Dortmunder Sparkassen Chess-Meeting 2007
eröffnet
Mamedjarow mit Auftakt-Sieg gegen Naiditsch
Von Rolf Behovits (Pressechef des Sparkassen Meetings)
Fotos. Dagobert Kohlmeyer
(Dortmund, 23. Juni). Das Dortmunder Sparkassen Chess-Meeting 2007 ist eröffnet.
Der Startschuss für die 35. Internationalen Dortmunder Schachtage fiel heute
Nachmittag im Schauspielhaus vor voll besetzten Rängen. Jörg Busatta,
Vorstandsmitglied des Titelsponsors Sparkasse Dortmund, Birgit Jörder,
Bürgermeisterin der Stadt Dortmund sowie Prof. Dr. Robert von Weizsäcker, neuer
Präsident des Deutschen Schachbundes, nahmen den Eröffnungszug in der
Spitzenpartie zwischen Wladimir Kramnik und Viswanathan Anand vor.

Bis 1. Juli werden auf der Bühne des
Schauspielhauses acht Großmeister um den Titel kämpfen. Mit einer Wertigkeit der
Kategorie 20 ist das Sparkassen Chess-Meeting 2007 in diesem Jahr das
zweitstärkste klassische Turnier weltweit.
Einen glänzenden Turnierstart erwischte Shakhriyar Mamedjarow. Bei seinem ersten
Auftritt in Dortmund konnte der 22-Jährige aus Aserbaidschan gleich seinen
ersten Sieg verbuchen.

In der längsten Partie des Tages musste sich Lokalmatador Arkadij Naiditsch dem
Weltranglisten-Sechsten nach knapp viereinhalb Stunden geschlagen geben.

Die Spitzenbegegnung zwischen Weltmeister Wladimir Kramnik (Russland) und
Viswanathan Anand (Indien) endete nach 35 Zügen mit einem Remis. In einem
Damengambit besaß Kramnik mit den weißen Steinen im Partieverlauf leichte
Stellungsvorteile, die jedoch nicht zum Sieg reichten.

Jewgeni Alexejew (Russland), der sich durch seinen Sieg beim Aeroflot Open in
Moskau für Dortmund qualifizierte, holte sich mit den schwarzen Steinen gegen
WM-Teilnehmer Boris Gelfand (Israel) den ersten halben Punkt. Die erste Partie
des Tages war nach knapp drei Stunden beendet: Der 16-jährige Dortmund-Debütant
Magnus Carlsen (Norwegen) und Peter Leko (Ungarn), zweimaliger Sieger des
Sparkassen Chess-Meetings, trennten sich in einer Spanischen Partie nach 29
Zügen unentschieden.

Die zweite Runde des Sparkassen Chess-Meetings startet morgen um 15 Uhr, unter
anderem mit den Partien Anand – Leko sowie Kramnik – Gelfand, in denen vier
WM-Teilnehmer direkt aufeinander treffen.
Ergebnisse Runde 1, 23. Juni:
Wladimir Kramnik (Russland) – Viswanathan Anand (Indien) ½ - ½
Boris Gelfand (Israel) – Jewgeni Alexejew (Russland) ½ - ½
Shakhriyar Mamedjarow (Aserbaidschan) – Arkadij Naiditsch (Deutschland) 1 – 0
Magnus Carlsen (Norwegen) – Peter Leko (Ungarn) ½ - ½

Die Partien der 1. Runde...
Drei Neulinge fordern
die etablierten Stars heraus
Von
Dagobert Kohlmeyer
Bei den 35. internationalen Schachtagen, die am Samstag beginnen,
kommen drei Großmeister zum Zuge, die in Dortmund erstmals ihre Visitenkarte
abgeben: Magnus Carlsen, Shakryar Mamedjarow und Jewgeni Alexejew wollen
Kramnik, Anand und Leko im Schauspielhaus ein Bein stellen.
Der Schach-Mozart

Der Norweger Magnus Carlsen ist das größte Schachtalent der
Gegenwart. Mit 16 Jahren zählt er schon zur Weltelite der Denksportler. Der
junge Schachprofi trägt seit drei Jahren den Großmeistertitel. Seinen Doktorhut
des Spiels errang er mit 13. Früher
(im Alter von 12 Jahren) erhielt nur der Ukrainer Sergej Karjakin die
Großmeisterwürde. Karjakin spielte 2004 in Dortmund. Die Experten halten Carlsen
aber für talentierter. Als
jüngster WM-Anwärter aller Zeiten kämpfte er vorige Woche noch im
Kandidatenturnier von Elista um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in
Mexiko. Dort unterlag er dem routinierten Armenier Levon Aronian nur knapp im
Tiebreak. Im Superturnier von Linares war Carlsen dieses Jahr Zweiter hinter
Indiens Schachzauberer Vishy Anand. Der sensationelle Erfolg hat Kenner kaum
überrascht.
Magnus ist kein gewöhnlicher Junge. Schon mit fünf Jahren kannte
er alle Länder der Erde mit ihren Hauptstädten, Bevölkerungszahlen und Flaggen
auswendig. Im gleichen Alter brachte ihm sein Vater Schach bei. Damals machten
Magnus Fußball und Skifahren noch mehr Spaß. Erst mit acht Jahren siegte seine
Leidenschaft für Läufer und Springer. Aus Büchern spielte er sämtliche Partien
in Gedanken nach. Bald schlug er Meister, Großmeister und 2004 beinahe den
Größten. Bei einem Turnier in Reykjavik konnte sich Garri Kasparow gegen ihn nur
mit Mühe ins Remis retten. Die „Washington Post“ nannte Carlsen den Mozart des
Schachs.
Premiere für Mamedjarow

Der 22-jährige Shakryar Mamedjarow stammt aus Baku, der
Geburtsstadt Kasparows. Er profitierte von den Schachtraditionen seiner Heimat
und von der Tatsache, dass er in einer Schachfamilie aufwuchs. Shakryars
Schwestern Zeinab und Turkan sind auch erfolgreiche Großmeisterinnen. Trotz
seiner Jugend ist Mamedjarow bereits Sechster der Schach-Weltrangliste. Im
Herbst gewann er das Turnier im holländischen Hoogeven und ließ dabei
Exweltmeister Weselin Topalow (Bulgarien) hinter sich. In Sofia hat er ihn im
Mai wieder bezwungen. Mamedjarow ist zweifacher Juniorenweltmeister. Seit fünf
Jahren besetzt er hinter Teimur Radjabow das 2. Brett im Nationalteam
Aserbaidschans. Dieser spielte vor drei Jahren in Dortmund, jetzt ist Mamedjarow
an der Reihe.
Achtung vor Alexejew!

Sein Sieg im
Aeroflot Turnier von Moskau, dem stärksten Schach Open der Welt, brachte ihm 30
000 Dollar und die Einladung nach Dortmund ein. Die Erfolge von Jewgeni Alexejew
zeigen, dass in Russland eine neue Generation an die Tür klopft. Der 21-jährige
Großmeister aus St. Petersburg feierte Ende vergangenen Jahres den größten
Erfolg seiner Karriere: Er gewann das Superfinale der
russischen Meisterschaft
und wenige Wochen später das
Aeroflot-Open.
Mit ihm dominierte ein Spieler zum ersten Mal beide prestigeträchtigen
Turniere.
Jewgeni Alexejew spielt seit der Saison 2006/07 in der
Schach-Bundesliga
für den
TV Tegernsee.
Er ist Sportstudent im 4. Studienjahr und ein vielseitiger Spieler mit
klassischem Schachstil. Sein Vorbild ist der kubanische Weltmeister Capablanca.
Trotz seiner Jugend ist er auch von erfahrenen Großmeistern nur schwer zu
bezwingen. Alexejew will sich beim Chess-Meeting teuer verkaufen.
"Ich liebe überraschende Züge und das Risiko“
Interview mit Großmeister Shakryar Mamedjarow
Von Dagobert Kohlmeyer

Der doppelte Juniorenweltmeister Shakryar Mamedjarow aus
Aserbaidschan startet ab Samstag zum ersten Mal bei den Dortmunder Schachtagen.
Nach seinem starken Auftritt in Sofia eine neue Herausforderung für den
22-jährigen Großmeister. Dagobert Kohlmeyer sprach mit dem Sechsten der
Weltrangliste.
Sie verblüffen Gegner und Fachwelt durch ungewöhnliche Züge. Ist
das Ihre Spezialität?
Ich möchte einfach interessantes Schach spielen und suche Wege,
den Gegner zu überraschen. Deshalb strebe ich immer nach dem besten Zug und
scheue dabei auch nicht das Risiko.
In Sofia spielten Sie im Mai sehr erfolgreich. Welche Gedanken
hatten Sie nach dem letzten Zug?
Es war ein spannendes, lehrreiches Turnier. Nicht alles lief
glatt, aber ich habe mich ganz gut verkauft, vor allem gegen Weselin Topalow.
Auch die anderen haben stark gespielt, es hätten mehrere Großmeister gewinnen
können.
Ihre beiden Spiele gegen Topalow waren außergewöhnlich gut. Er
liegt ihnen wohl?
Ja, mir gefällt sein aggressiver Stil. Die erste Partie konnte
ich gewinnen. Man freut sich natürlich, wenn man einen Weltmeister überspielt.
Das ist etwas Besonderes, denn es kommt nicht sehr oft vor. Ich fand in der
ersten Begegnung schöne Züge und bin darüber echt glücklich. Auch mit unserer
Remispartie im zweiten Durchgang war ich sehr zufrieden. Wir spielten beide
scharf auf Gewinn, der Kampf hatte ein hohes Niveau.
Sofia war nicht Ihr erstes Superturnier…
Nein, das vierte. Alle waren wichtige Standortbestimmungen. Ich
spielte vorher u. a. zweimal in Holland. Einen Wettbewerb gewann ich, in einem
anderen brach ich fürchterlich ein. Das war 2006 in Wijk aan Zee. Aus diesem
Debakel habe ich wichtige Lehren gezogen.
Welche?
Dass man sich nie aufgeben soll. Eine ähnlich kritische Situation
hatte ich in der Mitte des Turniers von Sofia zu bestehen.
Sie meinen die beiden Niederlagen im zweiten Durchgang. Wie war
Ihre Gemütslage danach?
Ich war am Boden zerstört. Nach dem unnötigen Patzer gegen den
Inder Sasikiran in Gewinnstellung dachte ich „das ist der schlimmste Tag meiner
Karriere“. Aber mein Freund und Sekundant Rasul Ibrahimow baute mich wieder auf.
Auch meine Schwestern riefen an und trösteten mich. Danach spielte ich wieder
besser und hielt die komplizierte Partie gegen Topalow remis.
In Ihrer Heimat Aserbaidschan ist Schach sehr beliebt. Erzählen
Sie uns von den dortigen Traditionen!
Wir haben Schachschulen, die meine berühmten Landsleute Garri
Kasparow und Teimur Radjabow vor mir auch durchliefen. Mein erster Trainer war
übrigens eine Frau. Ich profitiere natürlich von der Schachtradition in
Aserbaidschan und davon, dass meine Geschwister ebenfalls aktiv spielen. Beide
Schwestern, Zeinab und Turkan, sind Großmeisterinnen.
Sie starten jetzt beim Chess-Meeting in Dortmund. Wie beurteilen
Sie das Schachland Deutschland?
Es hat eine lange Schachtradition und gehört zu den
spielstärksten Nationen. Deutschland richtet bedeutende Turniere aus, Dortmund
erlebt schon die 35. internationalen Schachtage. Das ist großartig. Nächstes
Jahr gibt es die Schacholympiade in Dresden. Ich freue mich, wenn in einem Land
so viel für unseren Sport getan wird.
Wie haben Sie sich auf Kramnik, Anand & Co vorbereitet?
Ich kenne Sie alle von früheren Turnieren. Kramnik und Anand
gehören zu meinen Vorbildern. Von vielen Spielern der Schachgeschichte, ob
Morphy, Fischer, Karpow oder den gegenwärtigen Stars wie Topalow, kann man etwas
lernen. Ich habe mich zu Hause gut erholt und einige Überraschungen für Dortmund
parat.