Arrabal: Wird der Autor (oder Schachspieler) dem Internet erliegen?

von ChessBase
23.11.2006 – Die Frage, ob der Computer für den Künstler eher eine Hilfe oder eher eine Bedrohung darstellt, stellt sich seit einiger Zeit in verschiedenen - besonders den kreativen -Bereichen menschlichen Schaffens. So leiden die Musiker unter der Verbreitung ihrer Werke mit Hilfe des Computers und die "Drohung" von Google, die Werke von Schriftstellern online verfügbar zu machen, hat unter den Autoren, z.B. John Updike, viel Widerspruch hervor gerufen. Aber auch im Schach ist es eine offene Frage, inwieweit der Computer mehr nützt oder schadet. Der spanische Autor Fernando Arrabal hat sich dieser Frage angenommen und eine Umfrage anlässlich des Wettkampfes Mensch gegen Maschine in Bonn zum Anlass genommen das Thema in einem offenen Brief an John Updike zu verallgemeinern. Mehr...

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Fernando Arrabal, Schriftsteller

Welche Meinung haben Sie zu den Mensch-Maschine Schachwettkämpfen?

Arrabal: Dieselbe wie Séneca über die Kämpfe zwischen Stieren und Löwen in Roms Kolosseum. Dieselbe wie Raphael über den Streit zwischen Aristoteles und Platon. Dieselbe wie die Professoren von Cambrigde als Zuschuer des Streits zwischen Popper und Wittgenstein.

Was denken Sie über den Einfluss von Computern und [Blogs] (von Arrabal ergänzt) im Schachsport. Ist er gut oder schlecht?

Arrabal: Exzellent in künstlerischer, anarchisch in poetischer Hinsicht und Pan-isch wegen Ihrer Verwirrung.

Empfinden Sie den Einfluss der Computer und [Blogs] im Schach eher als hilfreich oder als eine Last?

Arrabal: Eine Hilfe bis zum Verbrechen.

Was glauben Sie, wer das Match gewinnen wird: Kramnik oder Deep Fritz?

Arrabal: Das Schachspiel und Midas



 

Offener Brief an meinen lieben Kollegen John Updike im [Blog]

F.Arrabal

Lieber ‘squire’:

Leider besitze ich keinen Blog, denn ich bin bloß ein Lehrling des heiligen Anarchisten, heidnisch, ohne es jemals zu schaffen, den ersehnten Gipfel zu erreichen. Aber die meisten Redakteure solcher Veröffentlichungen (Blogs) haben dies, so glaube ich; genau wie die große Mehrheit der Schachspieler. Mit welcher Hoffnung, Hingabe, Wohltätigkeit und Selbstlosigkeit, schenken sie spontan ihr Manna und alles was sie wissen. Und wenn ich nicht vom „Glauben“ spreche (der das Trinom der biblischen Fähigkeiten komplettiert), ist es deshalb, weil alle, die im Netz spazieren gehen, wissen, dass die Blogger der Wahrheit in jedem Falle daran glauben, was sie nicht sehen.

Die schwindlerischen Blogger und die Manipulation, sie sind aus meinem heidnischen und anarchistischen Heiligenverzeichnis verbannt. Die amerikanischen Buchhändler/Verlegern des “Buzz Forums“ (21.V.06) müssen höchst angetan gewesen sein, also sie von Ihnen mit göttlichen Worten als “Salz der Erde” bezeichnet wurden. Aber der große New Yorker Poet Benjamin Ivry, schätzte Ihre Erklärungen so wenig, dass er es sogar wagte, sich einen Spaß zu erlauben, ein Sakrileg. Er trennte die beiden Silben Ihres Nachnahmens: „Up dike!“ (In Spanisch: “¡arriba lesbiana!”), in Deutsch: „(Ein) Hoch (der) Lesbe!“. Einige bekräftigen kurzsichtig, dass der Blogger ein Tagebuchschreiber ist. Aber viele sind ‘Stundenbuchschreiber” und es mag sein, dass es schon Spezies gibt, die minütlich schreiben: Eine Dauervorstellung von Momentaufnahmen, die sich an alle oder niemanden richten.

Was hätten Sokrates, Wittgenstein, Kant oder Spinoza wohl über das Internet gedacht? Die „Anti-Internet“-Fraktion stützt sich auf ein Zitat Sokrates´: „Ich widersetze mich der Lektüre… weil sie das Gedächtnis verarmen läßt. Aber ist diese Version, die uns nach so vielen Winkelzügen erreicht hat, die korrekte? Schade, dass Platon sie nicht auf der Festplatte gesichert hat. Der Blogger unterschreibt, weil er nichts zurücknehmen kann, unauslöschlich mit ADN: es gibt weder Radiergummi noch „Tipp-Ex“, mit dem er nach dem finalen Vorhang und „Klick“ etwas löschen oder korrigieren könnte. Sokrates kämpfte nackt mit Alkibiades, trank Schierling, als sie es ihm sagten und komponierte Fabeln: Ist es möglich, dass sein platonischer Abschreiber (Platon) ihn in einen Analphabeten verwandelte?

Kann man den Vorrang des Gedächtnisses abstreiten? Die Fähigkeit zur Verwirrung und Verblendung, kann nur Blühen mit dem, was sie schwängert; im Gegensatz zu ihrer kleinsten Tochter, der Intelligenz. Ein hochbegabtes Gedächtnis ist, wie die Liebe, mit der Freiheit verfeindet.

Jene Agora, jenes punktuelle Mittagessen Kants, wiederholt es sich mit den Chattern? Jetzt ohne Einlasskontrolle, ohne den Anspruch, dass die Tischgenossen des neuen Banketts mehr als drei (wie die Grazien) und weniger als neun (wie die Musen) seien.

Es gibt Blogger und Schachspieler, die die Fenster der Heiligen Drei Könige öffnen oder die das Radar der stillen Herzen bedienen können oder die uns in Däumlingsschuhen durch die Lachröhre führen. Wenn ich das alles multipliziere, ausschmücke oder aufstocke, erlaubt mir meine Verwirrung nicht, zu prognostizieren, ob das Internet mehr Berufungen hervorbringen oder ob es sich in dieses Medium, das Sie als „scheußlich ungenau und jugendlich“ beschreiben, verwandeln wird. Ich könnte nicht einmal sagen, ob es, um es mit Ihren Worten auszudrücken in "formatierter Form" , Lob ausspricht oder ob es Sehnsucht bekundet.

Kann man glauben, dass der Autor (oder Schachspieler) dem Internet erliegen wird, wie “die Brief-Literatur dem Fax” oder, dass “das Racine-Theater verschwinden wird wie die Café Mode (dixit Mrs de Sevigné)? Wird denn weniger Tagebuch geschrieben oder per Brief verkehrt, seit der Ankunft des Atila/Internet? Jesus, ein weiterer analphabetischer Anarchist war, wie einige behaupten, dazu in der Lage, der Elite seines Jahrhunderts entsprechend, in den Sand zu schreiben.

Wird das Internet definitiv jenes Privileg auslöschen, geschriebenes Zeugnis ablegen zu dürfen (oder Schach unter “Humanoiden” zu spielen), so wie Sie es befürchten?

Noch eine Arrabalesque: Das „Blogging“ ist nicht die Droge, für die es gehalten wird: es schafft „Un//abhängkeit“.

Links:

Washington Post...

Themwordblog...

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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