Bauernopfer im Grünfeld

von ChessBase
06.09.2021 – Im Kampf gegen die Grünfeld-Indische Verteidigung (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3  d5) versucht so mancher Weißspieler, sich die Sache mit der Nebenvariante 4.Lg5 leichter zu machen. Immerhin droht das ja schon mal das Schlagen auf f6, gefolgt vom Gewinn des schwarzen d-Bauern . Was sollte Schwarz dagegen machen? "Nichts", lautet die Antwort von Lars Schandorff. Im neuen CBM #203 empfiehlt der GM aus Dänemark die Fortsetzung 4...Lg7 – ein Bauernopfer, das Peter Svidler seinen Gegnern bereits vor knapp dreißig Jahren anbot.

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Bauernopfer im Grünfeld

Lars Schandorff empfiehlt nach 4.Lg5 Lg7!

Im Grünfeldinder versucht Weiß nach 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 häufig, eine kontrollierte Partie ohne tonnenweise Theorie zu bekommen, indem er das direkte 4.Lg5 wählt.

Es ist ein aktiver Entwicklungszug, der offenbar Lxf6 droht, gefolgt von der Eroberung des schwarzen d5-Bauern. Lange Zeit reagierte Schwarz automatisch mit 4...Se4, wonach 5.Lh4 die Standardantwort ist. Neuerdings sind einige Weißspieler, allen voran Levon Aronian, erfolgreich dazu übergegangen, 5.Lf4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.e3 fortzusetzen, wonach der Anziehende seinen wichtigen d4-Bauern befestigt hat und auf das etwas einfachere Spiel bauen kann. Ich sage nicht, dass dies schlecht für Schwarz ist - ist es nicht! - aber wenn man Grünfeld auspackt, hofft man wahrscheinlich auf ein komplizierteres Mittelspiel voller aktiver und dynamischer Möglichkeiten. Zum Glück begriff der russische Star Peter Svidler bereits damals in den 1990ern, dass Schwarz nicht gezwungen ist, seinen Springer zu ziehen, und einfach mit 4... Lg7! seine Entwicklung fortsetzen kann, womit wir beim Thema dieser Übersicht wären.

Natürlich ist es ein Bauernopfer, aber dessen Annahme beinhaltet das Hergeben des schwarzfeldrigen Läufers mit 5.Lxf6, womit Schwarz sofort gewisse positionelle Kompensation und Druck gegen den d4-Bauern bekommen wird. Die Frage lautet, ob dies ausreicht, und das Schlagen des Bauern ist natürlich der kritische Test von 4...Lg7. Weiß hat allerdings einige Alternativen. Beachten Sie bitte, dass 5.Sf3 zu der großen Variante 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.Sf3 Bg7 5.Lg5 überleitet, wo die richtige Antwort 5...Se4! lautet. Der Punkt dabei ist, dass in diesem Fall 6.Lh4 Sxc3 7.bxc3 dxc4! bekanntermaßen gut für Schwarz ist. Seis drum, dies liegt außerhalb des Rahmens dieser Übersicht.

Aus dem Diagramm heraus werde ich mich auf zwei Fortsetzungen für Weiß konzentrieren.

A) Auf einen soliden Zug wie 5.e3 folgt der aktive thematische Schlag 5...c5!. Schwarz bietet weiter den Bauern an. Hier hat Weiß verschiedene Dinge erprobt, es dabei aber im Ansatz nicht geschafft, ernsten Druck auf Schwarz auszuüben, der stets sein aktives, dynamisches Grünfeldspiel bekommt, auch wenn es bedeutet, mit einem Bauern weniger zu agieren. Wie Sie wohl mittlerweile gemerkt haben, beinhalten viele der Varianten in dieser Übersicht das Opfern eines Bauern, wenn Sie also der materialistische Typ sind, schlage ich vor, Sie bleiben bei dem alten 4...Se4. Wenn nicht, bitte hereinspaziert. Es erweist sich schnell, dass Schwarz in vielen dieser Stelllungen trotz Minusbauern positionell gesehen tatsächlich sehr bequem steht.

Nach 5...c5 kann Weiß mit 6.dxc5 die Kontrolle bewahren, doch nach 6...Da5 droht Schwarz bereits ...Se4, und Weiß ist mehr oder minder gezwungen, klein beizugeben. Er kann 7.Lxf6 Lxf6 8.Tc1 spielen, aber nach 9.Lxc4 0-0 nebst ...Dxc5 hat Schwarz keine Probleme, wie ich aus erster Hand erfahren habe, siehe Schandorff,L - Atakisi,U ½-½.

Der kritische Test muss 6.Lxf6 Lxf6 sein:

Hier kann Weiß den schwarzen d5-Bauern schlagen, obwohl sich herausstellt, dass Schwarz ausgezeichnetes Spiel dafür bekommt. Der Pionier der gesamten Variante bekam 7.cxd5 vorgesetzt, stand aber nach 7...cxd4! 8.exd4 0-0 absolut ordentlich, Krasenkow,M - Svidler,P ½-½. Auf den ersten Blick wirkt 7.Sxd5 viel besser, weil es nicht nur den Bauern schnappt, sondern auch den schwarzen Läufer attackiert, doch nach dem coolen Rückzug 7...Lg7! behauptet Schwarz starken Druck gegen d4, siehe Cifuentes Parada,R - Sokolov,I 0-1.

B) Die offensichtlichste weiße Reaktion auf 4...Lg7 ist 5.Lxf6 Lxf6 6.cxd5 - beachten Sie bitte, dass 6.Sxd5 Lg7 7.e3 c5 zum obigen Abspiel überleitet. Hier kann Schwarz den Schwung wahren mit einem weiteren überraschenden Bauernopfer, 6...c5!, was das weiße Zentrum sofort unter Druck setzt:

Eine klare Ansage von Schwarz, dass materielles Gleichgewicht ihn nicht sonderlich interessiert. Er strebt aktives Figurenspiel an und hat nichts dagegen, für eine Weile mit einem Minusbauern zu agieren. Im Grunde wählt Weiß zwischen 2a) 7.Sf3, was versucht, alles zu decken, und dem gierigeren 2b) 7.dxc5. Das simple 7.dxc6 ist nicht zu empfehlen. Nach 7...Lxd4 8.cxb7 Lxb7 hat Schwarz exzellentes Spiel mit seinen starken Läufern, man betrachte eine weitere Svidler-Vorstellung: Popov,V - Svidler,P 0-1.

B1) 7.Sf3 cxd4 8.Sxd4 Db6.

Auf 9.e3 nimmt Schwarz einfach auf b2 mit gutem Spiel, daher 9.Sb3 a5! Am direktesten, aber 9...0-0 nebst ...Td8 ist eine ordentliche Alternative und tatsächlich der am häufigsten gespielte Zug. 10.a4 Sonst spielt Schwarz ...a4 und nimmt auf b2. Nach 10. a4 hat Schwarz gutes Spiel für den Bauern, entweder mit dem positionellen 10...Db4, siehe Schoenbeck,H - Azevedo,J ½-½, oder mit dem verlockenden 10...0-0, siehe Garcia Almaguer,J - Arman,D 0-1.

B2) 7.dxc5 Sd7

Typischerweise wird Schwarz mit ...Sxc5 einen seiner Bauern zurückgewinnen und für den anderen gute positionelle Kompensation haben. Weiß hat viele verschiedene Dinge versucht:

8.c6 Versucht, den großen Materialvorteil zu behaupten, aber der Preis ist hoch. Nach 8...Sc5 sollte Weiß aufpassen wie in Vallejo Pons,F - Nepomniachtchi,I ½-½.

8.e3 0-0 9.Lc4 Sxc5 10.Sge2 Interessanterweise war dies Svidlers Wahl mit Weiß, als er gegen den neuen WM-Herausforderer mit seiner eigenen Stammvariante konfrontiert wurde. Nach 10...Da5 nebst ...Db4 hatte Schwarz gutes Gegenspiel, Svidler,P - Nepomniachtchi,I ½-½. Weiß hätte auch eine Aufstellung mit 9.Sf3 versuchen können, aber die betrachten wir bei der 8.Sf3-Zugfolge.

8.Sf3 Wahrscheinlich am besten. 8...0-0 Hier kann Weiß aggressiv spielen mit 9.e4 oder zurückhaltender mit 9.e3. In beiden Fällen sollte Schwarz allerdings ordentlich stehen. Sehen wir's uns an: 9.e4 0-0 10.e5 Lg7 Das weiße Zentrum wirkt beeindruckend, aber der e5-Bauer ist eine Zielscheibe, und wenn er fällt, wird Schwarz großartiges Spiel haben, siehe Malakhatko,V - Gopal,G 0-1. Die Hauptvariante lautet 9.e3 0-0.

Die Stellung ist kompliziert, aber Schwarz hat gute Kompensation für den Bauern aufgrund des starken schwarzfeldrigen Läufers. 10.Le2 Db6 11.Dd2 Lf5 mit der Idee ...Se4 war prima in Michalik,P - Van Kampen,R 0-1. Und 10.Sd4! Db6 11.Dd2 Td8 12.Le2 e6 gleicht offenbar aus, siehe Vallejo Pons,F - Nepomniachtchi,I ½-½.

Fazit: Alles in allem funktioniert die Variante 4.Lg5 Lg7! in der Praxis für Schwarz gut. Viele der ausgeglichenen Stellungen sind mit Schwarz leichter zu spielen, weil seine aktiven Figuren ihm langfristige Initiative geben, während es Weiß schwerfällt, irgendetwas zu unternehmen, wenngleich er oft einen Bauern mehr hat. Wenn Sie Grünfeld spielen, versuchen Sie 4...Lg7!

Den kompletten Artikel mit allen Partien und Analysen finden Sie im neuen ChessBase Magazin #203. 

Exklusiv für CBM-Abonnenten: Thematurnier mit GM Lars Schandorff am 15. September

Lars Schandorff lädt am 15. September zu einem Thematurnier auf playchess.com ein. Auf dem Programm steht – natürlich – Grünfeld-Indisch mit 4-Lg5 Lg7! Im Anschluss an das Blitzturnier werden die Teilnehmer im Videochat die Möglichkeit haben, unserem Autor zu Details der Variante zu befragen! Eine Einladung zum Turnier sowie die Adresse zur Anmeldung findet sich im Heft von ChessBase Magazin #203 auf Seite 16.

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