Das Interview erschien im "Neuen Deutschland":
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung
Blutstorchschnabel versus Pechnelke
Hängender Schachgarten in Fasanerie bei Fulda
Lasst Blumen und Gedanken blühen - beim Schach.
Hingucker vor dem Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda ist ein schwebendes
64-Felder-Feld. Bepflanzte Töpfe, die unter einem Holzgerüst baumeln,
symbolisieren die Figuren. Der Autor DR. RENÉ GRALLA hat sich das Objekt
erklären lassen von Diplomingenieur SVEN KNÖPPEL (34) aus Kassel, der die
Installation zusammen mit seinem Partner Marco Link (33) vom Atelier
"Raumgewinn" aus Kassel geschaffen hat.
DR. RENÉ GRALLA: Majestix, der Häuptling von Asterix und
Obelix, fürchtet nichts, außer dass ihm womöglich "der Himmel auf den Kopf
fallen könnte". Bei Ihrem Schachobjekt müssen die Gegner nun tatsächlich Bammel
davor haben, dass ihnen das Spiel auf den Kopf donnert, allerdings bloß
virtuell. Sofern nämlich eine Partie schief läuft.
SVEN KNÖPPEL: Wir sollten ein Schachfeld entwerfen, über
das Figuren aus pflanzlichen Elementen bewegt werden können, das ist eine
Vorgabe des Veranstalters gewesen. Die zweite Vorgabe: die Oberfläche des
historisch wertvollen Ehrenhofes vor dem Schloss so wenig wie möglich
anzufassen. Deswegen haben wir im Eingangsbereich der Fasanerie eine 3,50 Meter
hohe Holzkonstruktion errichtet. Die Spielfiguren hängen an Ketten auf 1,50
Höhe, also im Bereich des Gesichtsfeldes, damit man sie anfassen und bewegen
kann. Die Seiten des Objektes messen 12 mal 12 Meter.
DR. R.GRALLA: Wie kann der Betrachter die schwarzen und
weißen Felder des Schachplans unterscheiden?
KNÖPPEL: Rechtecke aus Schalbrettern, deren Innenseiten
weiß oder schwarz gestrichen sind, markieren im Dachbereich der Installation die
Spielquadrate. Fliegengitter überspannt die nach oben offenen Zwischenräume.
Wenn Sie von unten hindurchschauen, verändert sich entsprechend Ihre Wahrnehmung
des Schlosses im Hintergrund und des Himmels darüber.
DR. R.GRALLA: Die Figuren sind bepflanzte Töpfe?
KNÖPPEL: Das sind Blumenampeln, die Blüten erstrahlen in
Pink. Die Palette reicht vom Blutstorchschnabel für den Springer bis zur
Pechnelke für den König. Die Töpfe sind entweder weiß oder schwarz lackiert und
tragen zusätzlich Symbole für Turm, Dame, Läufer undsoweiter. An ihren Ketten
sind die Schachblumenampeln mit Haken befestigt und können ein- und ausgehängt
werden.
DR. R.GRALLA: Und die Gegner müssen ihre Köpfe in die
Nacken legen und angestrengt schräg nach oben peilen, um zu erkennen, ob dem
Pechnelken-König gerade ein Matt droht?
KNÖPPEL: Richtig, Sie stehen mitten drin im Geschehen.
Und das Besondere ist: Alle Besucher des Gartenfestes passieren das schwebende
Spielfeld, weil es den Eingangsbereich überspannt. Die Menschen müssen da durch
und wie bei einem Slalom um die Blumenampeln kurven.
DR. R.GRALLA: Fürchten Sie keine Kollisionen?
KNÖPPEL: Nein. Die Abstände von Blumenampel zu
Blumenampel betragen 1,50 Meter, da ist genügend Platz.
DR. R.GRALLA: Haben Sie an Security gedacht, damit die
Leute keinen Unsinn treiben? Und sich, falls sie verlieren, die Pötte auf die
Köppe schlagen?!
KNÖPPEL: Oh Gott, na ja! (lacht) Aber klar,
Aufsichtspersonal wird alles im Blick haben.
DR. R.GRALLA: Sind Sie selber Schachspieler?
KNÖPPEL: Nein, aber ich kenne selbstverständlich die
Regeln. Und wir haben besonderen Wert darauf gelegt, dass die Installation
wirklich bespielt werden kann.
DR. R.GRALLA: Auf diese Weise haben Sie ein interaktives
Blumenbeet kreiert?
KNÖPPEL: Genau. Das Motto der Veranstaltung heißt
schließlich "Gärten in Bewegung", und dieser hängende Schachgarten verändert
sich ständig.
DR. R.GRALLA: Das Objekt passt zum Schachjahr 2008 in
Deutschland, mit der WM im Oktober in Bonn und der Olympiade vier Wochen später
in Dresden.
KNÖPPEL: Der Schachgarten kann nach Ende der Schau in
Bonn oder Dresden wieder aufgebaut werden.