Bei den Frauen war eine Schiess-Sportlerin vorne,
beste Mannschaft des Jahres wurde das Hockey-Team der indischen Frauen. Als
bester weiblicher Newcomer 2002 wurde Koneru Humpy (Schach) ausgezeichnet, und
unter den zwölf Geehrten für herausragende Leistungen in den Disziplinen
Leichtathletik, Badminton, Schach, Cricket, Football, Golf, Cue Sports, Hockey,
Kabaddi, Schiessen, Gewichtheben und andere Sportarten befand sich wiederum
Viswanathan Anand als bester Schachspieler.
Abgestimmt hatten Mitglieder des Sportjournalisten-Verbandes von Indien in der
Weise, dass in jeder Kategorie vier Sportler zur Auswahl standen, unter denen
dann wiederum die 20 indischen Gründungsmitglieder der Akademie die Gewinner
ermittelten. Als Sportler des Jahres 2002 liess Anand so zwei Cricket-Idole und
einen Tennis-Star hinter sich.
Indien ist von Mitteleuropa ziemlich weit entfernt, und so ist es nicht
überraschend, dass man hier nicht so recht weiss, wie diese Meldung
einzuschätzen ist. Dass Schachspieler zu Sportlern des Jahres gewählt werden,
kam in der früheren UdSSR gelegentlich vor. Bekannt ist auch, dass Viswanathan
Anand in Indien schon verschiedentlich geehrt wurde - aber was verbirgt sich
hinter der Hero Indian Sports Academy (HISA)?
Hero ist in diesem Zusammenhang nicht die englische Bezeichnung für einen
Sporthelden, sondern ein 1956 kreierter Marken-Name für eine indische Firma, die
in ihren bescheidenen Anfängen vor 60 Jahren Fahrrad-Komponenten herstellte und
heute nach vielfältiger Diversifizierung (Produkt-Design, IT-Services, Finanz-
und Versicherungs-Dienstleistungen etc.)
der
weltweit führende Fahrrad-Hersteller ist.
1984 verbündete sich die indische Hero-Gruppe in einem Joint Venture mit der
Honda Motor Company (Japan) zur
Hero Honda Motors Ltd.,
die an dem weltweiten Zweirad-Markt nach eigenen Angaben einen Anteil von 48
Prozent hat. Chefs in der Hero-Gruppe sind die Brüder Munjal.
Feierlich eröffnet wurde die HISA erst Anfang Februar 2003 in Anwesenheit des
legendären Doppel-Olympiasiegers Edwin Moses. Am 3. Februar annoncierte Moses in
seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Laureus World Sports Academy in
Neu Delhi den Start des indischen Zweigs der Laureus Sport for Good-Stiftung
durch HISA. Unter Berufung auf den früheren Präsidenten Südafrikas, Nelson
Mandela, sagte Edwin Moses: "Sport ist in der Lage, die Welt zu ändern, und wir
haben dies mit unserer Arbeit bewiesen. Nun starten wir unser erstes Projekt in
Indien." Die indische Cricket-Legende Kapil Dev ist HISA-Vorsitzender und
zugleich das einzige asiatische Gründungsmitglied der Laureus World Sports
Academy. Zu den HISA-Gründungsmitgliedern zählt u.a. der als Banker tätige
indische Schach-Grossmeister Pravin Thipsay.
Vermittelt
wurde die HISA-Gründung durch eine in Indien seit über zehn Jahren führende
Sportmanagement- und Marketing-Firma mit dem bemerkenswerten Namen
Percept D'Mark
(Mumbai). Diese Gründung erfolgte bereits Anfang August 2002. In Neu Delhi
enthüllten während einer Pressekonferenz Ian Banner (Geschäftsführer der Laureus
World Sports Awards), Kapil Dev, Pawan Munjal (Hero-Gruppe) und
Tennis-Star/Schachfreund
Boris Becker
(Vorsitzender der Laureus Sport for Good-Stiftung in Deutschland) das
Logo der HISA. Die Hero Indian Sports Academy soll gemäss dem Konzept der
Laureus World Sports Academy entwickelt werden, die von den Konzernen
DaimlerChrysler und Richemont gegründet worden ist.
DaimlerChrysler und
Richemont
(ein Konzern, zu dem ein Portfolio von 14 weltbekannten Luxusmarken wie Alfred
Dunhill, Baume&Mercier, Cartier etc. gehört) gaben am 4. Oktober 1999 in London
ihre Absicht bekannt, weltweite Sportler-Ehrungen durchzuführen. Ziel der
Initiative soll sein, die Leistung von Sportlern und Sportlerinnen verschiedener
Herkunft in diversen Kategorien zu würdigen und dabei die Staatsgrenzen und
Abgrenzungen zwischen unterschiedlichen Sportarten zu überwinden. Ziel soll
insbesondere sein, die Nützlichkeit des Sports für die Gesellschaft
herauszustellen (daher der Projekt-Name Sport for Good). In diesem
Anfangsstadium gründeten DaimlerChrysler und Richemont ein Joint Venture ("LSA
Inc.") mit Sitz in der Schweiz, London und Monte Carlo, welches das Projekt
finanzieren und managen sollte. Am 13. März 2001 wurde in Berlin bekannt
gegeben, dass die Deutsche Bank Private Banking sich dem Projekt angeschlossen
hat: In addition to our function as Official Private Bank of the Laureus
World Sports Awards, as the Trusted Private Bank of the Laureus Sport for Good
Foundation we also act as a key interface translating dedication to sport into
social commitment (Dr. Bernd-A. v. Maltzan, Deutsche Bank).
"Social commitment" - das ist der wesentliche Punkt. Während Sport sonst meist
nur steril als eine Übung um ihrer selbst willen präsentiert wird, geht es hier
ausdrücklich um Sport als Instrument sozialen Wandels. Was unter der sozialen
Verpflichtung des Sports verstanden werden kann, kann man z.B. einer
Laureus-Sports-Awards-Rede Nelson Mandelas vom Mai 2000 entnehmen. Hier sagte
Mandela anlässlich der in Monaco durchgeführten Ehrung des brasilianischen
Fussballers Edson Arantes do Nascimento, weltbekannt unter dem Namen Pelé:
Sport spricht zur Jugend in einer Sprache, die sie versteht. Sport kann Hoffnung
wecken, wo sonst nur Verzweiflung wäre. Sport ist mächtiger als Regierungen,
wenn Rassenschranken heruntergerissen werden sollen. (...) Um ein wirksamer
Vermittler von Frieden zu sein, darf man nicht allein danach streben, die Welt
zu ändern. Schwieriger ist es, sich selbst zu ändern, bevor man andere zu ändern
versucht. (...) Eine Legende wie Pelé und all die andern Geehrten hinter mir
sind unsere Helden, unsere Hoffnung, weil sie in ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld
den Frieden fördern...
Gegenwärtig unterstützt die Laureus Sport for Good-Stiftung weltweit 18
Projekte. Hierzu gehören u.a. obdachlose Kinder und Jugendliche im Street
Universe Project in Cape Town und Inner City Games in New York; ein
Kindersoldaten-Programm in Sierra Leone; behinderte Kinder in China; die
Einführung von Frauen-Fussball im islamischen Marokko...
Im indischen Mumbai, wo 54 Prozent der Bevölkerung unterhalb der indischen
Armutsgrenze leben, soll HISA für die Laureus Sport for Good-Stiftung das
Projekt "Magic Bus" betreuen. Hierdurch sollen "Schulräume ohne Mauern"
geschaffen werden. Geboten werden Ausbildung, Unterbringung, Kleidung, Nahrung
und medizinische Betreuung verbunden mit Sport. Weitere Informationen hierzu
gibt es im Internet unter der Adresse
http://www.laureus.com/.
Viswanathan Anand hatte an der feierlichen Verleihung der Preise wegen eines
Turniers im spanischen Bilbao nicht teilnehmen können. Nach seiner Rückkehr
sprach ein Journalist der indischen Zeitung
The Hindu mit
ihm. Anand sagte: I'm quite pleased to be awarded the Best Sportsman and
Best Chess Player Awards. It is always nice to be appreciated by sports
journalists and fellow colleagues.
Gerald Schendel / 08.05.2003