Freibauer, Isolani und Co.
Rezension der DVD "Powerplay 6 - Steine, Strukturen, Strategien" von Jochen Barte
Nicht selten trifft man auf Turnieren oder bei Mannschaftskämpfen frustierte Schachspieler, die, wenn man Sie zu ihren Partien befragt, Folgendes äußern: „Ich wollte diese Stellung eigentlich nicht haben, denn ich habe keine Ahnung, wie man gegen den Isolani spielt.“ Oder: „Der gegnerische Freibauer hat mich so nervös gemacht, dagegen habe ich kein Mittel gefunden und irgendwann ganz dumm eine Figur eingestellt.“ Und die Liste der Klagen ließe sich problemlos weiter fortsetzen, denn der Kampf gegen Isolani- und Freibauernstrukturen prägt den Mittelspielverlauf vieler populärer Eröffungssysteme, z.B. in der Caro-Kann-Verteidigung, im Damengambit oder in der Grünfeldindischen-Verteidigung.
Aber Frust und Ärger müssen nicht sein, denn in seiner DVD-Reihe „Powerplay 6“ widmet sich der bekannte englische Großmeister und Schachkommentator Danny King genau diesen Problemen. In 16 Kurzvideos behandelt er Strukturen mit dem isolierten Damenbauern, sechs Videos thematisieren Stellungstypen mit Freibauern und vier weitere Videos zum Thema Zentrumgsspannung runden das DVD-Paket ab. Die Gesamtlaufzeit beträgt vier Stunden.
Das Erfreuliche an dieser DVD ist vor allem, dass King den Lernenden nicht mit einer Fülle von detail-gespickten Analysen mit unzähligen Sub- und Nebenvarinten erschlägt. Stattdessen präsentiert er ganz bewusst ein didaktisch reduziertes Partie- und Stellungs-Portfolio, um die grundlegenden strategischen Merkmale und Kampfmethoden klar herauszustellen. Es ist daher auch kein Zufall, dass Partien von Exweltmeister Anatoli Karpov einen Großteil des Videomaterials ausmachen. Karpovs logische und systematische Partieanlage ist eine ideale Blaupause, um die konsequente Ausnutzung strategischer Stellungsmerkmale zu illustrieren.
Kings Kommentierung ist wie gewohnt präzise, eloquent – auch auf Deutsch – und immer fokussiert auf das Wesentliche. Besondere Partiesituationen werden in einem kurzen Eingangsvideo erklärt, wodurch der Lernende die Chance erhält, sich zunächst selbst in die Stellung zu vertiefen, bevor King die Besprechung in einem anschließenden Video fortsetzt.
Beispiel: Kortschnoi – Karpov, Weltmeisterschaft 1981, 9. Partie
Die Stellung scheint oberflächlich betrachtet ausgeglichen zu sein. Was sollte Schwarz gegen den weißen Isolani spielen? Karpovs Antwort 11…Sh5, die im Folgevideo erläutert wird, ist zwar logisch, aber verblüffend zugleich. Denn der Zug scheint gegen mehrere Eröffnungsprinzipien zu verstoßen: Der Springer wird erneut bewegt, zudem noch an den Rand. Wieso ist das sinnvoll? Keine leichte Aufgabe, solche Manöver Spielern zu vermitteln, die nicht mit Karpov’schem Schachverständnis gesegnet sind. Der englische Großmeister meistert diese Schwierigkeit jedoch souverän.
Des Weiteren bietet King auf der DVD eine Sammlung ausgewählter Teststellungen mit Lösungen an, sodass am Ende des Kurses die Chance zur ausgiebigen Selbstüberprüfung und zur Feststellung des Lernfortschritts besteht. Aus meiner Sicht ist dies in Anbetracht der Komplexität der Thematik auch zwingend notwendig.
Insgesamt ist das Partiematerial auf der DVD so aufbereitet, dass Schachspieler fast jeder Spielstärke, abgesehen von Anfängern und Meisterspielern ab etwa Elo 2300, den Trainingskurs mit Gewinn absolvieren können. Wer wenig Zeit hat, kann sich mit unsystematischem Video-Hopping zwischendurch begnügen – und dennoch viel praktisch Nützliches lernen. Wer dagegen tiefer einsteigen will, der hat die Möglichkeit, sich ausgiebig mit dem angebotenen Testmaterial zu beschäftigen, wobei natürlich auch die Unterstützung durch eine Engine hilfreich sein kann. In vielen Fällen wird sich durch den Zugewinn an strategischem Wissen auch relativ schnell das spielerische Selbstbewusstsein in den behandelten Stellungstypen verbessern, ein positiver Nebeneffekt der im praktischen Kampf nicht zu unterschätzen ist.
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