Adrian Mikhalchishin: The secret Weapons of the champions
Rezension von Martin Rieger
Wie lernt man eigentlich das Mittelspiel? Eröffnungen und
Endspiele lassen sich klassifizieren und einordnen, beim Mittelspiel gestaltet
sich das etwas schwieriger. Das Studium typischer positioneller Methoden hat
schon so manchen Schachfreund in die Flucht getrieben, zu langwierig, zu mühsam
und zu langweilig lauten oft die Begründungen. Natürlich ist es einfacher,
Eröffnungsvarianten zu studieren oder taktische Aufgaben zu lösen, doch eine
Schachpartie wird in den seltensten Fällen in der Eröffnung gewonnnen. GM
Adrian Mikhalchishin (unter anderen UdSSR Team-Trainer in den 80ern, Trainer
von Anatoli Karpow im Zeitraum 1980-1986) erklärt auf dieser DVD, wie man
bestimmte positionelle Manöver umsetzen kann, der Schlüssel zum Verständnis des
Mittelspiels.
Das erste Beispiel auf der DVD beschäftigt sich mit
Botvinniks berühmter "Flanke gegen Zentrum"-Strategie, die einen
Grundstein des Positionsspiels darstellt:
Botvinnik, Mikhail - Van
Scheltinga, Theo D [E51]
Hoogovens Wijk aan Zee (4), 01.1969
1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 Lb4 4.e3 0-0 5.Ld3 d5 6.a3 dxc4 7.Lxc4
Ld6 8.Sf3 Sbd7 9.b4 e5 10.Lb2 e4 11.Sd2 Sb6 12.Le2 De7 (siehe Diagramm unten)
Der schwarze Bauer auf e4 lähmt und beengt die weiße Stellung. Weiß kann
zwar den Bauern durch Dc2 noch einmal angreifen, aber auch Schwarz hat mit Lf5
nebst Te8 genügend Möglichkeiten ihn zu decken.
13.g4! (siehe Diagramm unten)
Der Autor zeigt anhand dieses Beispiels, was man unter der "Flanke
gegen Zentrum"-Strategie“ versteht. Weiß kann den Bauern nicht direkt
angreifen, also wird der Angriff auf dessen Verteidiger kombiniert mit einem
Königsangriff mittels g4-g5, h4 nebst Tg1.
Die Partie wurde fortgesetzt mit 13…Sbd5 14.g5 Sxe3 15.fxe3 Sd5 16.Sxd5 Dxg5
17.Sxe4 Dxd5 18.Lf3 Kh8 19.Sxd6 Dxd6 20.0-0 Lh3 21.Tf2 Tae8 22.Dd3 Dh6 23.e4
Te6 24.d5 Tg6+ 25.Kh1 Dh4 26.Dd4 f6 27.Tg1 Txg1+ 28.Kxg1 Te8 29.Kh1 h5 30.Te2
Lg4 31.Lxg4 Dxg4 32.De3 1-0
Ähnliche Stellungen können aus den verschiedensten Eröffnungen entstehen,
zum Beispiel der Französischen Verteidigung:
Ioseliani,N
(2470) - Kadimova,I (2335) [C07]
Berliner Sommer 11th Berlin (5), 1993
1.e4 e6 2.d4 d5
3.Sd2 a6 4.Sgf3 c5 5.dxc5 Lxc5 6.Ld3 Sf6 7.De2 Le7 8.0-0 Sc6 9.e5 Sd7 10.c3 b6
11.Te1
Hier haben wir eine ganz
ähnliche Stellung, nur eben sind die Farben vertauscht. Schwarz spielte hier
Sc5 was sicherlich nicht unbedingt schlecht ist, Weiß spielte Lc2 und gewann
die Partie nicht zuletzt dadurch, dass Schwarz niemals den Bauern auf e5
ernsthaft bedrohen konnte. Der aufmerksame Leser wird durch das Beispiel der
oben gezeigten Botvinnik Partie sicher hier statt 11…Sc5 den richtigen Zug
11…g5! finden können! Solche Beispiele kann man nicht klassifizieren, man muss
sie, um sie zu verstehen, von einem starken Spieler erklärt bekommen, und genau
das macht Karpows Ex-Trainer auf exzellente Art und Weise!
Ein weiteres Beispiel: Petrosians
Weiße-Felder-Strategie ist ebenfalls eine extrem wichtige Form der Kontrolle
von Feldern und Raum. Folgende Partie mag das deutlich veranschaulichen:
Petrosian,T - Schweber,S
[E73]
Stockholm Interzonal Stockholm (20), 28.02.1962
1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Le2 0-0 6.Lg5 h6 7.Le3 e5 8.d5 c6 9.h4
cxd5 10.cxd5 Sbd7 11.h5 g5 12.f3! a6 13.g4 (siehe Diagramm)
Durch h5 und g4 nebst f3 legte Weiß den Finger auf die weißen Felder rings
um den schwarzen König, besonders das Feld f5 ist deutlich geschwächt!
Petrosian spielt in der Folge konsequent auf die weißen Felder, was
letztendlich zum Sieg führt.
13…b5 14.a4! b4 15.Sb1 a5 16.Sd2 Sc5 17.Lxc5! dxc5 18.Lb5 Lb7 19.Se2 Se8
20.Lxe8 Txe8 21.Sc4 La6 22.Db3 (siehe Diagramm)
Df6 23.Tc1 Lf8 24.Sg3 Lc8 25.0-0 Td8 26.Kg2 Ta7 27.Tf2 Kh7 28.Tfc2 Da6
29.Sxe5 Tc7 30.Sc4 Lg7 31.Dd3 Kg8 32.Td2 Te7 33.e5 Lxe5 34.Sxe5 Txe5 35.Dxa6
Lxa6 36.Txc5 Lc8 37.Txa5 f5 38.gxf5 Lxf5 39.Sxf5 Txf5 40.Tb5 Tdf8 41.d6 Txb5
42.axb5 Kf7 43.d7 1-0
Petrosian - Schweber (Videoausschnitt
ansehen)...
Weitere Themen befassen sich zum Beispiel mit Michail Tal, er war nicht
nur ein genialer Angriffsspieler, sondern auch ein großer Meister darin,
in jeder Stellung das materielle Gleichgewicht zu verändern - zum Beispiel Turm
und Bauer gegen zwei Leichtfiguren. GM Makogonov, einst Trainer von Vassily
Smyslov, erfand die berühmte geheime Positionsregel der sowjetischen
Schachschule. Wie und wann es möglich ist, diese Methode anzuwenden, erfahren
Sie auf dieser DVD, ich will hier nicht zuviel verraten.
Fazit:
Das Mittelspiel ist eines der am schwersten erlernbaren Schachthemen.
Umso erfreulicher, dass mit Adrian Mikhalchishin´s „Secret Weapons of the
Champions“ nun eine DVD erschienen ist, die sich dieser Problematik annimmt.
Keine trockenen Lehrsätze und langweiligen Lektionen, sondern spannendes,
einprägsames und lehrreiches aus dem Geheimarchiv der russischen Schachschule. Absolut
zu empfehlen!