Besuch auf dem Friedhof Beth Olom

von ChessBase
11.05.2006 – Emanuel Lasker ist Deutschlands einziger Schachweltmeister. Den Titel trug er 27 Jahre - ein Rekord für die Ewigkeit. Doch vieles aus seinem Leben bleibt unbekannt. Dafür sorgten nicht zuletzt die Nazis, die kein Interesse an einem deutschen jüdischen Schachweltmeister hatten, und seine Partien aus den Lehrbüchern tilgten. So muss heute im Nachhinein die Erinnerung an den größten deutschen Schachspieler erst mühevoll wiedererweckt werden. Ein Großteil der Arbeit wird von der Lasker-Gesellschaft in Berlin bewältigt, doch es gibt auch viele wertvolle Privatinitiativen. So reiste Frank Mayer in die USA und besuchte die wenig bekannte Grabstelle des zweiten Schachweltmeisters auf dem Beth Olom Friedhof im New Yorker Stadtteil Queens. Zur Lasker-Gesellschaft... Lasker-CD im Shop kaufen...Besuch auf dem Beth Olom Friedhof...

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Besuch auf dem Beth Olom Friedhof  in Queens (New York)  

Guten Tag, Herr Dr. Lasker, es war so schwierig und mühsam Ihr Grab zu finden, wie Ihr geniales Schachspiel zu verstehen. In der Tat hat dieser Zentralfriedhof fast die Ausmaße einer kleinen Stadt.

Sie brauchen mir nicht zu antworten, aber ich möchte Ihnen einige Gedanken vortragen, die ich mir während der langen Reise machte, um Sie an dieser Stätte zu besuchen. Anmerkung: wenn ich an das Grab meiner Mutter in Deutschland gehe, spreche ich auch immer ganz offen, wobei ich aber darauf achte, dass mir niemand zuhört.

Diese Freiheit nehme ich mir hier auch und in Begleitung meiner Frau und “Assistentin” in Sachen Schach. Jetzt befinde ich vor Ihrem Grabstein und kann mir kaum erklären, warum darauf nicht Ihr Geburts- und Sterbedatum stehen. Vielleicht hat  Ihr liebe Familie die Daten einfach weggelassen, damit Sie immer unter uns sind, ohne Begrenzung durch die Zeit.

(Die Bedeutung der hebräischen Zeichen oberhalb Ihres Namenzuges verstehe nicht,  und sie werden sicher ihre Begründung haben, die ich noch  herausfinden muss.)

Wie Sie sich sicher denken können, bin ich aufgrund meines Vor- und Nachnamens ein Landsmann von Ihnen. Obwohl ich ein bescheidener Schachspieler sein mag und nicht so viel von Schach verstehe, haben mich Ihre Partien doch immer fasziniert und manchmal habe ich sie sogar  verstanden.

Übrigens sprach Ihr im März 1942 verstorbener Freund Raúl Capablanca ständig mit einem großen Respekt von Ihnen und dann pflegte er zu sagen: “DER GROSSARTIGE LASKER”.


Capablanca – Lasker 1925 in Moskau

Weiter untenstehend gebe ich Ihre 1. Partie der Weltmeisterschaft von 1907 gegen Frank Marshall wieder mit sehr verständlichen Erklärungen von Capablanca anlässlich einiger elementarer Lehrstunden für Schach im amerikanischen Rundfunk.

Marshall,Frank James - Lasker,Emanuel [C65], World Championship 7th USA (1), 26.01.1907...

Erfreulicherweise haben Sie in den letzten Jahren Ihres Leben das Rauchen aufgegeben, da ich den Rauch Ihrer Zigarren auch nicht vertragen könnte, mit dem Sie Ihre Gegner “einnebelten”.

In diesem Augenblick stelle ich mir Ihr verschmitztes Lächeln vor, weil ich wohl einer Ihrer kleinen Geheimnisse entdeckt habe.
Sicher werden Sie mir kaum glauben, wenn ich Ihnen erzähle, dass

- als Sie uns am 11. Januar 1941 verliessen, der damalige Weltmeister Alexander Aljechin, als er von der traurigen Nachricht erfuhr, ein schwarzes Tuch auf das Brett seines Reiseschachs warf, worauf er zufällig eine mit Ihnen gespielte Partie analysierte und sich damals “ in extremis” mit einem schmeichelhaften Unentschieden rettete.

- Ihre unglaublichen 27 Jahre Herrschaft als Weltmeister niemals erreicht wurden.

- der Verbleib auf dem Thron während einer so langen Zeitspanne   Ihnen einen herausragenden Platz in der Geschichte des Schachs einräumt.
Ihr Stil  von der damaligen Zeit nicht verstanden wurde und heute  immer noch Zweifel und irrige Meinungen bestehen.

- heutzutage argumentiert wird, wenn Sie 100 Jahre später geboren wären, Sie anhand der derzeitigen Schachdateien und inzwischen gewonnenen Erkenntnisse die besten Spieler der Welt in den Schatten stellen könnten.

Ich stelle mir vor, dass Sie wieder etwas lächeln, aber aufgrund Ihrer bekannten Bescheidenheit dazu auch nichts sagen. Gern möchte ich Ihnen noch so viel erzählen, aber würde Sie sicher in Ihrer Ruhe stören. Andererseits werde ich Sie jedoch um eine Partie Schach in dem ’anderen Leben  bitten, wenn wir uns dort begegnen. Nun, ich bin mir ganz sicher, dass ich kaum eine Chance gegen Sie hätte, aber für einen begeisterten Schachfreund wäre es eine große Ehre. Jetzt fühle ich Ihr Schweigen und deute es dankend als Ihr Einverständnis.

Auf Wiedersehen, Herr Dr. Emanuel Lasker!


Ihr treuer Bewunderer Frank Mayer

P.S.: Eine Stätte wie diese hat mich doch ziemlich berührt, und ich verabschiedete mich mit Tränen in den Augen.


New York, den 4. Mai 2006


Emanuel Lasker
* 24. Dezember 1868, Berlinchen
+ 11.Januar 1941, New York

Begraben auf dem Beth Olom Friedhof in Queens, Queens County, New York, USA

 

 

 

 


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