Bilbao: Maschine hypnotisiert?

von ChessBase
22.11.2005 – Das kennt man aus vielen Partien zwischen Mensch und Maschine: Eigentlich steht die eine Seite mit dem Rücken zur Wand, doch dann passieren diese typischen menschlichen Fehler, die meist sogar zum Verlust führen. Gestern in Bilbao war es in der Partie zwischen Ponomariov und Fritz genau umgekehrt. Ponomariov war in großen Schwierigkeiten als die Maschine durch einen Horizonteffekt von zwei anscheinend guten Varianten diejenige wählte, die in Wirklichkeit zum Verlust führte und damit die Partie einpatzte. Die Maschinen werden eben immer menschlicher. Oder war Fritz doch von Ponomariov hypnotisiert, wie dieser glaubte? Mehr...

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Der zweite Tag der Mensch-Maschine-Mannschaftsweltmeisterschaft war aus menschlicher Sicht sehr erfreulich. Nach der vernichtend scheinenden und deprimierenden Auftaktniederlage der Runde Eins, als alle drei Partien zugunsten der Maschinen ausfielen, konnte die menschliche Spezies, bzw. deren ausgewählte Repräsentanten zurückschlagen.

Rustam Kasimdzhanov und Alexander Khalifman legten ihre Partien gegen Junior und Hydra sehr sachlich und ruhig an, wobe Kasimdzhanov der Theorie im Lb5-Sizilianer längere Zeit folgte, während Khalifman es vorzog, früh auf Nebenwege  Mit den weißen Steinen gelang es einigermaßen mühelos, die Partie auch nach der Eröffnung noch in ruhigen Fahrwassern zu halten und problemlos zum Remis zu kommen.

Ruslan Ponomariov ging gegen Fritz einen anderen Weg. Nach einem Damenausfall nach b3 hatte sein maschineller Gegner den Bauern auf b7 geopfert und dafür Entwicklungsvorsprung bekommen. Der frühere FIDE-Weltmeister konnte diesen zunächst neutralisieren, aber mit Hilfe des positionellen Zugeständnisses e6-e5-e4 verschaffte sich Fritz am Königsflügel großen Raumvorteil, den er zu einem Angriff nutzte, der besonders wegen einiger abseits stehender weißer Figuren gefährlich war. Im 31.Zug passierte Ponomariov dann ein seltenes Missgeschick, das eigentlich zum Partieverlust hätte führen müssen, stattdessen aber praktisch zufällig zum Gewinn führt.



"An dieser Stelle hat Ponomariov große Schwierigkeiten und nur wenige Züge. Nach 31.Db2 oder 31. Dd2 muss er mit 31...Sc4 rechnen. Nach dem Schlagen auf c4 wird der Doppelbauer auf der d-Linie aufgelöst, der Läufer auf d3 steht dort mitten im weißen Lager einzementiert. Auch g7-g5 liegt in der Luft, nach dem Schlagen auf d3 hat Schwarz Motive mit Se4 und Angriff auf f2 und c3." (Rainer Knaak) Mit 31.g4? hoffte er die Probleme durch Angriff auf die Dame zu lösen, wonach die schwarzen Steine auf d3 und d5 in Gefahr gerieten. Aus Bilbao wird berichtet, dass  Ponomariov übersehen hatte, dass Schwarz mit dem h-Bauern auf g3 e.p. nehmen kann. Er hatte den g-Bauern schon in der Hand, las er dieser Möglichkeit gewahr wurde, hatte dann aber keine Wahl mehr. Nach dem Nehmen auf g3 steht Weiß auf Verlust. In der Diagrammstellung folgte

31.g4? [31.Qb2!?] 31...hxg3 32.fxg3 g5 33.g4 Qh7 34.Nh5 [34.Nxd3 exd3 35.Qg2 Ne4-+] 34...Nxh5 35.gxh5 Qxh5-+ 36.Qh2 Qh4 37.Kg2 Rxc3 38.Rxc3 Rxc3 39.Qg3

Und nun hätte Schwarz mit dem einfachen 39...Qxg3+ 40.Kxg3 f5 ein überlegenes Endspiel mit Mehrbauer spielen können, das kaum zu halten sein wird. Die Zuschauer rechneten damit, dass Ponomariov bald aufgeben würde.

Die Stellung und der Zug 39...Dxg3 wird von Fritz 9 ebenfalls richtig beurteilt. Allerdings berechnet Fritz 9 auch den Zug 39...Lc2? zunächst als sehr positiv. In Bilbao spielt Fritz auf einem Notebook, dass zwar sehr kräftig ist, aber natürlich nicht die Geschwindigkeit eines schnellen Dualrechners hat. In dieser konkreten Situation wäre es aber nötig gewesen schneller und tiefer zur rechnen. Dann hätte Fritz gesehen, dass 39...Lc2? wegen des späteren Freibauerndurchbruchs zum Verlust führt, so lag die entscheidende Beurteilung jenseits des Rechenhorizonts.

Es gibt eben doch Glück im Schach und dieses war Ponomariov und mit ihm der menschlichen Rasse hold, die dadurch einen wichtigem Punkt in der intellektuellen Auseinandersetzung mit den eigenen maschinellen Geschöpfen holen konnte. Am Ende zählt nur der Sieg!

André Schulz


Zeitplan


So, 20. November
Ruslan Ponomariov vs Junior 0-1
Hydra vs Rustan Kasimdzhanov 1-0
Fritz vs Alexander Khalifman 1-0

Die Partien der ersten Runde...

Mo,21. November
Ruslan Ponomariov vs Fritz 1-0
Rustan Kasimdzhanov vs Junior 1/2
Alexander Khalifman vs Hydra 1/2

Die Partien der zweiten Runde...

Di, 22. November
Hydra vs Ruslan Ponomariov
Fritz vs Rustan Kasimdzhanov
Junior vs Alexander Khalifman

Mi, 23. November
Junior vs Ruslan Ponomariov
Rustan Kasimdzhanov vs Hydra
Alexander Khalifman vs Fritz


 


Drei FIDE-Weltmeister: Rustam Kasimdzhanov, Alexander Khalifman, Ruslan Ponomariov


Die entscheidende Partie: Ponomariov gegen Fritz. Als Bediener sitzt Programmierer Matthias feist am Tisch.


Ponomariov: Sein Fehler g2-g4? führte zum Sieg

Nach der Partie erzählte ein strahlender Ruslan Ponomariov, dass man ihm nachsage, seine menschlichen Gegner hypnotisieren zu können. "Dass dies auch bei Maschinen funktioniert, wusste ich bisher nicht."


Alexander Khalifman vs Hydra, bedient von Ulf Lorenz: ½-½


Rustam Kasimdzhanov vs Deep Junior: ½-½

 


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