AVRO: Fine schlägt Botvinnik

von André Schulz
03.06.2020 – Die erste Überraschung beim AVRO-Turnier in den Niederlanden: Reuben Fine besiegt Mikhail Botvinnik. Aljechin vergibt eine klaren Gewinnstellung gegen Reshevsky. Keres trickst sich gegen Euwe aus einer Verluststellung heraus.

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Zehn Städte werden Gastgeber des AVRO-Achtkampfes sein. Bevor sich die Turnierteilnehmer auf Reisen begeben, wurde die erste Runde im Amsterdamer Amstel Hotel ausgetragen. Das mondäne Hotel, das erste Grand Hotel in Amsterdam, 1866/67 nach den Plänen von Cornelis Outshoorn erbaut, ist ein würdiger Austragungsort für das Turnier der weltbesten Schachspieler.

Das Haus liegt, wie der Name schon verrät, direkt an der Amstel im Zentrum von Amsterdam. Von hier erreicht man sehr schnell die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Ein paar Meter weiter befindet sich der Circus Theater Carré, ein festes Zirkusgebäude. Es wurde 1887 vom deutschen Zirkusdirektor Oscar Carré erbaut. Das Haus wird auch als Music Hall genutzt oder für Varieté-Vorstellungen. Vor ein paar Jahren trat hier unter anderem Josephine Baker auf. 

Wer nicht zu Fuß gehen mag, nimmt die Tram Nr.9, die am Ufer der Amstel entlang fährt.

Die Spieler fühlen sich Im Amstel Hotel, dem besten Haus am Platz, natürlich sehr wohl und würden am liebsten das ganze Turnier hier bleiben, aber der Plan sieht anders aus. In den nächsten drei Wochen werden die Spieler insgesamt zehn Städte besuchen und dort jeweils im größten Saal der Stadt ihre Partien spielen. Das Interesse am Turnier in den ganzen Niederlanden ist riesig. Man erwartet Hunderte von Zuschauern. Es sind auch viele Journalisten angereist, die aber natürlich nicht alle hier im Hotel wohnen. Dafür ist die Reisekasse bei den meisten zu knapp.zu knapp. Einer der prominentesten Vertreter der schreibenden Zunft ist Savielly Tartakower, der ja selber ein Schachspieler auf Großmeister-Niveau ist und hier sicher mitspielen könnte. Er berichtet für De Telegraaf. 

Aus Deutschland ist unter anderem Emil Josef Diemer gekommen. Der junge Mann, 30 Jahre alt, stammt aus Baden-Baden und ist ebenfalls ein recht passabler Spieler, hat auch schon ein paar Turniere gewonnen. Diemer spielt seine Partien alle schneidig auf Angriff, was wohl verhindert, dass er ein noch besserer Spieler ist. Schon in der Eröffnung schenkt er gerne Bauern her und versuchte mich für ein zweifelhaftes Gambitspiel zu begeistern. Ebenso zweifelhaft sind seine politischen Ansichten. Diemer ist hier für einen ungarischen Verlag unterwegs und wird ein Turnierbuch schreiben.

Die spannende Frage für die zahlreichen Zuschauer und die Journalisten vor Turnierbeginn war: Wie würden die Spieler das sicher anstrengende Turnier angehen? Wer glaubte, dass sie mit ihren Kräften haushalten würden, wurde auf angenehme Weise enttäuscht.

Einzig die Partie zwischen Flohr und Capablanca hatten einen etwas anämischen Charakter. An den drei anderen Brettern wurde von Anfang an um den ganzen Punkt gekämpft.

Und in welcher Form würde sich Weltmeister Aljechin präsentieren?

Alexander Aljechin

In einer guten, aber nicht in Bestform, zumindest in Runde eins. Mit einer ungewöhnlichen Variante (4.g3) in der Nimzoindischen Verteidigung hatte Aljechin seinen Auftaktgegner Reshevsky bald in Zeitnot gebracht. In der kritischen Stellung machte zog Reshevsky a tempo und Aljechin tat es ihm gleich. Und beide Züge waren schwere Fehler.

 

Nach 36.Sg4

Reshevsky zog 36... Kg7??

[Richtig war 36...Sxg4 37.fxg4 Dd4 und Weiß kann nicht gewinnen, z.B. 38.De8+ Kg7 39.d7 Dd2+ 40.Kh3 Dd3! 41.Kg2 (Aber nicht 41.d8D? Df1+ 42.Kh4 g5+ 43.Dxg5+ hxg5+ 44.Kxg5 Df6+ 45.Kh5 Dh6#) ] mit Dauerschach.

Es folgte 37.Sxf6 Dxf6 

 

38.Dd1 [38.d7 gewinnt stattdessen sofort]

38...Dd8 39.d7 c4

 

40.Dxa4? [Ein sehr guter Weg war noch 40.Dd5 f6 (40...c3 41.De5+ Kf8 42.Dc5+ Kg8 43.Dc8) 41.Dc6 Kf8 42.Dc5+ Kf7 43.Dxc4+ Ke7 44.De4+ Kxd7 45.Dxg6 mit besten Gewinnaussichten.]

40...c3 41.Dc6 c2 42.Dc3+ Kh7 43.Dxc2 Dxd7 44.Da2 Kg8 45.a4 Dc6 46.a5 Da6 47.g4 g5 [Und hier kommt Weiß nicht mehr voran.]

48.Kf2 Dd6 49.Kf1 Da6+ 50.Kg2 Kg7 51.Db2+ Kg8 52.Db8+ Kg7 53.De5+ Kg8 54.Kf2 Da7+ 55.Ke2 Da6+ 56.Kd2 Dc4 57.Df5 Dd4+ 58.Ke2 Db2+ 59.Kd3 Db3+ 60.Ke2 Db2+ remis

Max Euwe hatte den jungen Esten Paul Keres, der immer freundlich ist, aber wenig sagt und kaum eine Miene verzieht, strategisch überspielt, doch dann fand Keres einen Weg, sich aus dem Griff des Professors zu befreien.

 

Weiß steht hoch überlegen. Der Sd5 ist in alle Richtungen gefesselt. Der junge Keres stiftete nun auf geistreiche Weise Verwirrung: 35...f4!? 36.exf4? [Besser war 36.Dc2 fxg3 37.fxg3 Dg4 (37...Sxe3 38.Txd7 Sxc2 39.Lxe6 geht nicht.) 38.Kh2 Df3 39.De2]

36...e3! [Droht plötzlich De4 und Abzug des Springers.] 37.Lxd5 e2! [Und noch ein Kraftzug.] 38.Te1 Dxd5 39.Dxd5 Txd5 40.f3 Td1 [mit ungleichen Läufern nach dem Turmtausch.] remis

Einen klaren Befund gab es jedoch in der Partie zwischen Reuben Fine und Michail Botvinnik.

Dem sowjetischen Spieler war die Französische Verteidigung völlig missglückt und seine Position wurde von Fine gründlich zerrupft.

 

Nach 31.Dg3 gab Schwarz auf. Es droht 32.Td7 und auch 32.Tf3.

Partien

 

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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