Als hochrangiger Funktionär des Putin-Regimes war Arkady Dvorkovich ein Mann der ersten Stunde: Schon im Jahr 2001 stand "stellvertretender Minister" in der Vita des FIDE-Präsidenten. Geendet hat diese Laufbahn erst 2018, als Dvorkovich zum Sport gewechselt ist. Vielleicht wurde er aber auch vom Kreml dahin entsandt: Mit dem Beginn von Wladimir Putins vierter Amtszeit wurde das Regime deutlich "radikaler", und hatte wohl für den als "liberal" geltenden Wirtschaftsexperten Dvorkovich keine rechte Verwendung mehr. Ein Bruch war das aber nicht, denn vor seiner ersten Wahl zum FIDE-Präsidenten im Jahr 2018 war Dvorkovich noch als Chef-Organisator der in Russland durchgeführten Fußball-Weltmeisterschaft 2018 tätig - zweifellos eine Vertrauensstellung aus der Sicht des Kremls.
Das heutige Wahlergebnis zeigt nun, dass sich Dvorkovich in seiner ersten Amtszeit bei der FIDE eine hohe Reputation erworben hat - die Gegenkandidatur des ukrainischen Großmeisters Andrii Baryshpolets hatte keine Chance (die Stimme des DSB hat er allerdings bekommen). Und der Zustand der FIDE ist ja auch nicht schlecht, wie die reibungslose Durchführung zahlreicher großer Turniere in den vergangenen Jahren gezeigt hat. "Reibungslose Durchführung" - das bedeutet vor allem, dass die Finanzierung gesichert ist. Dvorkovich ist offensichtlich ein Mann, der dieses Geld "besorgen" kann. Dass es bisher oftmals aus russischen (Öl-) Quellen gekommen ist, scheint kaum jemand gestört zu haben, und neuerdings bemüht man sich diesbezüglich ja auch um Diversifikation. Die große strategische Begabung von Dvorkovich zeigt sich auch darin, dass er jetzt Viswanathan Anand für sich gewinnen konnte. Wenn es, neben Russland, überhaupt ein weiteres Land gibt, in dem Schach "politisch" ist, dann könnte das Indien sein. Und reiche Inder gibt es bekanntlich auch genügend; mit der neuen Gallionsfigur Anand ist es also sehr wahrscheinlich, dass ein größerer Teil des FIDE Budgets künftig aus Indien kommen könnte.
Die FIDE hat jedoch auch in den nächsten vier Jahren einen Präsidenten, der aus einem Land stammt, in das auf lange Sicht kein Großmeister aus der westlichen Welt auch nur einen Fuß setzen dürfte. Jedenfalls wird dies wohl niemand tun, der sich mit dem Fall der US-Basketball-Spielerin Brittney Griner vertraut gemacht hat. Dieser absurde Zustand ist eigentlich ein dicker Knoten, von dem man sich kaum vorstellen kann, dass er ewig Bestand haben wird. Aber wenn es jemanden gibt, der in der Lage sein wird, diese Paradoxie über Jahre hinweg zu verwalten, dann ist das wohl der zweifellos hochbegabte Arkady Dvorkovich!
Meldung bei der FIDE