Vishy Anand feierte ein phantastisches Comeback
Wie schon ein Jahr zuvor in London beim Kandidatenturnier 2013 war auch das Kandidatenturnier in Khanty-Mansiysk ein phantastisches Schachereignis. Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt verfolgten die Partien und Internetseiten, Zeitungen, Zeitschriften und Medien rund um den Globus berichteten. Es gab interessante Partien, Dramatik, unerwartete Fehler - und einen überraschenden Sieger: Vishy Anand. Nachdem er in Runde 13 gegen Sergey Karjakin eine schwierige Stellung Remis gehalten hatte, stand der Ex-Weltmeister eine Runde vor Schluss mit 1,5 Punkten Vorsprung auf seine Verfolger vorzeitig als Turniersieger fest.
Ein gelöster Vishy Anand nach der Partie gegen Sergey Karjakin
Überraschend, souverän und ein phantastisches Comeback
Kaum einer der Experten hatte Anand vor dem Turnier als möglichen Sieger getippt. Nach für Anands Verhältnisse durchwachsenen Turnierergebnissen in den letzten Jahren, der klaren 3,5:6,5 Niederlage gegen Magnus Carlsen beim WM-Kampf im November 2013 und Anands viertem Platz beim Meisterturnier in Zürich Anfang des Jahres waren einige Experten sogar der Meinung, es wäre das Beste, wenn Anand auf die Teilnahme am Kandidatenturnier verzichten würde, um jüngeren Spielern wie Hikaru Nakamura oder Fabiano Caruana eine Chance zu geben.
Anand war anderer Ansicht - und gewann das Kandidatenturnier allen Unkenrufen zum Trotz souverän und hochverdient. Mit 44 Jahren war er zwar der älteste Teilnehmer im Feld, verfügte dadurch aber auch über die größte Erfahrung. 1990, vor fast einem Vierteljahrhundert qualifizierte sich Anand beim Interzonenturnier in Manila das erste Mal für die Kandidatenwettkämpfe. Seitdem zählt er zur Weltspitze. Seinen ersten WM-Kampf spielte er fünf Jahre später, 1995, in New York, gegen Garry Kasparov. Nachdem er sich in der ersten Hälfte des Wettkampfs gut gehalten hatte und nach acht Remispartien in Folge mit einem Sieg in der neunten sogar die Führung im Wettkampf übernahm, brach er ein und verlor den Wettkampf am Ende klar mit 7,5:10,5.
Im Jahre 2000 gewann Anand den Titel des FIDE-Weltmeisters und 2007, beim Weltmeisterschaftsturnier in Mexiko-City, das die Zeit der beiden parallel existierenden WM-Titel beendete, wurde er der 15. Weltmeister der Schachgeschichte. Drei Mal konnte Anand den Titel verteidigen: 2008 in Bonn gegen Vladimir Kramnik, 2010 in Sofia gegen Veselin Topalov und 2012 in Moskau gegen Boris Gelfand. Im fünften WM-Kampf seiner Karriere verlor er den WM-Titel dann in Chennai gegen Magnus Carlsen.
Entspannte Analyse nach langer Verteidigung
Beim Kandidatenturnier zahlte sich die enorme Erfahrung des Ex-Weltmeisters aus. Gleich in der ersten Runde sorgte er für eine Überraschung: Er besiegte den Turnierfavoriten Levon Aronian in einer souverän gespielten Positionspartie. Wer geglaubt hatte, dieser Sieg sei eine Eintagsfliege und Anand würde im Laufe des langen und anstrengenden Turniers dem Alter Tribut zollen müssen, sah sich eines Besseren belehrt. Nach einem zweiten Sieg in Runde drei gegen Shakriyar Mamedyarov stand Anand überraschend an der Spitze des Feldes und verteidigte diese Position souverän bis zum Ende. Er erwies sich als ausgezeichnet vorbereitet, geriet nur ein einziges Mal, in Runde 13 gegen Karjakin, ernsthaft in Bedrängnis, ging großen Risiken geschickt aus dem Weg und blieb so als einziger Teilnehmer des Turniers ohne Niederlage. Nach sechs Remis in den Runden vier bis acht holte Anand in Runde zehn gegen Veselin Topalov seinen dritten vollen Punkt und war so mit +3 zum Erstaunen vieler Experten und Zuschauer auf dem besten Weg zum Turniersieg.
Auch in den beiden folgenden Runden ließ sich Anand durch die zum Greifen nahe Chance, das Kandidatenturnier zu gewinnen und für das glückliche Ende eines phantastischen Comebacks zu sorgen, nicht aus der Ruhe bringen. Er verzichtete in Runde 12 gegen Andreikin in aussichtsreicher Stellung - die, wie nachträgliche Analysen gezeigt haben, sogar gewonnen war - auf jedes Risiko und begnügte sich stattdessen mit einem Remis. In Runde 13 wehrte er dann den letzten Ansturm Karjakins ab und sicherte so vorzeitig den Turniersieg und das Recht, im November noch einmal gegen Magnus Carlsen um die Weltmeisterschaft zu spielen. Für Anand wird es der sechste WM-Kampf seiner Karriere sein. Natürlich ist er in diesem Wettkampf Außenseiter, aber wie er in Khanty-Mansiysk gezeigt hat, scheint er mit dieser Rolle sehr gut zurecht zu kommen.
Vishy Anand freut sich über den Turniersieg
Runde 14, 30.03.2014, 11:00h MESZ |
Aronian Levon |
0-1
|
Karjakin Sergey |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Svidler Peter |
Mamedyarov Shakhriyar |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Topalov Veselin |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Daniel King zeigt die Partie Aronian gegen Karjakin
FIDE-Präsident Kirsan Ilyumzhinov führt den ersten Zug am Brett des Turniersiegers aus.
Ob Sieg für Weiß, Remis oder Sieg für Schwarz - für den Turniersieg spielte das Ergebnis der Partie zwischen Anand und Svidler keine Rolle mehr. Doch natürlich wollte Anand das Turnier nicht mit einer Niederlage beenden. Deshalb steuerte er die Partie mit Weiß gegen Svidlers Marshall-Gambit schnell in ein ausgeglichenes Endspiel, das nach 34 Zügen Unentschieden endete. Damit gewann Anand das Turnier überlegen mit 3 Siegen, elf Remis und ohne Niederlage mit 8,5 Punkten aus 14 Partien.
Vishy Anand: Eine von Anfang bis Ende souveräne Vorstellung
Peter Svidler landete mit 6,5 aus 14 knapp unter 50 Prozent. In der Pressekonferenz sprach er von "einer verpassten Chance. Ich habe zu viele gute Stellungen verdorben."
Ohne großen Schwung spielten auch Shakriyar Mamedyarov und Vladimir Kramnik. In einem Nimzo-Inder führten beide gezielt Abtausch herbei und schlossen nach 30 Zügen Frieden.
Vladimir Kramnik galt vor dem Turnier als Favorit, aber leistete sich einige grobe Fehler. Mit 7 aus 14 kommt er am Ende auf 50 Prozent.
Das Turnier war lang. Shakriyar Mamedyarov startete katastrophal ins Turnier, fing sich dann aber wieder und spielte eine Reihe guter Partien. Auch er landete mit 7 aus 14 bei genau 50 Prozent.
Dramatisch verlief die Partie zwischen Levon Aronian und Sergey Karjakin. Aronian wählte mit Weiß eine originelle Eröffnung (1.e4 c5 2.Sc3 d6. 3.Lc4) und auch im späteren Verlauf der Partie gab es ungewöhnliche Manöver und Motive. Aronian gelang es mit einfallsreichem Spiel, einen Bauern zu gewinnen, für den Karjakin allerdings Kompensation hatte. Im 29. Zug opferte Karjakin dann noch eine Qualität, die Aronian jedoch bald zurück gab. Doch dadurch war er in einer unangenehmen, schwer zu verteidigenden Stellung gelandet, in der Schwarz ohne großes Risiko auf Gewinn spielen konnte. Das tat Karjakin auch. Mit immer weniger Zeit auf der Uhr unterlief Aronian schließlich ein Fehler, der ihn einen Läufer kostete. In Verluststellung konnte er Karjakin bei beiderseits wenig Zeit auf der Uhr noch ein paar Probleme stellen, doch Karjakin behielt die Nerven. Er verbrauchte fünf seiner sechs verbliebenen Minuten, um in entscheidender Stellung einen klaren Gewinnweg zu finden. Das gelang ihm und nur wenige Züge später gab Aronian auf.
Mit diesem Sieg sicherte sich Karjakin den ungeteilten zweiten Platz. Aronian fiel durch die Niederlage unter die 50 Prozentmarke und landete mit 6,5 aus 14 zusammen mit Svidler auf dem geteilten sechsten bis siebten Platz.
Levon Aronian ging mit der besten Elo-Zahl und als klarer Favorit in das Turnier. Nach einer Auftaktniederlage gegen Anand fing er sich wieder und lag nach neun Runden mit gleichauf mit Anand in Führung. Doch auf den letzten Runde brach er ein.
Mit 2,5 aus 7 hatte Sergey Karjarkin eine schlechte Hinrunde. Die Rückrunde war mit 5 aus 7 umso besser und sicherte Karjakin den alleinigen zweiten Platz.
Für Veselin Topalov lief das Kandidatenturnier nicht gut. Mit 5,5 aus 13 lag er vor der letzten Runde ganz am Ende der Tabelle und war unfreiwilliger Halter der "Roten Laterne". Er versuchte deshalb mit aller Kraft, in der Schlussrunde mit Weiß gegen Dmitry Andreikin noch einmal einen ganzen Punkt zu erzielen, doch das scheiterte an der hartnäckigen Verteidigung Andreikins. Topalov spielte ab dem 30. Zug zwar mit einem Bauern mehr, aber seine schlechte Bauernernstellung verhinderte alle ernsthaften Gewinnchancen. Nach 69 Zügen gab er seine Gewinnversuche schließlich auf.
Veselin Topalov: 6 Punkte aus 14 Partien, Platz acht
Dmitry Andreikin, die Nummer acht der Setzliste, zog sich mit 7 aus 14 achtbar aus der Affäre.
Schlusstabelle
Partien der Runden 1 bis 14
Rundenplan
Runde 1, 13.03.2014, 10:00h MEZ, |
Andreikin Dmitry |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Karjakin Sergey |
½-½
|
Svidler Peter |
Mamedyarov Shakhriyar |
½-½
|
Topalov Veselin |
Anand Viswanathan |
1-0
|
Aronian Levon |
Runde 2, 14.03.2014, 10:00h MEZ |
Kramnik Vladimir |
1-0
|
Karjakin Sergey |
Svidler Peter |
1-0
|
Andreikin Dmitry |
Topalov Veselin |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Aronian Levon |
1-0
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Runde 3, 15.03.2014, 10:00h MEZ |
Andreikin Dmitry |
½-½
|
Karjakin Sergey |
Svidler Peter |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Topalov Veselin |
½-½
|
Aronian Levon |
Mamedyarov Shakhriyar |
0-1
|
Anand Viswanathan |
Runde 4, 17.03.2014, 10:00h MEZ |
Mamedyarov Shakhriyar |
1-0
|
Andreikin Dmitry |
Karjakin Sergey |
½-½
|
Topalov Veselin |
Aronian Levon |
1-0
|
Svidler Peter |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Runde 5, 18.03.2014, 10:00h MEZ |
Andreikin Dmitry |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Karjakin Sergey |
½-½
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Svidler Peter |
1-0
|
Topalov Veselin |
Kramnik Vladimir |
½-½
|
Aronian Levon |
Runde 6, 19.03.2014, 10:00h MEZ |
Aronian Levon |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Karjakin Sergey |
Mamedyarov Shakhriyar |
1-0
|
Svidler Peter |
Topalov Veselin |
1-0
|
Kramnik Vladimir |
Runde 7, 21.03.2014, 10:00h MEZ |
Karjakin Sergey |
0-1
|
Aronian Levon |
Svidler Peter |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Kramnik Vladimir |
1-0
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Andreikin Dmitry |
1-0
|
Topalov Veselin |
Runde 8, 22.03.2014, 10:00h MEZ |
Kramnik Vladimir |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Svidler Peter |
0-1
|
Karjakin Sergey |
Topalov Veselin |
½-½
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Aronian Levon |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Runde 9, 23.03.2014, 10:00h MEZ |
Karjakin Sergey |
1-0
|
Kramnik Vladimir |
Andreikin Dmitry |
½-½
|
Svidler Peter |
Anand Viswanathan |
|
Topalov Veselin |
Mamedyarov Shakhriyar |
|
Aronian Levon |
Runde 10, 25.03.2014, 10:00h MEZ |
Karjakin Sergey |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Kramnik Vladimir |
0-1
|
Svidler Peter |
Aronian Levon |
½-½
|
Topalov Veselin |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Runde 11, 26.03.2014, 10:00h MEZ |
Andreikin Dmitry |
½-½
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Topalov Veselin |
½-½
|
Karjakin Sergey |
Svidler Peter |
½-½
|
Aronian Levon |
Kramnik Vladimir |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Runde 12, 27.03.2014, 10:00h MEZ |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Mamedyarov Shakhriyar |
½-½
|
Karjakin Sergey |
Topalov Veselin |
1-0
|
Svidler Peter |
Aronian Levon |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Runde 13, 29.03.2014, 10:00h MEZ |
Andreikin Dmitry |
1-0-
|
Aronian Levon |
Karjakin Sergey |
½-½
|
Anand Viswanathan |
Svidler Peter |
½-½
|
Mamedyarov Shakhriyar |
Kramnik Vladimir |
1-0
|
Topalov Veselin |
Runde 14, 30.03.2014, 11:00h MESZ |
Aronian Levon |
0-1
|
Karjakin Sergey |
Anand Viswanathan |
½-½
|
Svidler Peter |
Mamedyarov Shakhriyar |
½-½
|
Kramnik Vladimir |
Topalov Veselin |
½-½
|
Andreikin Dmitry |
Anastasiya Karlovich, Eteri Kublashvili
Kirill Merkuriev
Fotos: Anastasiya Karlovich, Eteri Kublashvili, Kirill Merkuriev (FIDE, ugrasport.com)
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