Gelungene Taufe für Schach auf dem Dampfer
GM Vlastimil Hort spielt auf dem Starnberger See simultan gegen 21 Gegner
Schach ist bekanntlich ein universelles Spiel - man kann es zu Hause am Computer
spielen, im Stadtpark mit Freunden oder im Zug, um die Zeit bis zur nächsten Haltestelle
zu überbrücken. Doch auf einem See oder Fluss hat in Deutschland bislang noch
keine nennenswerte Schachveranstaltung stattgefunden - bis zum vorletzten Wochenende.
Und kein Geringerer als Vlastimil Hort, 14-maliger Teilnehmer einer Schacholympiade
und langjähriger Co-Moderator der WDR-Sendung "Schach der Großmeister" beseitigte
diesen weißen Fleck auf der Schachlandkarte. Der 69-jährige Schachveteran aus
der Nähe von Köln spielte auf Einladung des baden-württembergischen Reiseunternehmens
Poseidon Seereisen GmbH ein Simultan gegen 21 Gegner auf dem Katamaran MS Starnberg,
einem 800 Passagiere fassenden Dampfer aus der Flotte der Bayerischen Seenschifffahrt.
Spielte erstmals in seiner Karriere auf See: Schachveteran Vlastimil Hort (69)
im Simultan gegen 21 Gegner.
Bei lediglich sechs Grad Außentemperatur und regenverhangenem Himmel gingen der
Großmeister, seine vorwiegend aus dem Münchner Umland kommenden Kontrahenten und
weitere rund 30 Passagiere am frühen Samstagnachmittag an Bord des knapp 60 Meter
langen Dampfers. Die Schiffsroute führte die Gäste in einer knapp zweistündigen
nördlichen Umrundung des Starnberger Sees von Starnberg vorbei am Seegrab des
bayerischen Märchenkönigs Ludwigs II, dessen beliebtem Aufenthaltsort, der Roseninsel,
und dem Possenhofener Kaiserin Sisi-Schloss zurück an den Starnberger Dampfersteg.
Trübes Schifffahrtswetter am Starnberger See...
...aber rauchende Köpfe auf dem Hauptdeck des Katamarans.
Den vielfältigen Sehenswürdigkeiten entlang des Seeufers konnten aber zumindest
die Kontrahenten Horts nur wenig Aufmerksamkeit schenken, denn schon bald machte
der Großmeister gegen seine nominell deutlich unterlegene Gegnerschaft (nur ein
Teilnehmer wies eine DWZ über 2000 auf) Ernst. Die erste Partie endete nach weniger
als einer Viertelstunde durch ein Matt des sechsmaligen tschechischen und dreimaligen
deutschen Einzelmeisters. Eine halbe Stunde später gab sich der zweite Gegner
Horts in aussichtsloser Stellung geschlagen.
Weiterer Widerstand zwecklos: Die schwarze Stellung bricht unter dem Königsangriff
von GM Vlastimil Hort zusammen.
Doch mit zunehmender Spieldauer bereiteten die hochmotivierten Außenseiter dem
Großmeister immer mehr Kopfzerbrechen. Zudem brachten Hort das leichte Schaukeln
und die Wendemanövers des Schiffes hin und wieder aus dem Konzept. "Ich bin manchmal
aus dem Rhythmus gekommen", gab der Schachveteran zu. Folgerichtig gab es nach
rund einer Stunde die ersten zählbaren Erfolge auf Seiten der Simultanteilnehmer:
Benjamin Aldag (SC Starnberg) und Ulrich Sperber (TSV Gauting) knöpften Hort jeweils
ein Remis ab. Der Großmeister ließ sich dadurch aber ebenso wenig beeindrucken
wie durch das gelegentliche Anlegen des Schiffes und die Bordansagen des Kapitäns.
Hort gewann bis kurz vor Ende der Veranstaltung nahezu alle laufenden Partien
und gab lediglich gegen Christoph Humburg vom SC Wolfratshausen ein weiteres Remis
ab.
Ließen sich vom Großmeister nicht bezwingen: Benjamin Aldag (links)
und Ulrich Sperber (Mitte).
Gleichzeitig sorgte der 69-Jährige mit seinen bekannt lockeren Sprüchen für Unterhaltung
bei Gegnern und Zuschauern. So forderte er nach seinem Sieg gegen einen Vertreter
der Süddeutschen Zeitung von der Runde "einen großen Applaus für die Presse",
den es selbstverständlich gab. Auch eine an den Berichterstatter gerichtete Espresso-Bestellung
donnerte Hort durch den gesamten Spielsaal. Doch an einem Brett verging dem Großmeister
seine gute Stimmung. Gegen den Jugendleiter des SC Starnberg, Benjamin Wetzel,
geriet Hort im späten Mittelspiel zunehmend in die Defensive und musste zwei Bauern
ohne jegliche Kompensation geben. Den Zuschauern blieb der überraschende Partieverlauf
nicht unbemerkt: sie drängten sich immer mehr um das Brett des Kreisligaspielers,
eine Sensation lag in der Luft.
Die Zuschauer merkten, dass GM Vlastimil Hort gegen den Starnberger Benjamin Wetzel
(im roten Pullover) immer größere Probleme bekam.
Mit all seiner Routine und begünstigt durch die abnehmende Zahl an laufenden Partien
gelang es Hort aber noch, eine drohende Bauernumwandlung seines Gegners zu vereiteln
und sich in ein Remis durch Dauerschach zu retten.
Stand kurz vor dem Sieg gegen einen der weltbesten Spieler des 20. Jahrhunderts:
Benjamin Wetzel, Jugendleiter des SC Starnberg.
Der Großmeister zollte seinem Gegenüber nach der Partie aber großen Respekt und
überreichte ihm ebenso wie zweien der übrigen Remisspieler (Hort hatte nur drei
Manuskripte dabei) jeweils eine handsignierte Ausgabe seines Buches "Schwarzweiße
Erzählungen". Hort selbst konnte sich beim Wiederanlegen des Schiffes in Starnberg
über ein respektables Ergebnis von 17 gewonnenen Partien, vier Remisen und keiner
Niederlage freuen. Damit übertraf er das Ergebnis von WM-Herausforderer Viktor
Kortschnoi, der 1982 als letzter Weltklasse-Großmeister ein Simultan in Starnberg
- wohlgemerkt auf dem Festland - spielte und in 40 Partien drei Remisen und vier
Niederlagen zulassen musste. Auch der Kombination Schach auf einem Dampfer konnte
der Schachveteran am Ende viel Positives abgewinnen: "Für das Schach war das heute
ein guter Tag."
Für Vlastimil Hort war es aber nicht das letzte Schachabenteuer auf See in diesem
Jahr. Als VIP-Gast nimmt er im kommenden Herbst (20. September bis 2. Oktober)
an einer Schachkreuzfahrt von Venedig nach Barcelona teil. Nähere Informationen
hierzu und Anmeldungen sind bis zum 20. Juni beim Berichterstatter unter Tel.
0151/560 27 662 oder per Email (schaefer-matt@gmx.net) möglich.
Ausblick auf das nächste Schachabenteuer von GM Vlastimil Hort auf See -
diesmal auf dem Mittelmeer.
Text/Bilder: Matthias Schäfer (Poseidon Seereisen GmbH)