Analysen von Caruana, Giri, So, Vidit, Wojtaszek, Gelfand, McShane, Yu Yangyi, Nielsen, den Muzychuk-Schwstern, u.v.a. Dazu Videos von King, Sokolov und Williams, elf Eröffnungsartikel mit neuen Repertoireideen und Trainingseinheiten für jede Partiephase!
Eröffnungsfallen können ja ein ganz unterschiedliches Niveau haben. Für die Kolumne im ChessBase Magazin wähle ich momentan nur aktuelle Partien mit einem Mindestrating von 2000 für beide Seiten aus. Manchmal aber ist das Niveau noch viel höher und berührt sogar die aktuelle Eröffnungstheorie.
Eine Partie der aktuellen Ausgabe ist Cernousek (2466)-J. van Foreest (2610), Teplice op 2019.
1.e4 c6 2.d4 d5 3.Sd2 dxe4 4.Sxe4 Sf6 5.Sxf6+ exf6 6.c3 Ld6 7.Ld3 0–0 8.Se2 Te8 9.0–0
Mit seinem letzten Zug weicht Weiß der aktuellen Theorie aus (das moderne 9.Dc2 h5! wurde in ChessBase Magazin #184 von Petra Papp untersucht).
A) 9...Dc7?!
Der Damenzug ist scheinbar naheliegend (weil 10.Lf4 verhindert wird) und wird am meisten gespielt. Aber damit tappt Schwarz schon ein wenig in die Falle.
10.Sg3 Sd7 - Das in der aktuellen Partie gespielte 10...Le6? widerlegte Weiß mühelos: 11.f4! Kh8 12.f5! Lc8
und hier sehen wir ein wichtiges Strategem: die schwarze Bauernstruktur am Königsflügel ist entwertet, am anderen Flügel hat Weiß ja ein 4 zu 3. Durch den doppelten Tempoverlust hat Schwarz zudem einem Angriff gegen seinen König nicht viel entgegen zu setzen.
11.Sf5! Lxh2+
Solider ist zweifellos 11...Sf8, doch 12.Sxd6 Dxd6 sollte Weiß einen dauerhaften kleinen Vorteil geben.
12.Kh1 Ld6
13.Lh6!! g6 14.Sg7!!
Das ist in der Praxis noch nicht vorgekommen, aber wie schon die Analyse von Petra Papp in CBM 184 belegt, kommt Weiß nun in Vorteil.
B) 9...Sd7 10.Sg3
In der Praxis ist 10.Lf4 der klar am meisten gespielte Zug, aber es ist zweifelhaft, ob Weiß mit dem Abtausch der schwarzfeldrigen Läufer etwas erreicht.
10...Sf8?!
Wiederum der meistgespielte Zug. Aber nun folgt die bekannte thematische Idee.
11.f4! Dc7 12.f5! Lxg3 13.hxg3
Schwarz kann das Bauernopfer kaum annehmen (13...Dxg3?! 14.Lf4 und die Dame gerät in Schwierigkeiten), aber anderenfalls hat er wieder Probleme mit seinen verbliebenen Leichtfiguren und der entwerteten Bauernstruktur am Königsflügel.
So weit so gut. Aber wie Schwarz richtig spielen muss, hat ebenfalls bereits Petra Papp in ihrem CBM-Beitrag im Juni 2018 gezeigt: 10.Sg3 kann nämlich gut mit 10...g6! beantwortet werden und die beiden angegebenen Varianten mit 11.Se4 bzw. 11.Df3 sehen Schwarz ungefährdet.
Fazit: Am Ende ist 9.0-0 (und nach 9...Sd7 vor allem 10.Sg3) doch "nur" ein Fallenzug, wenngleich momentan ein sehr aussichtsreicher, weil Schwarz immer wieder ungenau spielt (9.0-0 Dc7?! bzw. 9...Sd7! 10.Sg3 Sf8?). Den theoretischen Eröffnungsvorteil sollte Weiß also eher bei 9.Dc2 h5! suchen.
In CBM #191 führt Rainer Knaak diese
und zwei weitere Fallen auch im Video vor!
Sizilianisch – „Scharfe Stellungen verzeihen keine Ungenauigkeiten“
Jorden van Foreest war nicht der einzige Großmeister, der in eine Falle tappte. In Eren (2256) - Neverov (2495), Ordu op 2019, kam es zu einem "Sizilianisch-Unfall".
1.e4 c5 2.Sf3 e6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 a6 5.Sc3 b5
Obwohl etwas ungesund, ist der Bauernzug natürlich spielbar (über 8000 Partien in der Mega), aber man sollte ein paar detaillierte Kenntnisse dieser Variante besitzen.
6.g3 Lb7 7.Lg2 Sf6 8.0–0
Denn bereits hier ist eine kritische Stellung erreicht und Schwarz verfügt nur über eine einzige gute Möglichkeit.
8...d6?
Das ist sie nicht. Schwarz muss sich auf das scharfe 8...b4 9.Sa4 Lxe4 10.Lxe4 Sxe4
Variantendiagramm
einlassen. Gemäß meinen Analysen auf der DVD sollte sowohl 11.Te1 als auch das moderne 11.c4 mit 11...Sc5! beantwortet werden. Selbst dann steht Schwarz vor einer schwierigen Verteidigung, wenngleich Weiß objektiv keine Chancen auf Vorteil besitzt.
9.Te1!
Dieser schlichte Zug bereitet offensichtlich 10.e5 vor, wonach 10...Lxg2 keinen Turm auf f1 angreift. Außerdem wird aber auch das Figurenopfer Sd5 ermöglicht und in der aktuellen Partie tauchte noch eine weitere Möglichkeit auf.
9...Sbd7? 10.e5! Lxg2 11.exf6 Lb7 12.fxg7 Lxg7 13.Sxe6! fxe6 14.Txe6+
Im nächsten Zug folgt 15.Txd6, Weiß steht glatt auf Gewinn.
Aber auch die viel häufiger gespielte Alternative 9...Dc7? reicht nicht aus. Nach 10.Sd5! exd5 11.exd5+ Kd8 ist wahrscheinlich 12.a4 b4 13.c3 mit Öffnung der Stellung am einfachsten. Weitere Züge wie 9...Sfd7 oder 9...Dd7 verlieren nicht sofort, aber am großen Vorteil für Weiß besteht kein Zweifel.
Fazit: Auf 5...b5 kann Weiß mit 6.g3 relativ forciert die kritische Stellung nach 8.0-0 erreichen. Schwarz sollte das Bauernopfer unbedingt annehmen und dann muss sich erweisen, wer auf die scharfe Stellung besser vorbereitet ist.
Schwarz ist hier bereits in die Falle getappt, wahrscheinlich glauben viele, dass man den Bauern auf d6 noch gut mit 9...Ke7 decken kann. Mitwelchem Zug kann Weiß der gegnerischen Stellung einen irreparablen Schaden zufügen?
Bei zuletzt 8.Se5 (statt des Hauptzuges 8.axb5) ist die Absicht Dd1-f3 völlig klar und Schwarz muss sich jetzt zwischen 8...Sf6 und 8...Lb7 entscheiden.
Skandinavisch mit 2...Sf6 kann man spielen, aber dann sollte Schwarz sehr genau fortsetzen. Für das hier folgende 6...Sd5? trifft das auf keinen Fall zu.
Weiß gewann nun mit 12.Df3 Sd4 13.Sc7+ eine Qualität. Das war schon in früheren Jahren etwas zweifelhaft, aber mit starken Engines lässt sich heute klar nachweisen, wie Schwarz gewinnen kann.
Schwarz wird die Figur zurückgewinnen, Weiß am Zuge sollte 7.Ld3 dxe4 8.Lxe4 spielen, aber könnte nicht auch 6.Lb5 dxe4 7.Sxe5 gehen? Die Analyse zeigt, dass diese erstaunlich oft gespielte Fortsetzung einfach nur eine schlechte Idee ist.
Rein taktisch gibt es hier an 6...Lf5 nichts auszusetzen, 7.Dxf5? Dxb2 wäre sogar wünschenswert für Schwarz. Aber die Stellung ist nicht identisch mit einer bekannten Position des Londoner Systems (da steht der schwarze Bauer schon auf c4)!
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