Berliner Überraschungen

von ChessBase
20.11.2011 – Vier Wettkämpfe, zwei Überraschungen: Der Hamburger SK nahm seine Aufgabe in Berlin ernst und brachte u.a. mit Anand-Sekundant Radoslaw Wojtaszek "schweres Geschütz" mit. Am Samstag gegen Tegel ging die Rechnung auf, doch am Sonntag mussten die Hamburger gegen Aufsteiger Dresden im "Vierpunktespiel" eine Niederlage quittieren. Die Tegelaner "Fahrstuhlmannschaft" hat sich ebenfalls zu Wort gemeldet und schlug am Sonntag im Lokalderby die SF Berlin nach Siegen von Michael Richter und Ulf von Herman. Bundestrainer Uwe Bönsch, der für Dresden spielt, brachte zwei Pokale mit, die nun in der Schachbund- Geschäftsstelle einen Ehrenplatz finden werden. Zwei Pokale? Na klar - schon vergessen? Dagobert Kohlmeyer berichtet von den Berliner Wettkämpfen. Bericht aus Berlin...

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Bundesliga in Berlin: Zwei Pokale und Uhlmanns Erinnerungen
Von Dagobert Kohlmeyer

Gastgeber der Runde 4 und 5 in Berlin war am vergangenen Wochenende der SK König Tegel. Am gewohnten Ort, dem Hotel Am Borsigturm, wurden gemeinsam mit den Schachfreunden Berlin die Teams aus Hamburg und Dresden empfangen. Die Frage war, ob sich die Amateur-Truppe aus dem Berliner Norden weiter gegen den von vielen prophezeiten Abstieg stemmen und ob auch die andere Mannschaft aus der Hauptstadt möglichst viele Punkte sammeln würde.

Zuschauer waren gern gesehen. Zu Beginn konnten sie auch zwei Pokale bewundern, die Bundestrainer Uwe Bönsch mitgebracht hatte: den Pott für den Sieg bei der Team-Europameisterschaft sowie den Mitropa Cup (siehe Fotos). DSB-Sportdirektor Horst Metzing nahm sie entgegen, und sie werden in der Berliner Geschäftsstelle des Deutschen Schachbundes einen Ehrenplatz bekommen.


Die Siegerpokale vom Mitropa-Cup (!) und von der Europameisterschaft




König Tegel hatte ja beim Bundesliga-Auftakt in Mülheim einen großartigen Start hingelegt. Würde es mit den Nordberlinern noch eine Weile so weitergehen?

Wir fragten Teamchef Manfred Rausch, ob er mit seiner Truppe in dieser Saison mehr Ambitionen als sonst hat: „Nein, wir sind bis jetzt noch immer eine Fahrstuhl-Mannschaft. In Mülheim waren ja Paarungen der Aufsteiger gegeneinander. Insofern haben wir vielleicht etwas an der Reihenfolge des Einlaufs im Abstiegskampf mitgewirkt. Für Dresden war es nach einer etwas längeren Pause die erste Runde in der 1. Bundesliga. Da ist man natürlich noch nicht wieder so routiniert, wie wir es waren. Das hat uns dort geholfen. Was dieses Wochenende angeht, so wussten wir, dass es gegen den Hamburger SK und die Schachfreunde Berlin auf jeden Fall viel schwerer wird. Zumal uns jetzt keine Mannschaft mehr unterschätzt. Schon in Mülheim hieß es: ‚Da müssen wir uns gegen euch ja richtig anstrengen.‘ Also, wir sehen die Dinge weiterhin gelassen und betrachten unser Gastspiel in der 1. Bundesliga wie früher auch mit etwas Galgenhumor. Natürlich freuen wir uns über jeden Erfolg.“

Der blieb den Tegelern am Samstag noch versagt. Gegen Hamburg hieß es am Ende 2:6. Am ersten Brett verlor Robert Rabiega recht schnell gegen Anands WM-Sekundanten Radoslaw Wojtaszek.


Wojtaszek gegen Rabiega


Radoslaw Wojtaszek

Am Nachbartisch unterlag René Stern dem Iraner Eshan Ghaem Maghami. Der Großmeister aus Teheran wollte nach dem Bundesliga-Wochenende schnell in die Heimat zurück, um an der Universität ein neues Studium im Fach internationales Management aufzunehmen. Einen Hochschul-Abschluss im internationalen Recht hat er schon. Am dritten Brett von Tegel gab Michael Richter seine Partie gegen Sune Berg Hansen ab.


Sune Berg Hansen


Lubomir Ftacnik


Muse Ftacnik

Nur Drazen Muse konnte an Brett 7 gegen Dirk Sebastian punkten.

Der Kampf zwischen den Schachfreunden Berlin und USV TU Dresden endete 5:3 für die Hauptstädter. Er wurde an den hinteren Brettern entschieden.



Während an den ersten vier Tischen die Punkte geteilt wurden, mussten die Bretter 5-7 Niederlagen hinnehmen. Nur am Brett 8 verbuchte Paul Hoffman einen Sieg für die Dresdner. Besonders umringt war das Brett eines Spielers, der schon längst eine lebende Schachlegende ist. Wolfgang Uhlmann: „Es macht noch Spaß“

Der Dresdner ist mit 76 Jahren und acht Monaten der älteste Bundesligaspieler aller Zeiten. Zwei andere Koryphäen blieben unter dieser Rekordmarke. Wolfgang Unzicker war 73 Jahre alt, als er 1998 seine letzte Partie für PSV Turm Duisburg spielte. Viktor Kortschnoi spielte Anfang 2006 eine Partie als Gast in der 2. Bundesliga, da war er knapp 75 Jahre. Als wir Wolfgang Uhlmann auf seine Bestmarke hin ansprachen, sagte er: „Na ja. Es macht noch Spaß, aber es ist natürlich auch anstrengend.“



Vor etwa zwei Jahrzehnten, es war kurz nach dem Mauerfall, spielte Uhlmann noch in drei Ligen gleichzeitig: 1990 gab es noch seinen DDR-Spitzenklub in Dresden, dann war Wolfgang etliche Jahre bei der SG Porz in der 1. Bundesliga unter Vertrag, und er spielte auch in der Staatsliga von Österreich. Das war bei Voest Linz, wo sein inzwischen verstorbener Schachfreund Heinz Baumgartner die Figuren setzte. Gern erinnert sich der Dresdner Großmeister an diese Zeit: „Es gab viele nette Erlebnisse. Immer schön war es, wenn man in einem Team spielte, das gut harmonierte und auch außerhalb des Spielsaales fest zusammenhielt. Ich erinnere mich, dass wir mit der Linzer Mannschaft den Wettkampftag oft freudbetont ausklingen ließen. So haben wir einmal an einem 11. November in Österreich alle gemeinsam ein Martini-Gansl (Martinsgans) gegessen. Das ist dort an diesem Tag Tradition. Dazu gab es einen guten Schluck Rotwein. Das war besonders schön und sprach für den guten Zusammenhalt des Teams.“



Apropos Zusammenhalt. Was sagst du zur Goldmedaille der deutschen Mannschaft bei der Team-WM?

"Es ist ganz erfreulich für Deutschland, dass nach dem Ärgernis zur letzten Schacholympiade dieser Erfolg errungen wurde. Er ist besonders wertvoll, weil das DSB-Team gegen namhafte Mannschaften gewonnen hat. Unsere Truppe war sicherlich sehr motiviert, wahrscheinlich sogar angestachelt. Sie hat ihre ganzen Kräfte mobilisiert, um diesen Titel zu holen. Anteil an dem Titel hat neben den Spielern und Trainern natürlich auch der Sponsor UKA Meißen GmbH, der die Honorare gestellt hat. Das Unternehmen sponsert ebenfalls unsere Dresdner Bundesligamannschaft, auch unsere einheitliche Wettkampfkleidung."
 
Besonders gefreut hat Wolfgang Uhlmann, dass seine Eröffnung Französisch bei der Team-EM so erfolgreich von Georg Meier, Daniel Fridman und Rainer Buhmann angewendet wurde. Immer wurde damit ein wichtiger Matchpunkt erzielt.

Dreimal dürfen Sie raten, was der Dresdner am Samstag mit Schwarz spielte, als sein Berliner Gegner Rainer Polzin 1.e2-e4 zog. Natürlich Französisch. Die Eröffnung absolvierte der Veteran sehr schnell, bis zur Zeitkontrolle war alles im grünen Bereich. Dann aber versäumte er es, in ein remisträchtiges Turmendspiel abzuwickeln. Schließlich verlor Uhlmann einen Bauern, und im Endspiel erwies sich Polzins Läufer stärker als Wolfgangs Springer. Nach mehr als sechs Stunden Kampf musste der 76-Jährige kapitulieren. Damit war die Entscheidung gefallen, denn auch die Bretter 5 und 6 von Dresden hatten bereits verloren. Tags darauf lief es für Wolfgang Uhlmann und sein Team aber bedeutend besser.

Sonntag: Hamburg - Dresden 3:5, Schachfreunde Berlin - König Tegel 3,5:4,5

Am Sonntag gab es dann wieder kräftige Überraschungen. Diesmal spielten die Teams der Partnerstädte Dresden und Hamburg gegeneinander, die sich in der Bundesliga in einheitlicher Kleidung präsentieren. Die Dresdner tragen dunkle Jacketts und weiße Hemden, die Hamburger blaue Sweatshirts. Wenn dem Uhlmann-Team jemand vor diesem Match ein 4:4 oder einen knappen Sieg vorausgesagt hätte, dann hätte die Truppe das sicher gern unterschrieben. Es kam aber noch besser. Der HSK gewann nicht eine Partie dieses Duells, sechsmal wurde der Punkt geteilt. Hamburgs Spitzenbretter Wojtaszek und Ghaem begnügten sich schon früh mit Remis. Schwarzsiege für Dresden erzielten Raj Tischbierek gegen Thies Heinemann und Paul Hoffman gegen Steve Berger. Das war die Entscheidung in diesem spannenden Duell gegen den Abstieg. Der junge Hoffman wurde mit 2 aus 2 zum Top-Scorer seiner Mannschaft.

Auch das Berliner Lokalderby, ein Match mit viel Tradition und Brisanz, nahm einen unerwarteten Ausgang. Die Tegeler Schützlinge von Manfred Rausch schlugen die Schachfreunde knapp, aber verdient. Mit den weißen Figuren holten Michael Richter gegen Rafal Antoniewski und Ulf von Herman gegen Ilja Schneider die Siegpunkte für König Tegel. Da nützte Rainer Polzins Gewinnpartie gegen Drazen Muse nichts, um das Blatt noch zu wenden. In der Tabelle liegen die Männer um Robert Rabiega jetzt auf dem 8. Platz, also weit von einem Abstiegsrang entfernt. Auch Dresden hat mit nunmehr vier Mannschaftspunkten als Elfter die Gefahrenzone erst einmal verlassen, nicht jedoch die Hamburger, die derzeit mit nur 3 Teamzählern auf dem 13. Tabellenplatz rangieren.

 

 

 

 


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