkenswerte
Fähigkeiten bewiesen hatte, schlechte Stellungen zu retten, gab es diesmal
kein Entkommen. Anand verwandelte seinen Vorteil souverän in einen ganzen
Punkt und gewann das zehnte Mal in Mainz.
Aber es war Aronian, der bei der
Siegerehrung die richtigen Worte zum Abschluss des größten
Schnellschachturniers der Welt fand: “Es war ein großartiges Turnier und ein
Vergnügen hier zu sein. Auf Wiedersehen im nächsten Jahr.”
"Chef" als Kommentator (immer) und am Brett (naja, oft) : Klaus
Bischoff
Navara im Ordix nicht zu stoppen
Tschechischer Großmeister gewinnt best besetztes
Open der Welt
Der zweite Tag des Ordix Open zeichnete
sich vor allem dadurch aus, dass viele Favoriten strauchelten. Die Spieler aus
der zweiten Reihe spielten sich in den Vordergrund. Stars wie Ivanchuk,
Mamedyarov, Grischuk, Kamsky oder Shirov ließen im harten Feld zu viele Punkte
liegen. Ab Runde 6 setzte sich der Tscheche David Navara an die Spitze des
Turniers und vergrößerte seinen Vorsprung von Runde zu Runde. Einzig der
Sieger des FiNet Opens Viktor Bologan konnte dem Tschechen ein Remis
abknöpfen. Eine Runde vor Schluss stand der 22-Jährige bereits als Sieger
fest.
David Navara ist kein unbeschriebenes
Blatt in der Schachszene. Zu Beginn dieses Jahres debütierte er sogar in Wijk
aan Zee bei einem der besten Turniere der Welt. Anfang des Jahres war der
zweimalige tschechische Meister unter den Top 20 zu finden. In letzter Zeit
konzentrierte sich der sehr zurückhaltende Tscheche jedoch mehr auf sein
Studium. Das mag der Grund dafür gewesen sein, dass er in der letzten
Auswertung in der Weltrangliste weit zurückgefallen ist. Insbesondere sein
schlechtes Abschneiden in der deutschen Bundesliga, wo er für den Aktionär
Bindlach spielt, hat dazu beigetragen. Dass er das Schachspiel allerdings
nicht verlernt hat, stellte er nun bei den Mainzer Chess Classic eindrucksvoll
unter Beweis.
Von Beginn an setzte Navara die Akzente in
einem qualitativ und quantitativ alle Rekorde schlagenden Ordix Open. Mit
letztlich 762 Teilnehmern meldeten sich bei der vierzehnten Auflage des
größten Schnellschachturniers der Welt so viele Spieler wie nie an. Während
all seine Konkurrenten nach und nach Punkte verloren, hatte Navara nur gegen
den Sieger des diesjährigen FiNet Open Viktor Bologan ein Remis abgeben
müssen. Einzig in Runde 9 hatte er Glück, als er zunächst seine
aussichtsreiche Stellung gegen Harikrishna verdarb, dann aber der Inder völlig
überraschend die Zeit überschritt.
Navara gegen Indien: Harikrishna...
... und Sasikiran
Von diesem Ausrutscher abgesehen, befand
sich Harikrishna in guter Form. Noch in der letzten Woche konnte er das György
Marx Memorial für sich entscheiden. Die Chess Classic hat er in guter
Erinnerung. Im letzten Jahr spielte der ehemals jüngste indische Großmeister
bei den Chess Classic ein kurioses Match um die Chess960
Junioren-Weltmeisterschaft gegen Arkadi Naiditsch. Nach dem er am ersten Tag
bereits fast aussichtslos mit 0,5-3,5 zurücklag, bezwang er den Deutschen noch
durch den Gewinn aller vier Partie am darauf folgenden Tag. Beim Ordix belegte
Harikrishna Platz 6.
In der letzten Runde konnte sein Landsmann
Sasikiran gegen den schon als Sieger feststehenden Navara einen relativ
leichten Sieg einfahren und punktemäßig zu ihm aufschließen. Der Tscheche
konnte offenbar nicht mehr die Spannung halten, nachdem er in den
zurückliegenden Runden nur ein einziges Remis abgegeben hatte. Außerdem – und
das war wohl die größte Überraschung – teilte der Georgier Mikhail
Mchedlishvili ohne eine Niederlage mit ebenfalls 9,5 Punkten als dritter
Spieler den ersten Platz.
Bologan, Navara, Sasikiran
Der Sieger des FiNet Open, Viktor Bologan
demonstrierte erneute seine Klasse in offenen Turnieren. Lange Zeit hatte er
Kontakt zur Spitze, blieb ebenfalls ohne Niederlage und landete nach nur vier
Remisen auf dem geteilten vierten Platz. In der Gesamtwertung brachte der
Moldawier, der in Katar lebt, zusammen mit Navara die beste Performance.
Nach dem Turnier konnten Eric van Reem und
Harry Schaack mit dem Sieger des Ordix Open ein kurzes Interview führen:
Zunächst einmal Gratulation zu Ihrem
Erfolg. Was passierte in der Schlüsselpartie um den Turniersieg gegen
Harikrishna?
Es war ein schwieriges Turnier für mich
und ich war sehr glücklich über den Sieg gegen GM Pentala Harikrishna. Ich
spielte sehr gut und erhielt eine vielversprechende Stellung, doch dann
unterlief mir ein grober Fehler und ich stand auf Verlust. Ich wollte schon
aufgeben, fand aber noch einen Zug und mein Gegner überschritt plötzlich die
Zeit.
Was war Ihre beste Partie?
Das ist schwer zu sagen. Ich habe keine
Partie, die ich favorisiere. In den ersten Runden tat ich mich etwas schwer,
weil ich gegen Amateure in der Regel schlecht spiele. Gegen gute Spieler bin
ich motivierter. Meine Partie gegen Mamedyarov gefiel mir, aber er hätte an
einer Stelle Remis machen können. Aber auch ich spielte in keiner Partie
fehlerfrei. Nach schlechtem Spiel werde ich oft nervös und es fällt mir nicht
leicht, mich zu konzentrieren.
Bereiten Sie sich auf solche großen
Turniere vor?
Das ist unterscheidlich. Manchmal wenn ich
gut vorbereitet bin, spiele ich sehr schlecht und ein anderes Mal, wenn ich
keine Vorbereitung habe, spiele ich ganz gut. Aber natürlich bin ich sehr
froh, dass ich dieses Turnier gewonnen habe.
Heute machten Sie Ihrem Spitznamen „Navara
Express“ alle Ehre. Woher kommt er eigentlich?
Als ich im Januar in Wijk aan Zee ein
gutes Turnier spielte, titelte eine tschechische Zeitung damit. Ich verlor
zwar ein paar Elo-Punkte, habe aber gezeigt, dass ich mit den Besten mithalten
konnte. Aber ich kümmere mich nicht sonderlich um Spitznamen.
Was werden Sie in den nächsten
Wochen machen?
Ende des Monats werde ich mit Nigel Short
ein Match über zehn Partien in Prag spielen. Der Modus erinnert etwas an
Mainz, denn wir spielen vier Partien im Chess960 und sechs Partien im
klassischen Schach. Danach spiele ich ein starkes Einladungsturnier in
Karlsbad, die dem unter anderem Shirov, Kortschnoi und Timman mitspielen.
Danke für das Gespräch.
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