Pokalfinale
von Eckhard Stomprowski
Die Partien des Finales zum Nachspielen...
Baden-Baden
Es wird Frühling. Eine Zeit, die reich ist an Höhepunkten im
Veranstaltungskalender des Deutschen Schachbundes. Die Ligasaison neigt sich
langsam dem Ende zu und die Spielzeit im Pokalwettbewerb findet traditionsgemäß
im März den End- und Höhepunkt.
„Roulettenburg“, wie Dostojewski das badische Städtchen so treffend
umschrieb, durfte diesmal die Finalrunden im Einzel- und Mannschaftswettbewerb
ausrichten. Der Baden-Badener Verein SC Baden-Oos befindet sich seit Jahren auf
einem schach-sportlichen Höheflug, der seinesgleichen sucht. Nach drei
Aufstiegen in Folge zweifelt niemand ernsthaft daran, dass dieser in der Saison
2002/03 in der höchsten deutschen Liga nicht nur vertreten sein wird, sondern
auch bei der Ermittlung des Meisters seinen Hut in den Ring werfen wird. Der
Titel des Deutschen Mannschaftspokalsiegers wurde von dem rührigen
Mannschaftsführer Thilo Gubler gewissermaßen als seine Herzensangelegenheit
jetzt schon eingefordert, nachdem seine Damen den entsprechenden Erfolg schon
unter Dach und Fach gebracht hatten. Nicht ohne Grund, denn mit dem WM
Halbfinalisten Peter Swidler, dem polnischen ehemaligen Weltranglistenzehnten
Michael Krasenkow, der deutschen „Schachlegende“ Dr. Robert Hübner und Robert
Keitlinghaus stand eine waffenstarrende Truppe bereit, die niemand zu fürchten
hatte.
Allein, vor den Erfolg haben die Götter die Gegner gesetzt und so versammelten
sich am 09.03, in der „bel etage“ des Kurhauses/Casinos neben dem Ausrichter der
USC Magdeburg, die SF Stuttgart und eben wir als Titelverteidiger eingefunden.
Nach herzlichen Be-grüßungsworten durch Vertreter der Kurstadt, den Vorsitzenden
von SC Baden Oos Ger-sinska und dem Badischen Schachverband, griff die für den
TV Tegernsee in der 1. Liga startende Großmeisterin Kachiani-Gersinska (in
Parallelfunktion Ehefrau des Ooser Präsidenten!) in den Lostopf und zauberte die
Halbfinalpaarungen Lübecker SV-USC Magdeburg sowie SF Stuttgart-SC Baden Oos
hervor. Gewissermaßen ein Glücksgriff, denn so standen alle Zeichen auf eine
Entscheidungsbegegnung zwischen dem Lübecker SV als Titelverteidiger und den
ambitionierten Oosern für den Sonntag. Die Magdeburger waren mit Slobodjan,
Markgraf, Ivanov und Kapischka doch eher als Überraschungselement sehen und die
Stuttgarter hatten zwar Mihail Golubev an Bord, der in der Tegernseer
Bundes-ligarunde phantastische Partien lieferte; es fehlten aber mit den GM Jörg
Hickl und Christian Gabriel wichtige Entscheidungsträger. Insbesondere das
Fehlen von Hickl überraschte, war er es doch, der die SG Porz im Viertelfinale
praktisch im Alleingang bezwang.
Mit 3,5:0,5 über Magdeburg und 2,5:1,5 über Stuttgart erledigten Lübeck und
Baden Oos am Samstag die „Pflichtaufgaben“. In beiden Begegnungen waren die
favorisierten Teams nie in Verlustgefahr und so konnte es am sonntäglichen
Morgen zum erwarteten Show-Down kommen. Sowohl Samstags wie Sonntags
kommentierte Kachiani-Gersinska die Spiele und sah nach einer guten Stunde die
Ooser in den Sizilianisch-Duellen an Brett 1 und 3 aber auch an Brett 2 mehr
oder weniger deutlich vorne. Lediglich Lars-Bo Hansen gegen Ludger Keitlinghaus
hatte im Caro-Cann einige Vorteile erarbeitet. Doch 6 Stunden ist eine lange
Bilanz und auf den 64 Feldern kann viel geschehen. Zunächst aber sollte die
Großmeisterin Recht behalten. Wladimir Epischin hatte gegen Peter Swidler
reichlich Mühe, Ausgleich zu erzielen. Nach dem erzwungenen 7. Dg4 war schon 7.
...g6 erzwungen und es dauerte viele Züge und noch mehr Zeitverbrauch, um eine
gewisse Konsolidierung zu erreichen. Nach der Zeitkontrolle konnte Peter Swidler
mit dem Bauerndurchbruch 48. b5 dank besser positionierten Leichtfiguren die
Ooser Führung vermelden.
Svidler-Epishin
Aus Lübecker Sicht geschah dann aber Erfreuliches.
Sizilianisch-Experte John Nunn, der Michael Krasenkow bereits wohl in der
Eröffnung mit 9. a4 überraschte, hatte ganz offensichtlich die strategischen und
positionellen Feinheiten der Stellung besser im Griff. Nach 20....Sf4 brachte
die erstaunliche Riposte 21. Sd6+ John endgültig auf die Siegerstrasse und wenig
später war der Ausgleich da. Die verbliebenen Partien von Lars-Bo Hansen gegen
Ludger Keitlinghaus und Jon Speelman gegen Michael Keitlinghaus standen
verheißungsvoll. Ersterer erarbeitete sich nach dem Bauernopfer (12. Db7x)
deutliche Stellungsvorteile, die nach 18. Te8 zum Gewinn des
Bauernpaares b/c führte.
Keitlinghaus-Hansen
Doch der Mehrbauer war im entstandenen Turmendspiel
leider nicht verwertbar und so lag die Entscheidung schließlich in den Händen
von Jon Speelman gegen Robert Hübner.
Speelmann (re.) gegen Dr.Hübner
Ein merkwürdiger Aufbau von Jon (außer c/f
wurden alle anderen Bauern nur bis zur dritten Reihe gezogen (!)) ließ Kachiani-Gersinska zu dem Analyse-Urteil „so spielt man, wenn man Angst hat“
verleiten. Eine Fehleinschätzung. Ganz offensichtlich war Jon mit den Feinheiten
des Aufbaus besser vertraut. Nach dem Tausch seiner Bauern e/f gegen b/g
verblieb Jon mit Läuferpaar und entferntem Freibauern. „Wir müssen optimistisch
sein“ wurde im Nebenraum ängstlich analysiert. Doch dazu bestand kein Anlass
mehr. Es bedurfte zwar noch weitgehender Berechnungen, doch Jon erwies sich auch
hier als Meister der Materie. Im 62. Zug gab Robert auf, begleitet vom stillen
Jubel auf Lübecker Seite.
Sieger unter sich: Svidler und Nunn
Der Cup geht also wieder in die Hansestadt. Die
Gastgeber hatten die Enttäuschung bald überwunden und gratulierten herzlich und
aufrichtig. Vor uns lag noch eine lange Fahrt nach Lübeck, doch was ist das
schon gegen den süßen Geschmack des Erfolges.
Auch der Einzelpokal ging in den Norden. Hannes Langrock vom HSK konnte den
Berliner Ulf von Herman im Entscheidungsblitz niederhalten. Stuttgart schlug
Magdeburg 2,5:1,5 und so blieb immerhin „Bronze“ in Baden Würtemberg.
Hannes Langrock