Aus der Werkzeugkiste der Großmeister

von ChessBase
05.07.2012 – Großmeister sind auch nur Menschen. Natürlich verfügen sie über viel mehr schachliches Know-how, sie können schneller kombinieren, sehen einfach mehr, verstehen mehr von den Stellungen, und um ihre Technik können wir Amateure sie nur beneiden. Doch wenn es hart auf hart kommt, stellen sich auch ihnen manchmal Probleme, die viele von uns aus der eigenen Turnierpraxis bestens kennen. Großmeister Stefan Kindermann führt auf seiner neue DVD einige davon exemplarisch vor, z.B. die "Klippen der Angst oder der Gier", "Hektischer Aktionismus" etc. Dass es kein einfaches Lösungsrezept gibt, liegt auf der Hand. Aber Kindermann demonstriert mit dem "Königsplan" eine in über 20 Jahren Forschung entwickelte Methode, mit der sich die Denkprozesse am Brett effizient verbessern lassen. Ein anderer Großmeister, Hedinn Steingrimsson, hat sich die DVD angesehen und darin "viele interessante und wertvolle Werkzeuge gefunden". Das Praktische daran: "Man kann entweder die ganze Werkzeugkiste mitnehmen und ausprobieren oder sich gezielt einzelne Werkzeuge daraus auswählen." Stefan Kindermann: "Der Königsplan zum Turniererfolg" im Shop bestellen...Zur Rezension...

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Der Königsplan zum Turniererfolg

Rezension von GM Hedinn Steingrimsson

Manche Schachbegeisterte meinen, dass der Prozess, ein stärkerer Schachspieler zu werden, vor allem viel Fleißarbeit fordert. Je mehr Partien, Eröffnungen, End- und Mittelspielen man analysiert, desto mehr weiß man, und als logische Konsequenz nimmt die Schachstärke zu. Natürlich schadet es nicht, viel an seinem Schach zu arbeiten. Allerdings sollte man auch im Betracht ziehen, dass Schachtraining sich auf das Gehirn fokussiert und dass das Gehirn einige bemerkenswerte Eigenschaften hat.

Zum einen ist es enorm wichtig, nicht nur die Menge der Information zu betrachten, sondern auch wie die Informationen im Gehirn strukturiert sind, welche Verknüpfungen es gibt und wie mit den Informationen gearbeitet wird. In der Praxis kann man hier unter anderem über Denkprozesse sprechen. Zum zweiten ist das Gehirn nicht wie eine Maschine, die immer rational funktioniert. Auch Emotionen spielen bei uns eine sehr große Rolle. 

Viele Schachspieler haben erkannt, wie wichtig es ist, sowohl während des Trainings als auch eines  Wettkampfs die Eigenschaften des Gehirns zu berücksichtigen. Weltmeister Vishy Anand hat neulich eine sehr interessante Rede gehalten. U.a. sagte Anand :

“All in all I have found that in the end, be it a market place or a chessboard humans and emotions are very very important, despite all the technology that we have it is only an enabler. You get out there and you succeed or fail by your ability to control your brain, control your decisions and indirectly your emotions I found that the perhaps one of the reasons why both of us found ourself in a World Championship Match in our forties, and this is slightly unusal in chess nowadays, it is getting so young, is that we both are experienced enough to understand our emotions to a certain degree and manage them to a certain degree... How to control yourself is vital to success.“

Anand spricht hier über Selbstbeherrschung. Darüber dass man die Emotionen unter Kontrolle hält und auch darüber, wie wichtig es ist sich selber gut zu kennen. Anands Rede ist insofern durchaus als eine gute Einstimmung geeignet, bevor man sich mit GM Kindermanns DVD beschäftigt. Man versteht dann noch besser worum es geht und warum dieses Thema so enorm wichtig ist.

GM Kindermann ist in der deutschen Schachszene sehr gut bekannt. Nach vielen Jahren als Schachprofi merkte er, dass er nicht weiter kommen würde, egal wie viel fürs Schach trainierte. Er merkte ähnlich wie Anand, dass tieferes Verständnis für die mentale Seite des Schachspiels der Schlüssel zum Erfolg ist. GM Kindermann absolvierte daher eine Ausbildung in neurolinguistisch Programmieren und fing an systematisch in diesem Bereich zu arbeiten, mit dem Ziel das Beste zu bringen - nicht nur beim häuslichen Training sondern auch in Wettkampfsituationen.

Stefan Kindermann:

Der Königsplan zum Turniererfolg...
 

Im Großen und Ganzen gefällt mir GM Kindermanns DVD. Er wählt gute Beispiele aus Turnierpartien, um seine Thesen zu erklären und erläutern. Besonders Interessant fand ich seine Überlegungen zum Thema "Wie spiele ich gegen einem überlegenen Gegner?". Hier kann der Gegner das innere Gleichgewicht aus der Balance bringen und abhängig vom Spielertyp entweder zu viel Passivität oder eben zu viel Gier und Aktionismus provozieren. Es macht Sinn, die eigenen Partien zu analysieren um festzustellen, zu welcher Form des Ungleichgewichts man selber neigt. GM Kindermann empfiehlt, dass man während eines Turniers eine Art Schachtagebuch schreibt, in dem jede Partie unmittelbar nachdem sie gespielt würde, beschrieben wird. Damit soll der Fokus nicht nur auf die Varianten gerichtet werden, sondern nicht weniger auf die mentalen Apsekte, z.B. auf die Befindlichkeit, wie man geschlafen hat, an was man außerhalb von Schach während der Partie gedacht hat. Damit lassen sich wertvolle Information über das Ziel des eigenen Trainings gewinnen. Die zeitliche Nähe zur Wettkampfsituation ist wichtig, weil es im Nachhinein schwierig ist, die Anspannung und Atmosphäre während eines Turniers zu rekonstruieren. 

Andere Interessante Themen sind u.a. die Variantenrechnung (hier schließt sich Kindermann an die berühmte Studie von Prof. Adrian de Groot an mit der Zielsetzung, typische Denkfehler in der eigenen Variantenberechnung auszumachen), taktische Muster (Kindermann empfiehlt u.a. das Rückwärtsrechnen).

Ich finde es sehr gut, dass GM Kindermann Wert darauf legt, dass wir Mustern ganz bewusst ein Etikett geben, wie z.B. „Kuss des Todes“. Denn wir erinnern uns viel besser an Muster, die mit einem bunten und grellen vielleicht sogar wilden Etikett gespeichert. GM Kindermann legt auch viel Wert darauf die Visualisierung zu verbessern, weil sich das für die Variantenrechnung Oder das Vorausdenken von Varianten auszahlt. Auf der DVD bietet er hierfür einige Interessante Übungen.

Im Allgemein bietet GM Kindermann viele interessante und hilfreiche Werkzeuge sowohl zur Stärkung des mentalen Bereichs als auch für die Verbesserung der eigenen Denkprozesse. Man kann entweder die ganze Werkzeugkiste mitnehmen und ausprobieren oder sich gezielt einzelne Werkzeuge daraus auswählen. Kindermann hat zusammen mit Prof. Weizäcker ein Buch mit demselben Titel geschrieben. Darin geht es um das Thema, was man generell im praktischen Leben und der Berufspraxis vom Schach lernen kann - das möchte ich, nachdem ich mir diese DVD angeschaut habe, gerne lesen. 

Ich finde GM Kindermanns DVD sehr gut gelungen und kann sie empfehlen.


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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