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Paul Keres' Turniersieg stand schon vor der letzten Runde fest. Niemand hätte es dem sympathischen Esten, der seit über 20 Jahren unter der Flagge der Sowjetunion startet, übel genommen, wenn er sich in der letzten Runde mit einem Remis ein frühes Ende des Arbeitstages gesichert hätte. Doch nichts da. Keres hatte offenbar zu viel Spaß am Schach und am Turnier und angesichts seines schon fest stehenden Turniersieges ging er auch mit den schwarzen Steinen gegen Helmut Pfleger unter Bauernopfer aufs Ganze und suchte den Sieg im Angriff auf Pflegers König. Der junge Bamberger IM hielt jedoch prächtig dagegen, wenn auch die meiste Zeit aus der Defensive heraus. Schließlich glich der deutsche Nationalspieler die Partie aus und setzte seinem Gegner die Pistole auf die Brust. Doch Keres fand eine brillante Gewinnkombination - glaubte man. Doch die Kombi hatte ein Loch - klein, aber gut genug für ein Remis.
45.Te7 [Spielbar war auch 45.Te4 Dg2+ 46.Ke2 Df3+ 47.Kd2] 45...Txc5 [Ein letzter Trick... Nach 45...Txe7 46.Lxe7 muss Schwarz ums Remis kämpfen.] 46.Dxc5 [Und er fällt drauf herein. Keres Zug sieht aus wie eine elegante Gewinnkombination. Aber sie hat ein Loch. Allerdings ist die weiße Rettung nur schwer zu sehen.]
[Schlecht war 46.Dxf7+ Kh6 47.Dg7+ Kg5 48.Te5+ Txe5 49.Dxe5+ Sf5 und Schwarz gewinnt.;
Aber: 46.Txf7+ hätte zum Remis geführt: 46...Kh6 (Oder 46...Kg8 47.Tf8+ Kxf8 48.Dxc5+ Kf7 49.Dc7+ Ke8 50.Db8+ Kd7 51.Db5+ mit Dauerschach.) 47.Th7+!! (47.Dxc5 Dd1#) 47...Kxh7 48.Df7+ Kh6 49.Df8+ Kg5
Es ist kaum zu glauben, dass die weiße Dame hier gegen die schwarze Übermacht ein Dauerschach schafft. 50.Dd8+ (50.Dxc5+ Sf5 wäre verloren.) 50...Kf5 51.Dd7+ Kf4 52.Dd4+ Kg5 (Vorsicht: 52...Kf3 53.De3#) 53.Dd8+]
Nach dem weißen Zug ist die Partie verloren: 46...Dd1+ 47.Te1 Dd3+ 48.Te2 Dd1+ 49.Te1 Dd3+ 50.Te2 Dh3+ 51.Ke1 Sf3+ Mit Gewinn: 51...Sf3+ 52.Kd1 Df1+ 53.Kc2 Dxe2+ 0–1
Im Duell zweier Bamberger Spieler traf Lothar Schmid auf Hans-Günter Kestler.
Viele Zuschauer bei der Schlussrunde, vorne die Partie Schmid gegen Kestler
Kestler griff erneut gegen Schmids Beginn mit 1.c4 und d4 zu seiner "Modernen Verteidigung", aber nach dem Tausch des Lg7 erhielt er eine schwierige Partie. Schließlich landete Hans-Günter Kestler in einem ungemütlichen Endspiel.
34.Tf6 Th7 35.b4 Sc6 36.Lxc6 bxc6 37.Txc6 a5 38.b5 Th3 39.b6 Ke7 40.Kd5 Txa3 41.Tc7+ 1–0
Damit hatte Lothar Schmid die Chance, in der Tabelle noch Weltmeister Tigran Petrosian einzuholen und mit ihm den zweiten Platz zu teilen. Dazu benötigte Schmid jedoch die Schützenhilfe von Rudolf Teschner. Und die erhielt er. Teschner gestaltete seine Partie gegen Tigran Petrosian remis und nahm dem Armenier damit den entscheidenden halben Punkt ab.
Eine spektakuläre Partie lieferten sich Milko Bobotsov und Andreas Dückstein. Der bulgarische Großmeister stand nach der Eröffnung hochüberlegen. Dann verpasste er den sofortigen Gewinn. In der Folge übersah er noch in weiterhin ausgezeichneter Stellung eine kleine Gemeinheit, mit deren Hilfe Schwarz seine Position halten konnte und am Ende glitt Bobotsov die Partie völlig aus den Händen.
Weiß verpasste in dieser überlegenen Stellung einen effektvollen Sieg: 22.Txh7+ Kxh7 23.Dc1 Die weiße Dame kommt auf die h-Linie. Dagegen ist kein Kraut gewachsen.
Stattdessen spielte Weiß 22.Th4 22...c5 23.Tgh1 [23.Txh7+ war auch hier noch möglich.]
23...Sf8 [Nun hat Schwarz h7 noch einmal überdeckt. Weiß steht immer noch hochüberlegen.] 24.dxc5 [Hier gewann 24.Tg4 cxd4 25.De1 Dxb2+ 26.Kf3 Tc3 27.Dg1 Se7 28.Ld6 dxe3 29.Lxe7 und Matt. Weiß jagt aber einer anderen Idee nach. ]
24...Txc5 [24...Dxc5 25.Dxc5 Txc5 26.Ld6 und Weiß gewinnt.] 25.Dd4 Te8 [Mit einem tückischen Hintergedanken.]
26.b4 [Nötig war 26.Lg3 - deckt die Dame -, mit der Idee b4] 26...Tc2+ [Upps... Das hatte Weiß nicht gewürdigt. Nach 26...Tc6 27.Dxd5 Te7 28.Tg1 behielte Weiß indes recht.]
27.Kf3 [27.Lxc2 Dxd4] 27...Dxd4 28.exd4 Tc3 [Damit ist Schwarz aus dem Gröbsten heraus.]
29.Td1 Te4 30.Lg3 Txh4 31.Lxh4 Sd7 32.Kf4 Kg7 33.a4 Sb6 34.Lb5 [34.Le2]
34...a6 35.Le8 Tc4 36.a5 Kf8 37.Lh5 Sc8 [Das Blatt wendet sich nun nach einigen weißen Ungenauigkeiten völlig zugunsten von Schwarz.] 38.Lf3 Sce7 39.Le2 Txb4 40.f3 Sc6 41.Lf2 [Weiß hatte genug und gab die Partie entnervt gleichzeitig auf.] 0–1
Die übrigen Partien endeten remis. Die beiden Sowjet-Stars beenden also das Turnier an der Tabellenspitze, vielleicht in anderer Reihenfolge als erwartet, schließlich ist Tigran Petrosian der Weltmeister. Dahinter haben sich mit Lothar Schmid, Rudolf Teschner und Wolfgang Unzicker drei deutsche Spitzenspieler platziert. Helmut Pfleger hätte man vielleicht etwas weiter oben erwartet.
Bootshaus am Hain
Das Turnier endete mit einer Schlussfeier im Großen Saal des Bootshauses am Hain, dem Sitz des Bamberger Ruderclubs. Zu den Ehrengästen gehörten unter anderem Bambergs Oberbürgermeister Dr. Theodor Matthieu und der Schirmherr der Veranstaltung Bundespostminister Dr. Werner Dollinger. In den Ansprachen wurde die weltweite Bedeutung des Turniers gewürdigt. Das Turnier war durch zahlreiche Spenden zustande gekommen. Lothar Schmid hatte eine 10 Meter lange Papierrolle bei sich und verlas alle Namen der Spender. Die Spenden reichten von 200 Mark bis 40.000 Mark. Turnierleiter Harry de Graaf verteilte die Siegerschecks, 2000 DM für den Sieger, 1700 DM für die beiden punktgleichen Zweiten. Paul Keres erhielt vom Bundespostminister als Sonderpreis ein wertvolles Album mit Sondermarken der Deutschen Bundespost. Tigran Petrosian erhielt ein wertvolles Schachspiel und reichlich Schachliteratur
Tigran Petrosian muss schwer tragen
Und Lothar Schmids organisatorische Leistung wurde mit einem Gemälde des Bamberger Malers Mike Rose gewürdigt. Außerdem bekam er einen Wellensittich geschenkt.
Der Abend klang mit fröhlichem Beisammensein und Tanz aus. Besonders fröhlich war Heikki Westerinen, der beim Tanz in die Musikkapelle stolperte. Lag es an seinen Armeestiefeln oder an der zu schnellen Aufnahme der geistigen Getränke? Man weiß es nicht. Es gab aber keine Verletzten.
Heikki Westerinen, hier am Schachbrett | Foto: Dutch National Archive
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