Bazna: Theorieduelle

von ChessBase
18.06.2009 – Die gestrige vierte Runde des "Turnier der Könige" in Bazna bot drei interessante Theorieduelle. Liviu-Dieter Nisipeanu überraschte Alexei Shirov im 9.Zug mit einer Neuerung in einem bekannten und derzeit viel gespielten Abspiel der Spanischen Archangelsk-Variante. Nach Vereinfachungen blieb aber nur noch ein ausgeglichenes Bauernskelett übrig und die Partie endete remis. Zum gleichen Ergebnis kamen Boris Gelfand und Gata Kamsky über die alte Hauptvariante der Grünfeldverteidigung. Kamsky wählte die gleiche Variante, die er in den letzten beiden Jahren häufiger angewandt hatte. In der Folge hatte Gelfand gewisse Angriffschancen, die nach dem Damentausch aber alle verpufft waren. Dem Gewinn am nächsten war Vassily Ivanchuk gegen Teimour Radjabov im Sizilianischen Vierspringerspiel. Schwarz war völlig eingeschnürt, doch in Zeitnot fand Ivanchuk keinen klaren Weg, die Partie zum Sieg zu führen. Am Ende wurde der Punkt geteilt. Dorian Rogozenco analysiert. Turnierseite... Mehr

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Theorieduelle in Runde 4
Von GM Dorian Rogozenco

Nisipeanu und Shirov spielten eine beliebte Variante des Spaniers und bereits im 9. Zug überraschte der rumänische Großmeister mit einer Neuerung.

Nach der Partie meinte Shirov: “Ich hatte das Gefühl, 9.Ld5 ist eine typische Neuerung á la Nisipeanu – er strebt damit nicht unbedingt nach Eröffnungsvorteil, aber zwingt mich, Bedenkzeit zu verbrauchen und sehr genau zu spielen.

Ich erkannte auch, dass Schwarz mit genauem Spiel Ausgleich bewahren sollte und die Partie nach Massenabtausch wahrscheinlich mit Remis endet. Und das geschah auch.” Einmal mehr bewies Shirov seine Klasse, indem er die gegnerische Initiative neutralisierte. In einem ausgeglichenen Bauernendspiel einigten sich die Spieler schließlich auf Remis.

Ivanchuk wartete gegen Radjabov mit einer starken Neuerung auf und erreichte bald ein sehr aussichtsreiches Endspiel.

Schwarz konnte seinen Läufer nicht entwickeln und so machte Radjabovs Stellung einen äußerst gefährdeten Eindruck. Der Ukrainer hatte viele attraktive Möglichkeiten, aber augenscheinlich hat er im 22. Zug die aussichtsreichste Fortsetzung ausgelassen. Im weiteren Verlauf der Partie wurden die Dinge dann zunehmend komplizierter für Weiß, vor allem, weil Ivanchuk in schwerer Zeitnot war. Am Ende kam Radjabov zu genügend Gegenspiel um Remis zu halten.

Gelfand-Kamsky war eine weitere theoretisch bedeutsame Partie.

Gelfand hatte einen seltenen Plan in einer Modevariante der Grünfeld-Verteidigung vorbereitet und kam in Vorteil. Nach der Partie meinte Kamsky, er hätte in der Eröffnung etwas verwechselt.

Doch im entscheidenden Moment entschied sich Gelfand dafür, die Damen zu tauschen, anstatt seinen Angriff weiter fortzusetzen und das entstehende Endspiel konnte Kamsky problemlos halten. Im 37. Zug schloss man Frieden.

Nisipeanu,Liviu Dieter - Shirov,Alexei
Kings' Tournament Bazna (4), 17.06.2009

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0–0 b5 6.Lb3 Lc5 7.a4 Tb8 8.axb5 axb5

Diese Stellung stand schon in fast 140 Turnierpartien auf dem Brett und eigentlich hat die theoretische Debatte noch gar nicht begonnen. Shirov ist ein Spezialist dieser Variante und hatte diese Stellung schon in neun Partien auf dem Brett. Die Hauptfortsetzung ist 9.Sxe5 nebst 10.d4.

Allerdings ist der rumänische Großmeister für seinen originellen Ansatz bekannt, lieber neue Ideen zu suchen, als lange theoretische Varianten zu studieren.

9.Ld5

Eine Neuerung.

9...0–0 10.Lxc6 dxc6 11.d3

Den Bauern zu nehmen (11.Sxe5 Sxe4) spielt Schwarz in die Hände, da Schwarz das Läuferpaar hat und die Stellung öffnen möchte. So verliert zum Beispiel 12.Sxc6 wegen 12...Lxf2+ 13.Txf2 Sxf2 14.Df3 (oder 14.De2 Sh3+! 15.gxh3 Dg5+ 16.Dg2 Dxg2+ 17.Kxg2 Lb7; 14.Kxf2 Dh4+ 15.Kg1 Te8 16.g3 De4 17.Sxb8 Lh3) 14...De8 15.Kxf2 Lb7.

11...Lg4 12.h3 Lh5 13.Le3

Nach 13.g4 verfügt Schwarz über ein starkes Springeropfer: 13...Sxg4 14.hxg4 Lxg4 15.Le3 (15.Kg2 f5 ist schlechter) 15...Ld6 16.Sbd2 f5 mit starkem Angriff für Schwarz.

13...Lxe3! 14.fxe3 Lxf3!

Einfach und stark. 15.g4 war eine positionelle Drohung und Shirov tauscht den potenziell gefährlichen Springer sofort ab.

15.Dxf3 Dd6

16.Sd2

Weiß plant, Druck am Königsflügel aufzubauen, weshalb Schwarz entweder im Zentrum oder am Damenflügel nach Gegenspiel suchen sollte.

16...Ta8 17.De2 Sd7 18.Sf3 c5 19.b3 g6 20.Sg5

Weiß droht, auf a8 und dann auf f7 zu nehmen.

20...Sf6

Shirov verzichtet umsichtig auf weitere Bauernzüge am Königsflügel (20...f6 war die Alternative). Schwarz möchte auch noch nicht auf a1 nehmen, da Weiß die Kontrolle über die a-Linie erhält.

21.Df2 Txa1 22.Txa1 h6 23.Tf1

23.Sf3 hätte mehr Spannung in der Stellung bewahrt.

23...Kg7

24.Dxf6+ Dxf6 25.Txf6 Kxf6 26.Sh7+ Ke7 27.Sxf8 Kxf8 28.Kf2 Ke7 29.Ke2 h5 30.Kf3 Kf6 31.g3

½–½


Ivanchuk,Vassily - Radjabov,Teimour

Kings' Tournament Bazna (4), 17.06.2009

1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.Sc3

Mit dieser Zugfolge vermeidet Ivanchuk die Sveshnikov-Variante, denn sein Gegner ist einer der größten Kenner dieser Variante.

3...e6 4.d4 cxd4 5.Sxd4 Sf6 6.Sxc6

Die prinzipiellste Fortsetzung.

6...bxc6 7.e5 Sd5 8.Se4 Dc7

Möchte den Vorstoß f2-f4 provozieren, der die Diagonale a7-g1 schwächt.

9.f4 Db6 10.c4 Se3

So hatte Radjabov vorher nur einmal gespielt, in einer Partie aus dem Jahre 2005. Nach der Partie räumte Teimour ein, er hätte gedacht, er würde Ivanchuk damit überraschen. Doch der Ukrainer erwies sich als äußerst gut vorbereitet.

Die wichtigste Alternative ist 10...Lb4+ (was Radjabov 2007 mit Erfolg gespielt hat).

11.Dd3 Sf5

Damit weicht Radjabov von seiner eigenen Partie ab. 11...Lb4+ 12.Ld2 0–0 13.Tc1 Sxf1 ½–½ Guseinov,G (2573)-Radjabov,T (2673)/Warschau 2005.

12.Ld2!

Eine starke Neuerung, die an die Stelle der bisherigen theoretischen Hauptfortsetzung 12.g4 treten könnte. Diesen und die nächsten Züge hat Ivanchuk schnell gespielt.

12...Dxb2 13.Tb1 Dd4

13...Dxa2 14.Le2 war Radjabov zu riskant, denn er wusste, dass sein Gegner diese Variante zu Hause analysiert hatte.

14.Dxd4 Sxd4 15.c5

Weiß hat einen Bauern weniger, verfügt aber offensichtlich über Kompensation. Schwarz hat große Schwierigkeiten, die Entwicklung abzuschließen.

15...a5 16.Kf2 Le7

16...La6 führt direkt zum Matt: 17.Lxa6 Txa6 18.Tb8+ Ke7 19.Sd6 nebst Matt auf e8!

17.Sd6+ Lxd6 18.exd6 0–0 19.Tb6

Verhindert 19...La6.

19...Sc2 20.Lc4 Sb4

Hier dachte Ivanchuk lange nach. "Ich habe versucht, alles bis zum Ende zu berechnen, aber das ist natürlich illusorisch", meinte Ivanchuk nach der Partie.

21.Lxb4

Sonst kommt der Springer nach d5.

21...axb4

Hier war man generell der Meinung, Schwarz stünde vollkommen auf Verlust, aber so einfach sind die Dinge nicht.

22.Ke3

Der König geht nach d4, um den Bauern c5 zu decken. Die wichtigste Alternative ist 22.Tb1 Ta5 23.T1xb4 Txc5 24.Ta4! – eine Variante, die Ivanchuk gesehen hat. Aber aus irgendwelchen Gründen war er nicht sicher, ob Weiß hier gewinnt. Die Analyse zeigt, dass er es tut – irgendwann verliert Schwarz seinen Läufer (beide weißen Türme kommen auf die achte Reihe) und dann entscheidet der a-Bauer.

 22...h6 23.Kd4 g5

Radjabov sucht zu Recht nach Gegenspiel.

24.f5!?

Um die e-Linie zu öffnen, opfert Ivanchuk den zweiten Bauern. Das größte Problem von Weiß besteht hier darin, dass er so viele Möglichkeiten zur Auswahl hat. Und hier hatte Ivanchuk nur noch weniger als acht Minuten auf der Uhr.  24...exf5

24...Kg7 25.Tf1.

25.Te1 Kg7 26.g3

Beachten sie, dass Weiß den Bauern auf b4 nicht nimmt, da er La6 nicht zulassen möchte. Ivanchuks Zug richtete sich gegen den Vorstoß f5-f4.

26...Kf6 27.Te7

Jetzt findet Radjabov den richtigen Moment, um Gegenspiel zu entwickeln.

27...h5! 28.Lb3 h4 29.gxh4

29...Th8! 30.Txf7+ Kg6 31.hxg5 Txh2

Erneut hat in diesem Turnier die Verteidigung Erfolg. Weiß verliert den g-Bauern und Schwarz ist nicht mehr länger in Gefahr.

32.Tf8 Th4+ 33.Ke3 Kxg5 34.Tg8+ Kf6 35.Tf8+ Kg5 36.Tg8+ Kf6 37.Tf8+ ½–½

 

Gelfand,Boris - Kamsky,Gata
Kings' Tournament Bazna (4), 17.06.2009

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 d5 4.cxd5 Sxd5 5.e4 Sxc3 6.bxc3 Lg7 7.Lc4 c5 8.Se2 Sc6 9.Le3 0–0 10.0–0 Sa5 11.Ld3 b6 12.Dd2 e5

13.Lg5 Ein seltener Zug. Weiß versucht, den Vorstoß des f-Bauern zu provozieren. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Kamsky über viel Erfahrung mit dieser Variante verfügt. Hier ein paar Beispiele:

13.d5 f5 14.Lg5 De8 15.f3 c4 16.Lc2 f4 17.Kh1 h6 18.Lh4 g5 19.Le1 Ld7 und Schwarz stand sehr gut und verwandelte seinen Vorteil im späteren Verlauf der Partie in den vollen Punkt, Van Wely,L (2676)-Kamsky,G (2726)/Dagomys 2008;

13.Lh6 exd4 14.Lxg7 Kxg7 15.cxd4 cxd4 16.f4 f6 17.e5 Ld7 18.exf6+ Dxf6 19.Sg3 Kh8 mit ausgeglichener Stellung, Topalov,V (2796)-Kamsky,G (2725)/Sofia 2009;

13.dxe5 Le6 14.Tad1 Sc4 15.Lxc4 Lxc4 16.f4 De7 17.Dc2 Tad8 und wieder hat Schwarz Kompensation für den Bauern, Navara,D (2646)-Kamsky,G (2723)/Sotschi 2008;

Nach 13.dxc5 ist Schwarz bereit, einen Bauern zu opfern: 13...Le6 14.Tfd1 Dc7 15.cxb6 axb6 mit Kompensation.

13...Dd7

Ein neuer Zug. Kamsky will die lange Diagonale noch nicht versperren. Zuvor hat Schwarz 13...f6 gespielt, wonach Weiß mit dem Läuferrückzug 14.Le3 gewissen Vorteil behaupten kann.

14.Lh6 Lxh6 15.Dxh6 f6

Nach 15...cxd4 16.cxd4 exd4 17.f4 f6 18.f5 hat Weiß die Initiative.

16.f4 Dg7 17.Dh4

Der schwarze König ist anfälliger und deshalb sollte Weiß den Damentausch vermeiden.

17...exf4 18.Dxf4 Le6 19.Df2 Tad8

In dieser Phase der Partie wirkt Kamskys Spiel nicht allzu überzeugend. "Ich dachte, Weiß steht nur marginal besser, aber dann wurde mein Vorteil größer und Schwarz bekam allmählich wirkliche Probleme." (Gelfand).

Eine bessere Alternative war 19...Lc4.

20.Sf4 Lf7

Jetzt 20...Lc4 ist angesichts von 21.Lxc4+ Sxc4 22.Se6 mit einer Gabel nicht mehr länger möglich.

21.Tad1 cxd4 22.cxd4 Td6

23.Tc1!

Stark gespielt. Der Turm ist gerade erst nach d1 gegangen, aber jetzt ist die c-Linie wichtiger.

23...Td7

Verhindert 24.Tc7.

24.d5 Sb7 25.Tc6 Sc5

Nach 25...Sd6 26.Dd4, was die Drohung 27.Se6 aufstellt, steckt Schwarz in großen Schwierigkeiten.

26.Lc2 Te7 27.Dd4 Td8

"Ein sehr starker Zug." (Gelfand)

Die kritische Stellung. Weiß steht klar besser, aber er muss einen Durchbruch finden. 28.Dxf6?

Wirft den Vorteil weg. Korrekt war 28.Txf6! Sxe4 29.Lxe4 Txe4 30.Dxe4 Dxf6 31.Sh5! (31.Se6 De7) 31...Dd6 32.Sf6+ Kg7 33.Dh4 (sogar noch stärker als 33.Kh1 Lxd5 34.Se8+ Txe8 35.Dxe8 Lxa2 36.Da4) mit großem Vorteil für Weiß. Ein paar Varianten: 33...Lg8 (33...h6 34.Se4 Dxd5 35.Df6+ Kf8 36.Kh1 mit zahlreichen Drohungen) 34.Se4 Dxd5 35.De7+ Kh6 36.Sf2 und Schwarz wird bald Material geben müssen, um das Matt abzuwehren.

 28...Dxf6 29.Txf6 Sxe4 30.Te6 Lxe6

Die einzige Verteidigung, aber sie reicht aus, um das Gleichgewicht zu halten.

31.Sxe6 Txe6 32.dxe6 Sc5 33.Tf7 Sxe6 34.Txa7 Sc5

Dank seines starken Springers auf c5 hat Schwarz jetzt völligen Ausgleich erzielt.

35.Ta3 Kg7 36.Kf1 Td2 37.Tc3 ½–½

 

 


 

 


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