Andrew Martin: The ABC of Alekhine
Rezension von Carsten Hansen
In der Einleitung zu dieser DVD stellt der
englische IM Andrew Martin die These auf, dass das von ihm zusammengestellte
Repertoire für Spieler aller Klassen bis hin zur Großmeisterebene gut anwendbar ist.
Das klingt nicht gerade nach einer Untertreibung, aber tatsächlich bietet seine DVD
eine ganze Reihe guter Ideen für Nebenvarianten, die einen anständigen Ruf
genießen und zudem theoretisch noch nicht überfrachtet sind.
Der Inhalt gliedert sich wie folgt auf:
- Intro
- Inspiring Game 1 + 2 (2 Videos)
- Modern Variation: 5.Sxe5 c6 6.Lc4 Game 1 + 2 (2
Videos)
- Modern Variation: 6.Le2 (1 Video)
- Modern Variation: 6.Ld3 and others (1 Video)
- Four Pawns Attack 1 + 2 + Summary (3 Video)
- Exchange Variation: Game 1-7 (7 Videos)
- Chase Variation Game 1 + 2 (2 Videos)
- 3.Sc3 Game 1 + 2 and Summary (2 Videos)
- Unusual Lines 1 + 2 (2 Videos)
- 2.Sc3 (1 Video)
- Outro (1 Video)
Diese Liste sagt natürlich noch nichts Konkretes über die
schwarze Eröffnungswahl aus. Die wichtigsten Vorschläge lauten:
a) 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.Sf3 dxe5 5.Sxe5 c6. Martin nennt dies in der
Einleitung die Miles-Variante, aber in der Übersicht taucht sie als die Moderne
Variante wieder auf. Für Spieler, die nicht gerne das etwas passive 4...Lg4 oder 4...g6,
5...c6, mit der Absicht 6...Sd7 spielen, macht diese Fortsetzung absolut Sinn,
vor allem weil die Theorie hier nicht so weit entwickelt ist wie in den
Hauptsystemen nach 4.Sf3. Darüber hinaus führt diese Spielweise zu einer
ziemlich soliden Stellung, und Schwarz hier weniger Gefahr, in die
Vorbereitung seines Gegner zu laufen. Die theoretische Last dürfte hier zu
gleichen Teilen auf den Schultern von Schwarz und Weiß verteilt sein.
b) 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.c4 Sb6 5.f4 dxe5 6.fxe5 c5 7.d5
g6!?. Das ist ein ziemlich seltener Zug den ich vor dieser DVD noch gar nicht
kannte.
c) 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.d4 d6 4.c4 Sb6 5.exd6 exd6. Die solideste Antwort auf die
Abtauschvariante, die in den Büchern über die Aljechin-Verteidigung in den
letzten Jahren in der Regel für Weiß empfohlen wird.
d) 1.e4 Sf6 2.Sc3 d5 3.e5 d4. Diese Fortsetzung ist ziemlich solide, Schwarz
umgeht damit eine Reihe gebräuchlicher Fallen, die Weiß hier normalerweise
aufstellen kann.
Andrew Martins Präsentation des Vierbauernangriffs
fällt sehr gründlich aus. Für mich stellt sich im Anschluss an seine Analysen
die Frage, warum diese Variante nicht häufiger gespielt wird. Wie auch immer, in
seiner Darlegung geht er nicht auf die - an der ELO-Zahl gemessen -
hochwertigste Partie in dieser Variante ein:
Sergei Movsesian (2624) - Zoltan Varga (2533)
Extraliga 2005 1.e4 Sf6 2.e5 Sd5 3.c4
Sb6 4.d4 d6 5.f4 dxe5 6.fxe5 c5 7.d5 g6 8.Lf4 Lg7
9.Sc3 0–0 10.Dd2 e6 11.0–0–0 exd5 12.cxd5 Lg4 13.Te1 c4 14.h3 Lf5 15.g4 Ld3
16.Lxd3 cxd3 17.Dxd3 Sa6 18.d6 Tc8 19.Kb1 (Diagramm)
19…Sb4
Martin analysiert hier nur 19 Sc4 20.Sd5 Da5 21.Se7+,
aber 21.Sf3 sieht für Weiß sehr gut aus. Aus diesem Grund wäre es sehr stimmig
gewesen, wenn Martin die Fortsetzung des ungarischen Großmeisters in die DVD mit
aufgenommen hätte.
20.Dd1 Sc4 21.Th2
21.Te4 ist hier ebenfalls möglich, aber nach
meinen Analysen sollte Schwarz hier ok sein, nach 21...Nxb2! 22.Kxb2 Qb6 ok z.B.
muss Weiß schon sehr genau spielen, wenn er nicht auf den Bauch fallen will.
21...Da5 22.Sf3 Tc5
Hier kommt für Schwarz auch 22...Sa3+!? in Frage,
z.B. 23.bxa3 Txc3 24.axb4 Dxb4+ 25.Tb2
Dxf4, und Schwarz sollte gut stehen.
23.The2 h6 24.Sd4 Sd5 25.Se4 Sxf4 26.Sb3 Db4
26...Td5!? scheint alles in allem die bessere Fortsetzung
zu sein. Nach 27.Sxa5 Txd1+ 28.Txd1
Sxa5 hat Weiß dank seines vorgerückten d-Bauern Kompensation für den schwarzen
Materialvorteil.
27.Sexc5 Sxe2 28.Txe2 Sxe5 29.Dd5 b6 30.Sd3 Sxd3 31.Dxd3
Td8 32.d7 Da4
33.Td2 Dc6 34.Sc1 a5 35.Se2 Kf8 36.Td1 Le5 37.De3 Db5 38.Sc3 Dc5 39.Dxh6+ Lg7
40.Dd2 Dc6 41.Dd3 Lf6 42.Se4 Txd7 43.Dxd7 Dxe4+ 44.Dd3 Dg2 45.Td2 Dh1+ 46.Td1
Dg2 47.Db3 a4 48.Dxb6 Kg7 49.a3 Dxh3 50.Db4 Dg2 51.Tc1 De2 52.Ka2 g5 53.Tc5 Kg6
54.Ta5 Lxb2 55.Dxb2 De6+ 56.Ka1 1–0
|
Martin hätte auch die Variante 2.Sc3 d5 3.e5 d4
gründlicher untersuchen können, denn er beschränkt sich hier auf die weiße
Fortsetzung 4.exf6. Die Fortsetzung 4.Nce2, die von vielen starken Spielern
vorgezogen wird, darunter auch der frühere Weltmeister Mikhail Tal, findet
hingegen keine Erwähnung. Diese Variante bietet sicherlich interessanteres Spiel
als die von Martin diskutierte Spielweise.
Nichtsdestoweniger finde ich diese DVD alles in
allem gut gelungen. Die von Martin ausgewählten Varianten sind hochwertig genug,
um in absehbarer Zeit keine Widerlegung zu erfahren, und dieser Kurs wird
vermutlich zur Popularisierung von Martins Ideen beitragen. Wenn Sie sich für
die Aljechin-Verteidigung aus schwarzer Sicht interessieren, kann ich Ihnen
diese DVD ohne weiteres als Repertoiregrundlage und Ausgangspunkt für weitere
Erkundungen empfehlen.
Die DVD bekommt von mir 4 von 5 möglichen
Sternen.
Originalrezension auf
www.chesscafe.com
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