Aufregung um Elisabeth Pähtz

von Johannes Fischer
17.08.2020 – Elisabeth Pähtz, Jugend-Weltmeisterin 2002, Junioren-Weltmeisterin 2005, Schnellschach-Europameisterin 2018 und seit Jahren die Nummer 1 der deutschen Frauenrangliste, ist Favoritin beim German Masters der Frauen, doch sie verlor ihre Auftaktpartie. Jetzt bat sie darum, auf die Teilnahme an der Online Olympiade verzichten zu dürfen. Denn in Gedanken ist Elisabeth Pähtz im Moment woanders. Grund dafür ist die Aufregung nach einem Online-Blitzturnier, bei dem ihr Account gesperrt wurde. | Foto: Lars OA Hedlund

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Was ist passiert?

Am 8. August fand auf Lichess das Titled Arena 3+0 Blitzturnier statt. Mit dabei war "Elisabeth Paehtz85", "die" einen furiosen Start hatte und eine Reihe hochklassiger Spieler schlug. Doch nach 17 Partien sperrte Lichess den Account – Grund: der Verdacht des Cheatings.

Damit nicht genug. Wenig später kursierte ein beleidigender Tweet, der auf dem offiziellen Twitter-Kanal von Elisabeth Pähtz gepostet worden war. Der Tweet bezichtete Aghiod Mero, einem Spieler aus Bahrain, des Cheatings und ergänzte diese aus der Luft gegriffene Behauptung um rassistische Beleidigung, nämlich, dass "all Arabs are cheaters".

Die Sperrung des Accounts "Elisabeth Paehtz85"und der Tweet führten in den sozialen Medien zu zahlreichen Kommentaren und einem Sturm der Entrüstung. Am 12. August veröffentlichte Elisabeth Pähtz auf der Seite des Schachtickers auf Englisch ein Statement, um zu erklären, was passiert war.

Hier das Statement in deutscher Übersetzung:    

An meine Fans, Kollegen, Freunde und die Schachgemeinde,

Wie viele von Ihnen wissen werden, kursierten in letzter Zeit Behauptungen, dass mein Lichess-Account bei dem kürzlich gespielten "Titled Arena" Turnier externe Unterstützung erhalten hätte, und mein Account beleidigende Nachrichten versendet hätte.

Ich bitte um Entschuldigung, dass ich diese Erklärung erst jetzt abgebe. Ich habe mehrere Tage damit verbracht, meinen Online-Aktivitäten noch einmal nachzugehen, wobei ich jedoch angesichts meiner bevorstehenden internationalen Verpflichtungen Treffen mit der FIDE und meinem Verband Vorrang einräumen musste.

Als professionelle Schachspielerin, deutsche Spitzenspielerin und Europameisterin im Schnellschach habe ich leider nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte, um mich neben Turniervorbereitung und Schachtraining um soziale Medien, die Erstellung von Inhalten, Korrespondenz und meine Marken und Geschäftsfelder zu kümmern. Deshalb habe ich ein Team, das mich bei meinen anderen Verpflichtungen unterstützt.

Leider – und gänzlich ohne mein Wissen – hat ein Mitglied meines Teams, der bereits Zugang zu meinem YouTube Kanal gehabt hat, auch Zugang zu meinem offiziellen Lichess-Account bekommen. Dieses Mitglied meines Teams dachte, er würde mir helfen, wenn er unter meinem Account-Namen spielt, um den Account aktiv zu halten und mein Online-Profil und meine Marke zu stärken.

Mir fehlen die Worte, um meine Bestürzung, mein Bedauern und mein Mitgefühl gegenüber den Empfängern der Botschaften auszudrücken, die von meinem Konto versandt worden sind. Den Schmerz und den Kummer, den sie erlitten haben müssen, kann ich nicht erfassen. Ich bin immer noch dabei, zu verstehen, was genau mit meinem Account passiert ist und die Kontrolle über mein digitales Leben zurück zu gewinnen – aber ich habe bereits begonnen, den Kontakt mit den Betroffenen zu suchen und mit ihnen persönlich und privat ins Gespräch zu kommen.

Es gibt eine Reihe von Zeugen und Zeuginnen, die versichern können, dass ich in der Zeit, auf die sich die schwersten Anschuldigungen, die ich im Laufe meiner Profikarriere erlebt habe, beziehen, kein Schach gespielt habe und noch nicht einmal auf meinem Account eingeloggt war.

Beweise und Belege dafür habe ich dem Deutschen Schachbund und der FIDE privat vorgelegt. Im Moment und in Anbetracht des Umstandes, dass ich meine rechtlichen Möglichkeiten noch auslote und auf rechtlichen Rat warte, habe ich diese Belege und Beweise nicht öffentlich gemacht und möchte das auch nicht tun. Ich hoffe, dass meine Privatsphäre in dieser Zeit respektiert werden kann.

Ich übernehme die volle Verantwortung dafür, dass es mir nicht gelungen ist, meine Accounts adäquat zu schützen, und ich hoffe, dass dies nicht nur mir, sondern auch allen meinen Schachkollegen, die ihren Teammitgliedern ebenfalls zu sehr vertrauen, eine Lehre ist. Mein Vergehen war es, zu naiv zu sein und denjenigen allzu sehr zu vertrauen, die ich für loyale Freunde und Helfer hielt.

Ich zahle jetzt den Preis für meine mangelnde digitale Hygiene – und muss mit Sanktionen von Seiten des Deutschen Schachbundes und der FIDE rechnen. Ich werde ihre Entscheidungen respektieren und sie weder anfechten noch dagegen Berufung einlegen.

Lichess ist zurecht energisch eingeschritten, um so den Schaden zu begrenzen, unter dem mein Name bereits gelitten hat. Ich bin ihrem professionellem Vorgehen in dieser Krise ebenso dankbar wie ihrer hervorragenden Technik, die schnell festgestellt hat, dass mit meinem offiziellen Account etwas nicht stimmt.

Ich weiß, dass es nicht immer leicht ist, mich zu unterstützen, aber ich hoffe aufrichtig, dass es die Schachgemeinde angesichts der Online Olympiade und der wichtigen deutschen Turniere schafft, mich und meine Kollegen und Kolleginnen zu unterstützen – und das, was mir passiert ist, als Warnung und Anlass zu begreifen, ihre Praktiken der Cybersicherheit zu überprüfen.

Im Kern geht es beim Schachspiel darum, in instabiler Situation ein Gleichgewicht zu finden, und aus einem Durcheinander von Figuren auf dem Brett einen geordneten Plan zu erstellen. Ich hoffe, dass ich diese Lektionen vom Brett auf mein wirkliches Leben übertragen kann – und Frieden mit mir selbst  schließen kann, um weiterhin ausgezeichnete Leistungen für mich und mein Land zu erbringen.

Um einen Satz aus einem anderen wunderbaren Sport zu zitieren: "Nach dem Spiel ist vor dem Spiel."

Mit freundlichen Grüßen

IM Elisabeth Pähtz

(Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer)

Das Fair Play Panel der FIDE hat Elisabeth Pähtz von den Vorwürfen entlastet, aber die Diskussionen, Beleidigungen und Hasskommentare gegen Pähtz in den sozialen Medien hielten an. Deshalb hat sich die deutsche Nummer eins im Frauenschach jetzt dazu entschlossen, darum zu bitten, von ihrer Zusage, bei der Online Olympiade für Deutschland zu spielen, befreit zu werden.

Beim German Masters der Frauen in Magdeburg ist sie jedoch noch weiter dabei. Ob sie trotz der Aufregungen, die nach der Sperrung ihres Accounts entstanden sind, wieder zu Form findet, wird sich zeigen.

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Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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