Beginn der polnischen Extra-Liga

von ChessBase
14.05.2012 – Anfang wurde in Warschau der erste von drei zentralen Spieltagen der polnischen Mannschaftsmeisterschaft, der Extra Liga, ausgetragen. Zehn Mannschaften u.a. aus Warschau, Krakau, Kattowitz oder Breslau nahmen teil. Neben den polnischen Spitzenspielern kamen auch einige wenige Gastspieler zum Einsatz, z.B. David Navara, der für Kattowitz antritt, oder Anna Muzychuk, die für Polonia Warschau spielt. Den besten Start hatten Wasko HetMan Szopienice Katowice und Baszta Wasko gelang gleich in der ersten Runde ein wichtiger Sieg über den Mitfavoriten Warschau. Beata Kadziolka berichtet ausführlich von den Ereignissen, Sylwia Rudolf hat einige Impressionen eingefangen.Turnierseite...Bericht, Bilder, Tabelle, Partien...

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Polnische Extra-Liga 2012
Von Beata Kadziolka
Fotos:
Sylwia Rudolf

Die ersten drei Runden der polnischen QUATRA Mannschaftsmeisterschaften fanden vom 4. bis 6. Mai in Warschau statt. Der Turniersaal war Teil des modernen Olympiazentrums, das Schachfans durch die Europäischen Schnellschachmeisterschaften 2005 kennen. Im letzten Jahr wurde der Modus der polnischen Extra-Liga geändert und seitdem wird in drei Intervallen gespielt. In jedem Intervall absolvieren alle Mannschaften drei Wettkämpfe, Gastgeber sind jeweils die Medaillengewinner des Vorjahres. Das nächste Intervall folgt vom 14. bis 16. September in Gorzów Wielkopolski (letztes Jahr Gewinner der Bronzemedaille) und das letzte Intervall schließlich vom 28. bis 30. September in Kattowitz (dem Silbermedaillengewinner des letzten Jahres). Sponsor des ersten Intervalls war das Biuro Informacji Kredytowej BIK (Kreditinformationsbüro), während QUATRA Namensgeber und Sponsor des gesamten Turniers ist. Nach drei Runden liegen Wasko HetMan Szopienice Katowice und Baszta Żnin in Führung.

In den 90er Jahren beherrschten zwei Vereine die polnische Schachszene: Stilon Gorzów Wielkopolski (Stilon gewann sechs Mal Gold und einmal Bronze) und Polonia Warszawa (zwei Goldmedaillen, vier Silbermedaillen und einmal Bronze). Mit dem Gewinn der Meisterschaft 1999 begann dann die Vorherrschaft von Polonia, bis 2007 Seriensieger der Mannschaftswettbewerbe. Mit Wasko HetMaN Szopienice Katowice tauchte 2007 jedoch ein starker Rivale auf, denn diese Mannschaft gewann die Liga 2007, 2008 und 2010, während Polonia die übrigen Jahre gewann.

Vor dem Start des diesjährigen Turniers galten Wasko (Elo-Durchschnitt 2591) und Polonia Warszawa (2575) als klare Favoriten, denen lediglich von Polonia Votum Wrocław (2558) Gefahr drohte. Weitere Medaillenkandidaten waren Stilon Gorzów Wielkopolski (2501), Pasjonat Dankowice (2499) und Baszta MOS Żnin (2462). Die Elo-Zahlen der oben erwähnten Mannschaften wirken nicht sehr eindrucksvoll, aber man sollte nicht vergessen, dass jede Mannschaft aus fünf Herren- und einem Damenbrett besteht. Außerdem gehört Polen zu den wenigen Ländern in Europa, in denen nur eine begrenzte Zahl von ausländischen Spielern spielen darf – bei jedem Wettkampf darf in jeder Mannschaft nur ein einziger ausländischer Spieler antreten. Diese Regel führt einerseits dazu, dass das Gesamtniveau niedriger ist, da nur wenige ausländische Spitzenspieler "importiert" werden können (anders als in der Bundesliga, wo unbegrenzt viele ausländische Spieler antreten dürfen), aber anderseits sind die Vereine so gezwungen, in einheimische Spieler und junge Talente zu investieren. Zu den Top-Spielern zählen Radosław Wojtaszek (2717, Polonia Wrocław), David Navara (2706, Wasko), Mateusz Bartel (2677, Polonia Wrocław), Yuriy Kryvoruchko (2676, Stilon), aber der Star der diesjährigen QUATRA Extra-Liga ist zweifellos GM Anna Muzychuk (2598), die für Polonia Warszawa eine enorme Verstärkung darstellt. Vergleicht man die diesjährigen Mannschaftsaufstellungen mit denen des Vorjahres, so stellt man fest, dass sie beinahe identisch sind, und nur Polonia Warszawa beschlossen hat, ihr Frauenbrett mit Anna Muzychuk und Karina Szczepkowska‑Horowska zu verstärken. Alles in allem treten in der Liga 32 GMs (zwei davon mit einer Elo-Zahl von über 2700 und zehn mit einer Elo von über 2600) an, außerdem sind 21 IMs, 11 WGMs (darunter zwei GMs und zwei IMs) und 4 WIMs dabei. Die Mannschaftsaufstellungen waren schon veröffentlicht und Schachfans freuten sich bereits, da kündigte die Mannschaft von Pasjonat Dankowice, der man durchaus Medaillenchancen eingeräumt hatte, kurz vor Beginn der Meisterschaften am 1. Mai überraschend ihren Rückzug an. Da der 1. und der 3. Mai in Polen Feiertage sind, hatten die Organisatoren Mühe, einen Ersatz zu finden. Etliche Vereine winkten ab, doch am Ende ging der frei gewordene Platz in der QUATRA Extra-Liga an die Mannschaft Wrzos Międzyborów, die letztes Jahr von der zweiten in die erste Liga aufgestiegen war.

Das erste Intervall der QUATRA Extra-Liga wurde vom Vorjahressieger Polonia Warszawa im Warschauer Olympiazentrum organisiert. Die Spielbedingungen waren ausgezeichnet, der Turniersaal war geräumig und offen für Zuschauer. Alle Partien wurden ins Internet übertragen und zusätzlich wurden die wichtigsten Partien auch noch auf einem großen Monitor in der Halle gezeigt, so dass die Fans immer sehen konnten, was auf den Brettern vor sich ging. Parallel zum Mannschaftswettbewerb fand ein großes Kinderturnier statt. Die Verbindung zweier solcher Turniere muss die Organisatoren vor einige Herausforderungen gestellt haben, aber die Mühe hat sich mehr als gelohnt. Hunderte von Zuschauern verfolgten die Partien der QUATRA Extra-Liga, darunter sehr viele Kinder, die das erste Mal in ihrem Leben einen leibhaftigen Großmeister am Brett bewundern konnten. Wenn man allerdings weiß, dass diese Turniere von Maria Macieja organisiert wurden, dann wundert man sich nicht über die gute und erfolgreiche Organisation. Macieja hat bereits größere Turniere wie die Europäischen Schnellschach- und Blitzmeisterschaften organisiert und man kann ruhigen Gewissens sagen, dass sie die Schachfans an sehr gute Organisation gewöhnt hat.

Runde 1

Der wichtigste und spannendste Wettkampf der gesamten Extra-Liga wurde bereits in der 1. Runde gespielt, als Polonia Warszawa und Wasko HetMaN Szopienice aufeinander trafen. Auf dem Papier waren sich die Mannschaften ziemlich ebenbürtig:

Wasko                                    Polonia

1. Navara (2706)                    B. Macieja (2614)

2. B. Soćko (2635)                 G. Gajewski (2622)

3. K. Mitoń (2622)                 R. Kempiński (2606)

4. P. Bobras (2550)                M. Olszewski (2522)

5. K. Bulski (2543)                T. Warakomski (2489)

6.  M. Soćko (2484)               A. Muzychuk (2598)

Vor dem Wettkampf hoffte Wasko wahrscheinlich auf einen Punkt am Spitzenbrett, während Polonia auf das Frauenbrett setzte. Doch der Turnierauftakt verlief für den Gastgeber nicht so wie erhofft. Obwohl es Anna Muzychuk am Frauenbrett tatsächlich gelang, Monika Soćko zu überspielen, revanchierte sich Wasko an den Brettern 2, 3 und 5 und gewann den Wettkampf am Ende mit 4-2. Die Medaillenaspiranten Polonia VOTUM Wrocław und Stilon Gorzów Wielkopolski gewannen nach hartem Kampf beide nur knapp mit 3,5-2,5. Die Mannschaften von Baszta MOS Żnin und IMPACT TEAM Ostróda kamen hingegen beide zu klaren 5-1 Siegen und setzten sich damit nach der ersten Runde an die Spitze.


David Navara

Runde 2

Der interessanteste Wettkampf der zweiten Runde war die Begegnung zwischen Polonia Wrocław und Wasko, wobei die Mannschaft von Polonia durch das Fehlen von Radosław Wojtaszek geschwächt war und im Wettkampf wenig zu sagen hatte. Natürlich ist Polonia Wrocław sehr stark und mit Spielern wie Wojtaszek, Mastrovasilis, Świercz, Zawadzka, dem amtierenden polnischen Meister Bartel und der amtierenden polnischen Meisterin Rajlich, wurden ihr gute Chancen auf den ersten Platz eingeräumt, aber ihre Spielerdecke ist ziemlich dünn, und wenn ein guter Spieler nicht antreten kann, dann leidet das ganze Team. Da Wojtaszek fehlte, trat ein talentierter Jugendlicher mit einer Elo-Zahl von 2300 an Brett 4 an, während Iweta Rajlich das Frauenbrett mit einem Platz am Männerbrett tauschte, aber das reichte nicht aus. Die Partien an den ersten drei Brettern endeten zwar alle Remis, aber an den Brettern vier bis sechs dominierte Wasko mit drei Siegen, die Wasko am Ende einen klaren 4,5-1,5 Erfolg einbrachten.


Jacek Tomczak

Eine weitere interessante Begegnung war die zwischen Stilon und Baszta Żnin – zwei Mannschaften, denen man durchaus Chancen auf eine Medaille einräumte. An Brett 1 strebte der nach Elo schlechtere GM Mirosław Grabarczyk gegen Yuriy Kryvoruchko zielsicher eine vollkommen ausgeglichene Stellung an, die wie vier weitere Partien Remis wurde. Den einzigen Sieg des Wettkampfes gab es am dritten Brett: Hier vernichtete Paweł Jaracz seinen Gegner Kacper Piorun und sicherte Baszta damit einen 3,5-2,5 Erfolg.


Bartosz Socko

Polonia Warszawa hingegen überrannte den Gegner mit 5,5-0,5. Die spannendste Partie des Wettkampfs wurde am Damenbrett zwischen Anna Muzychuk und Anna Szewczak gespielt. Vielleicht hat Muzychuk ihre mehr als 500 Elo-Punkte schwächere Gegnerin ein wenig unterschätzt, denn am Ende musste sie mehr als 70 Züge lang kämpfen, um den ganzen Punkt zu bekommen. In den anderen Wettkämpfen der Runde gewann AZS Politechnika Poznańska Pocztowiec 4-2 gegen IMPACT TEAM Ostróda und ROTMISTRZ TWOJA SZKOŁA Grudziądz gewann gegen NADNARWIANKA Pułtusk und zwar ebenfalls mit 4-2.


Iweta Rajlich
 

Runde 3

Die dritte Runde brachte eine weitere Spitzenpaarung zwischen zwei Polonias. Dieses Mal hatte die Mannschaft aus Wrocław durchaus gute Chancen. So zeigte sich Mateusz Bartel, der dieses Jahr bereits das Aeroflot-Open und die Polnische Meisterschaft gewonnen hatte, weiter in phantastischer Form und überspielte Macieja auf hübsche Weise.


Bartlomiej Macieja

Genauso hübsch war allerdings der Sieg von Gajewski an Brett zwei, der gegen Dariusz Świercz, den amtierenden U-20 Weltmeister, gewann. An dreien der vier restlichen Bretter waren die Stellungen zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger ausgeglichen, und so ruhten die Hoffnungen auf Iweta Rajlich, die gegen Tomasz Warakomski, der sich in schwerer Zeitnot befand, zu einer phantastischen Stellung mit zahlreichen Angriffsmöglichkeiten gekommen war. Als alle schon mit einem Sieg Iwetas rechneten, verlor sie jedoch den Faden, büßte ihren Zeitvorsprung an und ließ zu, dass ihre Dame gefangen wurde. Erwähnt werden sollte auch die Partie zwischen Muzychuk und Zawadzka.


Muzychuk-Socko

In einem ‘Igel’ verfügte Muzychuk über typischen Raumvorteil, aber Zawadzka konnte mit dem Vorstoß …d5 und gefälligen taktischen Motiven kontern und die Initiative übernehmen. Doch nach einer Reihe erzwungener Abtäusche vereinfachte sich die Stellung zu sehr, um der polnischen Großmeisterin ernsthafte Siegeschancen zu geben. So lautete das Ergebnis am Ende The result 3,5-2,5 for Polonia Warszawa.


Krasenkow, Kadziolka

In den anderen Wettkämpfen überrannten Wasko, Stilon und Baszta ihre Gegner jeweils mit 4,5-1,5, wobei der 5-1 Sieg von Politechnika Poznańska Pocztowiec allerdings noch eindrucksvoller war.

 

 

Partien:

 

 

 

Nr Drużyna Rank. R1 R2 R3 R4 R5 R6 R7 R8 R9 PKT M-ce
1 KSz WASKO HetMaN Szopienice Katowice 2500
10b 4.0
2b 4.5
3c 4.5
4b
 
5c
 
6b
 
7c
 
8b
 
9c
 
6.0 1
2 KSz POLONIA VOTUM Wrocław 2417
9b 3.5
1c 1.5
10b 2.5
3b
 
4c
 
5b
 
6c
 
7b
 
8c
 
2.0 8
3 MLKS NADNARWIANKA Pułtusk 2350
8b 1.0
9c 2.0
1b 1.5
2c
 
10b
 
4b
 
5c
 
6b
 
7c
 
0.0 9
4 KSz STILON Gorzów Wlkp. 2417
7b 3.5
8c 2.5
9b 4.5
1c
 
2b
 
3c
 
10b
 
5b
 
6c
 
4.0 5
5 IMPACT TEAM Ostróda 2367
6b 5.0
7c 2.0
8b 1.5
9c
 
1b
 
2c
 
3b
 
4c
 
10b
 
2.0 6
6 LKS WRZOS Międzyborów 2317
5c 1.0
10c 0.5
7b 1.0
8c
 
9b
 
1c
 
2b
 
3c
 
4b
 
0.0 10
7 AZS POLITECHNIKA POZNAŃSKA POCZTOWIEC 2383
4c 2.5
5b 4.0
6c 5.0
10c
 
8b
 
9c
 
1b
 
2c
 
3b
 
4.0 3
8 GK BASZTA MOS Żnin 2450
3c 5.0
4b 3.5
5c 4.5
6b
 
7c
 
10c
 
9b
 
1c
 
2b
 
6.0 2
9 ROTMISTRZ TWOJA SZKOŁA Grudziądz 2400
2c 2.5
3b 4.0
4c 1.5
5b
 
6c
 
7b
 
8c
 
10c
 
1b
 
2.0 7
10 KSz POLONIA Warszawa 2483
1c 2.0
6b 5.5
2c 3.5
7b
 
3c
 
8b
 
4c
 
9b
 
5c
 
4.0 4

 

Turnierseite: www.ligaszachowa.pl

Ergebnisse: http://chessarbiter.com/turnieje/2012/tdr_1038/

 

Zusammenfassung

Nach den ersten drei Runden führen Wasko und Baszta Żnin die Tabelle mit je drei Siegen an. Aber die Leistung von Wasko ist wohl etwas höher zu bewerten, denn das Team holte seine Punkte in Direktbegegnungen gegen seine größten Rivalen. Baszta hingegen hat es erst in den nächsten Runden mit den Favoriten zu tun. Den dritten Platz teilen sich drei Mannschaften: Politechnika Poznańska Pocztowiec, Polonia Warszawa und Stilon Gorzów Wielkopolski, wobei Polonia bereits gegen Wrocław und Wasko gespielt hat. Für Polonia VOLTUM Wrocław könnten sich die Dinge noch zum Guten entwickeln, denn sie haben zwar gegen die Favoriten verloren, aber immer noch Chancen auf eine Medaille, da sie in den nächsten Runden wieder durch ihr Spitzenbrett Radosław Wojtaszek verstärkt werden. Alle nicht erwähnten Mannschaften kämpfen um den Verbleib in der Extra-Liga, wobei IMPACT und ROTMISTRZ Grudziądz, die jeweils drei GMs in ihren Reihen haben, damit eigentlich keine Probleme haben sollten.


Wlodomierz Schmidt

Auch etliche Einzelergebnisse verdienen Erwähnung: Paweł Jaracz kommt auf 3 Punkte, Mateusz Bartel, Andrei Maksimenko und Marcin Szleąg jeweils auf 2,5. Am Frauenbrett hat Anna Muzychuk 2,5 Punkte erzielt, während alle anderen Frauen einen Punkt oder mehr abgegeben haben. Das zeigt, dass das Niveau am letzten Brett in etwa ausgeglichen ist – ganz anders als in den letzten zehn Jahren, in denen Monika Soćko und Iweta Rajlich die Mannschaftswettbewerbe am Frauenbrett dominierten und regelmäßig 8,5 oder 8 aus 9 erzielt haben.

Alles in allem, Schachfans, die sich entscheiden, einen sonnigen Mai-Nachmittag im Olympiazentrum zu verbringen, werden es nicht bedauern. Es gab keine schnellen Remispartien, da ein Remis vor dem 40. Zug nicht erlaubt war. Die meisten Partien waren spannend und umkämpft und die Zuschauer sahen nicht nur wunderschöne Angriffe und Verteidigungen, sondern auch komplizierte Endspiele. Obwohl sich in der Mehrzahl der Partien die Favoriten durchsetzten, aber es gab dennoch eine Reihe hübscher Überraschungen. Was die Ergebnisse betrifft, so scheint Wasko bereits ausreichend Distanz zwischen sich und die Verfolger gelegt zu haben, und viele glauben, dass andere Mannschaften nur noch auf ein Wunder hoffen können, wenn sie Gold gewinnen wollen. Aber das wird man sehen. Die entscheidenden Wettkämpfe werden im September gespielt.

 

 



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