Anatoly Karpov in Berlin

von Michael Dombrowsky
01.05.2017 – Die zentrale Endrunde der Bundesligen in Berlin war ein Who-is-who der internationalen Schachszene. Einer der Top-Stars war Anatoly Karpov. Erst gab er Autogramme, dann spielte er für seinen Verein Hockenheim. Zwischendurch gab er Michael Dombrowsky ein Interview.

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Anatoli Karpov – glanzvoller Auftritt in Berlin

Am ersten Tag des großen Bundesligafinales in Berlin sorgte Anatoli Karpov abseits des Brettes für einen Glanzpunkt. Der Exweltmeister war am frühen Abend für eine Autogrammstunde angekündigt. Längst hatte sich eine lange Schlange vor dem Tisch, an dem Karpov sitzen sollte, gebildet…

Zwei Minuten vor halb sieben hastete Exweltmeister Anatoli Karpov aus dem Fahrstuhl. Zielsicher wandte er sich nach links und stürmte in den Saal. Dort starrten ihn hundert oder mehr Augenpaare erstaunt an: Das Schach-As war bei den Teilnehmern des Bridgeturniers um die „Berlin-Trophy" gelandet. Schnell verließ er das fremde Territorium und verneinte im Laufschritt meine neugierige Frage, ob er die Spielart gewechselt habe. Dabei trug er am späten Eintreffen keine Schuld. Ein herrenloser Koffer im Flughafen Tegel hatte die Abfertigung etliche Zeit zum Erliegen gebracht.

Dieter Auer, Anatoly Karpov (Foto: Georgios Souleidis)

Fast auf die Sekunde genau begann Karpov dann seine „Arbeit". Er signierte Autogramm-Postkarten, schrieb seinen Namen in Bücher, malte seine Unterschrift auf ein Schachbrett. Ruhig und freundlich erfüllte er die Wünsche von über hundert Fans, die extra auf diesen Moment gewartet hatten. Nachdem die Schachbegeisterten erfreut von dannen zogen, nahm sich Karpov noch die Zeit für ein längeres Gespräch und erzählte, was ein rastloser Rentner (Er wird am 23. Mai 66 Jahre alt) so alles macht:

Gibt es noch schachliche Aktivitäten im Leben des Anatoli Karpov?

Selbstverständlich. Im Juni und Juli finden zwei Karpov-Schachcamps in Italien und Spanien statt. Dort werden Jugendlich intensiv gefördert und verbessert. Außerdem eröffne ich im Oktober eine dritte Karpov-Schachschule. Feuerland ist auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Ort, aber dort im Süden von Argentinien kann man gut trainieren und arbeiten.

Und wie sieht es mit den eigenen Einsätzen am Brett aus?

Ich gehöre noch immer dem russischen Parlament als Abgeordneter an. Ich habe verschiedene Wettkämpfe meiner schachspielenden Kollegen mit Schachspielern anderer Parlamente organisiert. Am 29. Mai bin ich mit einer Schachauswahl der Duma in Berlin. Dann spielen wir gegen Vertreter des Bundestages, drei Tage später spielen wir in Paris gegen unsere französischen Kollegen und zwei Tage danach sind wir in Belgien zu Gast.

Spielen Sie bei solchen Gelegenheiten selbst mit?

Nein, ich stärke meiner Mannschaft moralisch den Rücken. Nur als ich mit dem Team in der Schweiz war, gab es eine Ausnahme. Die Schweizer Parlamentarier hatten wohl gemerkt, dass eine Auswahl aus den eigenen Reihen zu schwach sein würde. Also hat man das Auswahlkriterium auf Staatsdiener erweitert. In den staatlichen Behörden und Betrieben wurde man fündig. Als dann der zweite Internationale Meister gemeldet wurde, habe ich mich in meinem Team als Spieler eingesetzt.

Gibt es in nächster Zeit noch bei anderen Gelegenheiten den schachspielenden Anatoli Karpov zu beobachten und zu bewundern?

Ja, am ersten Mai beginnt in Sotschi die russische Mannschaftsmeisterschaft. Eine Mannschaft aus dem Ural ist mit am Start. Da ich in Slatoust im Südural geboren bin, lag es natürlich nahe, in diesem Team mitzuspielen.

Eines der Autogramme wanderte nicht in Karpows Buch, sondern auf die von ChessBase publizierte DVD über den 12. Weltmeister.

Master Class Band 6: Anatoly Karpov

Auf dieser DVD geht ein Expertenteam Karpovs Spiel auf den Grund. In über 7 Stunden Videospielzeit (jeweils komplett deutsch und englisch) beleuchten die Autoren vier wesentliche Aspekte von Karpovs Spielkunst.

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Epilog. Das Gespräch hatte am Freitag stattgefunden. Verwundert war nicht nur ich, als am Sonnabend Hockenheim am Spitzenbrett Karpov aufbot. Ich sah Karpov kurz vor der Partie und fing ihn ab, bevor er sich ans Brett setzte. „Du bist ein Schlitzohr. Gestern war von Sotschi, aber nicht eine Silbe von Berlin die Rede", begann ich.

Anatoly Karov am Brett (Foto: Dagobert Kohlmeyer)

Anatoli schaute mich treuherzig an und erwiderte lächelnd: „Das mit Sotschi stimmt. Aber ich habe nicht gesagt, dass ich dort ab der ersten Runde mitspiele." Dann fügte er augenzwinkernd hinzu: „Und Berlin? Du weißt doch – mit dem Alter wird man vergesslich."
  


Michael Dombrowsky war fast 40 Jahre als Redakteur bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften tätig. Als Rentner begann er Bücher zu schreiben. Das erste Schachbuch auf dem Markt sind die „Berliner Schachlegenden“.

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