Nach der gestrigen Runde tauschten sich Peter Leko und Hou Yifan bei Daniel King im mobilen ChessBase-Studio über ihre Partie aus, die die Chinesin als Führerin der schwarzen Steine mit der Russischen Verteidigung bestritten hatte. Vielleicht hatte sich Ruslan Ponomariov die Show angeschaut und wollte nicht wissen, ob Hou eventuell doch noch viel mehr weiß, als sie gestern vor der Kamera zuzugeben bereit war, vielleicht hatte der einstige FIDE-Weltmeister aber auch generell keine Lust auf die Russische Verteidigung. Jedenfalls ließ er die Chinesin mit 1.e4 e5 2.Lc4 Sf6 3.d3 ins Leere laufen. Nach ein paar Zügen stand die ehrwürdige Wiener Partie auf dem Brett. Die beiden wandelten noch einige Züge auf den Spuren einer Blitzpartie Kasparov-Caruana, aus dem letztjährigen Blitzturnier in St. Louis und gaben der Partie ab dem 8. Zug dann eine eigene Richtung. Nach frühem Damentausch ergab sich ein Doppelturmendspiel mit je einem Springer, das durch die beiderseitig entwertete Bauernstruktur seinen besonderen Charakter erhielt. Weiß verwaltete einen Tripelbauern auf der c-Linie, Schwarz einen isolierten Doppelbauern auf der f-Linie. Nach dem Übergang in ein reines Turmendspiel, danach in ein komplexes Bauernendspiel lagen die besseren Chancen bei Hou, doch sie fand keinen Weg zum Gewinn.
In seiner Partie gegen Harikrishna bekämpfte Noel Studer mit den schwarzen Steinen spielend den Inder mit dessen eigenen Waffen, der Klassischen Variante der Französischen Verteidigung. Harikrishna wählte in einer der Hauptvarianten mit dem Manöver 9.Sd1 gefolgt von 10.c3 einen derzeit modernen Weg zur Stabilisierung des weißen Bauernzentrums und folgte dann einer Partie, die Winshand Sean kürzlich gegen Studer beim Zalakaros Open gespielt hatte.
Pentala Harikrishna
Mit 13…Dxa6 statt 13…Txa6 wich der Schweizer von seiner eigenen Spielweise ab. Einen großen Unterschied macht das vermutlich nicht, denn Harikrishna hatte so oder so einen sehr energischen Plan vorbereitet, eingeleitet durch das Bauernopfer f4-f5, der ihm eine starke Initiative einbrachte:
The Classical French - Main Line
Nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3. Sc3 Sf6 4. e5 Sfd7 5. f4 c5 6. Sf3 Sc6 7. Le3 untersucht der Autor die Hauptvariante mit 7... a6 und b5, das mutige Vorgehen mit 7... cxd4 8. Sd4 Db6 und die ruhigeren Stellungen, die nach 7...cxd4 8. Sd4 Lc5 entstehen.
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Etienne Bacrot bekämpfte Alexander Morozevichs Sizilianische Verteidigung mit der Moskauer Variante (2…d6 3.Lb5), wonach ein paar Züge später eine Stellung mit typischer Maroczy-Struktur entstand. Mit e7-e6 und d6-d5 versuchte der russische Großmeister seine Stellung zu befreien, doch bald danach wurde sein eigener Königsspringer an den Rand gedrängt während die aktiven weißen Springer für reichlich Konfusion am schwarzen Königsflügel sorgten.
In der Partie zwischen David Navara und Peter Leko sahen die Zuschauer die Ragosin-Variante des Abgelehnten Damengambits. Der Tscheche hatte diese zuletzt beim Corus-Turnier 2016 gegen Wesley So auf dem Brett. Mit 9.Tc1 statt 9.Le2 wählte Navara hier gegen Leko eine andere Fortsetzung und erlangte nach der Eröffnung mit seinem Bauern-Vollzentrum einiges Übergewicht. Auch hier war es ein weißes Springerpaar, das in der gedrückten schwarzen Stellung einige Schäden anrichtete.
David Navara
Rafael Vaganjan hatte heute keinerlei Interesse an einem Theorieduell und wählte gegen Nico Georgiadis den Torre Angriff mit 1. d4 2. Sf3 und 3. Lg5 gegen schwarzes Königsfianchetto. Der Schweizer erreichte gegen die ambitionslose weiße Eröffnung allerdings bald sehr bequemes Spiel und war schließlich Chef im Ring. Den entscheidenden Unterschied machte ein schwarzer Freibauer auf der a-Linie, der sich für Weiß als sehr teuer erwies.
Ergebnisse der 4. Runde
Partien von Runde 1 bis 4
Stand nach vier Runden
Alle Fotos: Pascal Simon