Betrug beim Open in Imperia?

von Johannes Fischer
17.09.2015 – Schachspieler, die betrügen wollen, freuen sich über Minikameras und Smartphones. Aber wie erklärt man die plötzliche Steigerung der Spielstärke, das vielleicht ungewöhnliche Verhalten am Brett und die versteckten elektronischen Hilfsmittel? Fragen, die der Italiener Arcangelo Ricciardi beim Imperia Chess Festival nicht beantworten konnte. Wie soll man mit Cheatern umgehen? Diskutieren Sie mit. Mehr...

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Betrug beim Schachfestival Imperia?

Das Schachfestival im italienischen Imperia hat eine lange Tradition - dieses Jahr feierte es 57. Geburtstag. Herzstück des Festivals, das vom 30. August bis 6. September stattfand, war das offene Turnier. 63 Spieler gingen an den Start, Sieger war am Ende der russische Großmeister Igor Naumkin. Mit 7 Punkten lag er nach 9 Runden einen halben Punkt vor fünf Spielern mit je 6,5 Punkten.

Schlussstand

1 GM Naumkin Igor 2437 RUS 7.0 2154.4
2 IM Mazur Stefan 2378 SVK 6.5 2225.6
3 FM Zach Andreas 2326 GER 6.5 2162.5
4 FM Stoppa Omar 2260 IM 6.5 2159.4
5 FM Passerotti Pierluigi 2264 PT 6.5 2052.8
6 GM Legky Nikolay A 2407 FRA 6.5 2046.3
7 CN Raineri Valerio 2070 SO 6.0 2035.0
8 CF Popa Claudiu 2114 VR 6.0 1972.0
9 FM Albano Marco 2303 SP 5.5 2160.1
10 FM Luciani Valerio 2249 VR 5.5 2108.7
11 CN Olivetti Davide 2014 BZ 5.5 2002.7
12 CN Di Chiara Mauro 1886 TO 5.5 1933.0
13 M Cugini Verter 2089 RE 5.5 1841.9
14 1N Rossi Cassani Gianni 1795 IM 5.5 1820.6
15 CN Malano Francesco 1917 TO 5.5 1784.6
16 -- Ahner Thomas 2100 GER 5.0 2192.1
17 CN Nastro Federico 2029 TO 5.0 2048.4
18 CN Mercandelli Claudio 1881 SV 5.0 2004.0
19 -- Blum Gernot 2052 GER 5.0 1997.3
20 -- Wunder Fabian 2062 GER 5.0 1996.6
21 CN Mina Marco 2011 TO 5.0 1992.6
22 -- Kopischke Maik 1854 GER 5.0 1992.3
23 CN De Vita Gianni 2041 BZ 5.0 1944.2
24 1N Arnaudo Davide 1885 CN 5.0 1919.6
25 -- Walter Tobias 1884 GER 5.0 1910.7
26 CN Arigoni Bruno 2004 RM 5.0 1868.8
27 1N Cavalieri Riccardo 1828 MB 5.0 1854.4
28 CN Ruffini Pier Luigi 1884 IM 5.0 1766.0

...63 Teilnehmer

Dieses Jahr berichteten sogar internationale Medien wie die BBC oder der Telegraph über das Turnier. Der Grund dafür war einmal mehr ein Betrugsverdacht. Unter Verdacht geraten ist der 37-jährige Italiener Arcangelo Ricciardi, der mit einer Elo-Zahl von 1829 in das Turnier gestartet ist. Nach sieben Runden lag Ricciardi mit 6 aus 7 an der Spitze des Feldes. Das ungewöhnlich starke Spiel und das seltsame Verhalten des Italieners weckte den Verdacht von Jean Coqueraut, der Internationaler Schiedsrichter ist und das Turniergeschehen beaufsichtigte.

Coqueraut hatte Ricciardi im Laufe des Turniers genau beobachtet und festgestellt, dass sich der Italiener verdächtig benahm. Ricciardi stand während der Partie nicht ein einziges Mal auf und versteckte eine Hand die ganze Zeit in seiner Achselhöhle. Wie Coqueraut der italienischen Zeitung La Stampa mitteilte, "blinzelte er auch auf höchst unnatürliche Weise". Der Schiedsrichter entschloss sich schließlich dazu, Ricciardi mit einem Metalldetektor zu untersuchen. Wie sich zeigte, hatte Ricciardi einen Anhänger um den Hals, in dem eine Minikamera versteckt war, die mit einem kleinen Kasten unter der Achselhöhle verbunden war.

Ricciardi behauptete, der Anhänger sei ein "Glücksbringer", aber die Organisatoren entschieden, ihn vom Turnier auszuschließen und alle seine Partien als verloren zu werten, da er während der Partie elektronische Hilfsmittel nutzte - und das verstieß gegen die Regeln. Die Organisatoren nahmen an, Ricciardi hätte die elektronischen Hilfsmittel genutzt, um Partiestellung und Züge an einen Helfer zu übermitteln. Der, so die Vermutung, hatte Zugang zu einem Schachcomputer und übermittelte die Vorschläge des Computers dann mit Hilfe von Morsezeichen wieder an Ricciardi. Für Schiedsrichter Coqueraut würde das auch die hektischen Augenbewegungen Ricciardis erklären: "Er hat versucht, Morsezeichen zu dekodieren."

Partieformular der Partie Passerotti vs Ricciardi

Arcangelo Ricciardis Partien der Runden 1 bis 6

 

Turnierseite...
Bericht bei der BBC...
Bericht im Telegraph


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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