ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
ChessBase: Wie fühlt man sich als frischgebackener Sieger der Eurotel
World Cup Trophy?
Anand: Klasse, natürlich, richtig klasse. Aber besonders hat mich
gefreut, dass ich wieder Schach gespielt habe, einige wirklich gute Partien,
nach so vielen Enttäuschungen.
ChessBase: Dann ist Anand wieder da?
Anand: Sieht fast so aus, nicht?
ChessBase: Welchen Partien haben Ihnen besonders gefallen?
Anand: Die Siege gegen Khalif und Sokolov, und natürlich das Finale gegen
Karpov...
ChessBase: Aber vorher war da das Match gegen Ivanchuk. Stand das nicht
ein bisschen auf der Kippe?
Anand: Ja, beide normalen Partien endeten remis. In der ersten stand ich
total auf Verlust, konnte mich aber retten. Nach der zweiten erklärte mir Khalif
die Feinheiten von Nimzoindisch, wo ich offensichtlich mit einem Minustempo
gelandet war. Die vierte war hübsch, mein Sieg in der Blitzpartie. In diesen
Begegnungen läuft niemals alles so glatt, und es war ein ständiges hin und her.
Aber irgendwann erlaubte er mir, auf der sechsten Reihe zu verdoppeln und 46.b6
zu spielen. Wenn der Bauer erst mal durchbricht, ist er bereits in großen
Schwierigkeiten.
ChessBase: In der Zwischenzeit bahnte sich Karpov in erstaunlichem Stil
seinen Weg ins Finale. Was sagen Sie zu seiner Leistung?
Anand: In der entscheidenden Partie gegen Morozevich hat er sein Glück
ein bisschen gezwungen. Doch um ehrlich zu sein, hatte Morezevich in der Runde
zuvor auf fast identische Weise Grischuk ausgeschaltet. Aber abgesehen von
dieser einen prekären Moment war Karpov ziemlich beeindruckend. Er war voll auf
der Höhe und hat alle seine Chancen genutzt. Er hat sein Schachgefühl nicht
verloren, und das ist im Schnellschach nun mal das Wichtigste. Deine Instinkte,
deine Intuition, wie viel von der Vorbereitung du abrufen kannst. Dieses Format
scheint Karpov offenbar zu liegen.
ChessBase: Doch dann musste er gegen Sie antreten, und alles nahm ein
unglückliches Ende für ihn.
Anand: Naja, in der ersten Partie war die Stellung nach seinem
Läuferrückzug nach d7 eigentlich ziemlich tot. Doch mit 25. g3 gelang es mir,
ihr ein bisschen Leben einzuhauchen. Es folgte der Turmtausch, und ich spielte
27.De4, wonach es nach Remis aussieht. Aber Schwarz hat doch noch Probleme.
Zunächst einmal drohe ich Dh7; wenn er ...g6 spielt, ziehe ich h5, auf...g5
schlage ich, und falls er mit dem Bauern wiedernimmt, folgt Sd5. Es ist einfach
ein bisschen unangenehm für ihn. Schwarz hat das Remis fast in der Tasche, aber
es gibt niemals ein Abspiel, wo er es tatsächlich bekommt. Und dann erlaubte er
diesen Einschlag auf f7. Natürlich war da seine Lage bereits sehr schwierig.
Wenn er beispielsweise 30...Dg7 spielt (statt 30...Df6), dann gewinnt 31.Db1.
Tatsächlich war Db1 so stark, dass ich überlegte, ob ich 31.Lxf7 überhaupt nötig
hätte. Ich verwarf diesen Zug nur deshalb, weil ich nicht wollte, dass hinterher
alle Leute Fritz einschalten und sagen, "Oh, Vishy hat Lxf7 übersehen!" Darauf
konnte ich wirklich gut verzichten; daher beschloss ich, diesen dummen Bauern
einfach zu nehmen, damit mir niemand vorwerfen konnte, ich hätte es übersehen.
Ich dachte, wenn es am Ende remis ausgeht, wird es überall heißen, "er hätte
Lxf7 spielen sollen, ist doch sonnenklar!" In der Partie schien das jedenfalls
zu reichen. Ich musste nur höllisch aufpassen, nicht die Springer zu tauschen;
soviel war mir klar. Nach dem Springertausch stellt Schwarz nämlich seinen König
auf f6 und den Läufer auf e8; Weiß muss irgendwann g5+ ziehen, hxg5+ fxg5+, und
dann geht der König zurück nach g7. Weiß hätte dann zwar einen Freibauern auf g5
und die drei Damenflügelbauern, Schwarz ebenfalls drei, aber es wäre fast
unmöglich einzudringen, da der Läufer die weißen Felder kontrolliert. Daher
musste ich bis zum Ende den Springertausch vermeiden. Als es erst mal zu Sc4
kam, lief von da an eigentlich alles wie am Schnürchen.
ChessBase: Die zweite Partie.
Anand: Ich entschied mich für Slawisch, weil ich
annahm, dass er meine beiden anderen Eröffnungen in diesem Turnier -
Damenindisch und Damengambit - unter die Lupe nehmen würde. Ich hielt es nicht
für nötig, voll in seinen Vorbereitung zu laufen. Jedenfalls, er wählte ein
solides Abspiel mit 6.Dc2, worüber ich mich freute, denn ich brauchte ja nur ein
Remis, und glaubte, dies sei bequem für mich zu spielen.
Nicht besonders glücklich war ich über 13....Te8, was kaum brillant ist, aber
14.Te1 war noch schlechter, denn danach hat Schwarz ausgeglichen. Er sollte die
Stellung im Schlaf remis halten können, doch ich war leider hellwach und fand
ein paar grottenschlechter Züge - besonders hervorheben würde ich 20...De7 und
21...Tad8. .Danach wurde es tatsächlich etwas unangenehm, obwohl Schwarz niemals
wirklich viel schlechter steht. Aber man muss eben ein kleines bisschen
aufpassen.
ChessBase: Was war mit 22...g6?
Anand: Was soll
damit sein?
ChessBase: Manche hielten dies für einen Bock.
Anand: Nein, nein, der Zug war absolut in Ordnung. Die Möglichkeit
22...h6 23.h4 schien mir nicht für besser. Es wäre etwas anderes, wenn ich
meinen schwarzfeldrigen Läufer nicht hätte, aber der steht da auf c5 und kommt
wieder zurück. Im weiteren Verlauf wird er sogar recht nützlich, denn sobald ich
einmal mit meiner Dame eindringe, bekomme ich allmählich wirklich gute Chancen..
ChessBase: Am Ende war Ihre Position ganz in Ordnung.
Anand: Es war witzig, denn als er in der Schlussstellung 34.Lxh5 spielen
konnte, wählte er 34.Lf3, und ich hatte Dxf2 nicht mal gesehen. Wir beide hatten
dieselbe Halluzination.
34...Lxf3 35.Txf3 Df5. Wir betrachteten die Stellung, dann schlug er Remis vor,
und ich nahm nach wenigen Sekunden an. Später fragten mich einige Zuschauer,
warum kann man nicht den Bauern f2 nehmen? Und mir dämmerte, dass ich nach
34.Dxf2 oder sogar 34...Lc5 deutlich besser stehe. Wenn ich dass gesehen hätte,
hätte ich definitiv weitergespielt.
ChessBase: Obwohl Sie nur ein Remis brauchten und das Risiko bestand,
etwas zu übersehen?
Partieanalyse nach dem Finale mit Radjabov, Karpov und Anand
Anand: Nein, wenn ich eine Gewinnchance gesehen hätte, hätte ich
selbstverständlich weitergespielt. 2-0 ist ein tolles Ergebnis, und es bedeutet
fünf Wertungspunkte mehr. Das kann man nicht einfach so abtun. Aber letztendlich
bin ich nicht unzufrieden, dass ich das Remis annahm. Übrigens bot es mir auf
Russisch an. Ich ersuchte ihn, es auf Englisch zu tun, weil ich keine
Missverständnisse wollte. Er hätte mich ja auch fragen können, ob ich aufhören
könnte zu husten oder ob es nicht ein wunderschöner Tag sei. Ich wollte es auf
Englisch hören.
ChessBase: Am Ende gab es eine Menge Jubel, und jetzt
klingen wirken Sie sehr zufrieden.
Anand: Ja, ich habe ein paar gute Partien gespielt. Das ist ein schönes
Gefühl.