ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
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Drei Bücher
Rezensionen von André Schulz
Viorel Bologan: Ausgewählte Partien
Gerade ist beim ChessGate-Verlag Viktor Bologans Buch "Ausgewählte Partie"
erschienen. Es handelt sich um eine deutsche Ausgabe des Buches, das in
englischer Sprache "Selected Games 1985-2004" heißt, ursprünglich aber
einmal in russischer Sprache erschienen war. Im Titel ist der zentrale
Inhalt bereis skizziert - eine Auswahl von Partien aus dem Schaffen des
Autors Viktor Bologan. Doch das Buch bietet mehr, eine Beschreibung eines
Schachlebens.
Aber vielleicht muss man es doch genau andersherum beschreiben: Das Buch ist eine
Autobiographie. Der Autor, der Zufall wollte es so, wurde ein Schachspieler,
sogar ein sehr erfolgreicher. So ist sein Lebensweg, Bologan ist allerdings
erst 38 Jahre alt, von Schachparten begleitet und einige von diesen hat er
in das Buch aufgenommen.
Man kann also so oder so sehen. Bologans Buch bietet beides: ein Lebensbild
und Schachpartien - beides sehr geistreich
vorgetragen und kommentiert.
Viktor Bologan ist in Deutschland schlagartig bekannt geworden, als er 2003
beim Dortmunder Sparkassen Chess Meeting mitspielte - und es gewann. Vor
Kramnik, Anand, Radjabov, Leko und Naiditsch. Zwei Jahre später erreichte er
die magische 2770-Elomarke. Zur Zeit liegt er etwas darunter. Er gehört
zwar nicht ganz zur absoluten Weltspitze, aber zum erweiterten Kreis und ist
für jeden Spieler ein gefährlicher Gegner. Sein momentaner
Platz in der dicht gedrängten FIDE-Ratinglist ist Rang 39.
Die
Partienauswahl beginnt in der Jugendzeit Bologans im Jahr 1985 und er hat
sie in der Tradition von Mikhail Botvinnik kommentiert. Nach den Anmerkungen zu den
kritischen Momenten, Varianten oder Zügen der Partie zieht Bologan ein
Fazit, in dem er noch einmal den Charakter der Partie zusammenfasst und versucht,
die Lehren dieser Partie zu formulieren. Bologan bietet hochklassige
Partien, die ihm etwas bedeutet haben. Sie sind treffend kommentiert und
bieten dem Nachspielenden für dessen schachliche
Weiterbildung einigen Stoff zum Nachdenken und Nachahmen.
Doch zwischen zwei Partien hat Bologan immer etwas erlebt und das erzählt er
mit viel augenzwinkerndem Humor. Mit einem gewissen Sinn für systematische
Gründlichkeit beginnt. Bologan das Buch mit einem Bericht von seiner
Geburt: "Das Kind ist tot! Rettet die Mutter!", sind die ersten Worte die
Klein-Viktor, der nach dem Willen der Mutter eigentlich Viorel heißt,
gehört, wenn auch wohl nicht verstanden hat. Und es sind auch die ersten
Worte im Buch. Der Zuruf war jedenfalls falsch.
Viktor hat vier Brüder, will Polizist werden und ist ein begnadeter
Fußballspieler. Dann bringt ihm der Vater Schach bei. Später studiert
Bologan in Moskau und wird am ersten Tag schon seine gesamte Habe los, als
er im Park gegen den Blitzkönig Arbakhov Vorgabepartien um Geld spielt. Von
allen Stationen gibt es etwas zu erzählen und Bologan - ein
gewissenhafter Beobachter - bringt die Dinge auf den Punkt. Der Leser
erfährt ganz nebenbei etwas über das Leben in
Moldawien und der Sowjetunion. Rumänien spielt eine wichtige Rolle, doch
eigentlich ist Bologan wie viele Schachprofis Kosmopolit. Ein Teil seiner
Heimat ist in der Welt verstreut, ein Teil liegt in Chisinau, wo er mit
seiner Frau, einer Balletttänzerin, und seinen beiden Kindern lebt, wenn er
nicht Schach spielt.
Dem "Schachtrainer aller Moldawier" Vjatcheslav Chebanenko ist Bologan ganz
besonders verbunden. Chebanenko war ein Spieler auf Meisterniveau, der sich
dann dem Training zuwandte. Alle moldawischen Großmeister durchliefen seine
Schule. Er hatte originelle Ideen und hielt seine Lektionen grundsätzlich
aus dem Gedächtnis - leider gibt es keine Aufzeichnungen. Eine seiner Ideen
ist heute eine der populärsten Verteidigungen gegen 1.d4 - das
Chebanenko-Slawisch mit 4..-a6. Eine andere das unaufgeforderte Schlagen
Lxc6 im Rossolimo-Spanier. Eine ähnlich Wendung bietet auch die Englische
Eröffnung.
Viktor Bologans Buch "Ausgewählte Partien" bietet von der ersten bis zur
letzten Seite großartigen Lesestoff und langweilt nie auch nur einen Moment.
Sei es, dass man die schönen Partien nachspielt oder die vielen Geschichten
zwischendurch liest, stets wird man bestens unterhalten und hat das Gefühl, noch etwas zu
lernen - über Varianten, über Personen, über Geschichte, über das Leben in
Moldawien oder anderswo.
Woher hat der Schachspieler aber das erzählerische Talent?
"Während meines ersten Kurses am Sportinstitut wandte ich mich an Sigurd
Lanka um Rat, wie das schriftstellerische Handwerk anzueignen sei. Nach
einer kurzen Pause antwortete der erfahrene Schachjournalist folgendes:
"Nun, hier gebe ich dir Kugelschreiber und Papier." "
Das Manuskript im russischen Original kenne ich nicht, so dass ich die Qualität der Übersetzung nur von der deutschen Ausgabe her beurteilen kann. Der Bologan'schen Sprachwitzes scheint dank der guten Arbeit der Übersetzer Thomas Lemaczyk und Dirk Poldauf bei der Übertragung ins Deutsche bewahrt worden zu sein.
Viorel Bologan: Ausgewählte Partien. Paperback, 237 Seiten. Nettetal 2009. ca. 25 Euro. Mit einem Vorwort von Gary Kasparov
Viorel Bologan: Ausgewählte Partien wurde vom Verlag Chessgate zur Verfügung gestellt.
Webseite von Viktor Bologan...
Victor Bologan: The Chebanenko Slav
Noch einmal Bologan, diesmal als reiner Fachautor eines Eröffnungswerkes.
Wie oben bemerkt, ist der moldawische Großmeister seinem Trainer Chebanenko
besonders verbunden. Leider starb dieser infolge einer Herzanfalls schon
1997 nur 35-jährig. Einer seiner tiefen Ideen war der Zug 4...a6 in der
Slawischen Verteidigung. Es kommt nicht häufig vor, dass jemand schon im
4...Zug eine ganz neue Variante entdeckt, aber das Chebanenko-System gilt
heute als absolut vollwertig und ist inzwischen schon eine der Hauptvarianten in
der Slawischen Verteidigung.
Nach 1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 spielt Schwarz 4...a6. Früher zog man
hier nur entweder 4..e6, wonach der Lc8 erst einmal nicht aus dem schwarzen
Häuschen heraus kann, entwickelte ihn gleich nach f5, wonach Schwarz mit Db3
rechnen muss oder spielte er erst einmal 4.dxc4. Während Weiß den Rückgewinn
des Bauern organisiert, schleicht sich der Läufer dann nach f5. Der Zug
4...a6 ist eine pfiffige Alternative. Erst einmal ist nun Weiß am Zug. Wie
soll er aber jetzt reagieren, Schwarz hat seinen Entwicklungsplan ja noch nicht
offen gelegt? Nach 5.e3 findet der Lc8 nun ein prima Feld auf g4. Und auf
gelegentliches Db3 kann der schwarze Damenturm jetzt die weiße Dame auch mal
von a7 aus auslachen.
Entwickelt wurde die Idee schon in den Achtziger Jahren des letzten
Jahrhunderts. Nachdem Bologan seinem Freund Shirov Anfang der Neunziger die
Idee seines Trainers zeigte und dieser sie mit Erfolg in seinen Partien
anwandte, wurde die Variante richtig populär.
Bologan gibt zu Anfang seiner ausführlichen Darstellung des Systems einen
kleinen historischen Abriss, in dem er u.a. auch andeutet, wie die Idee des
System evtl. entstanden sein könnte - es sollen hier nicht alle Geheimnisse
verraten werden, aber eine von Chebanenkos Schülerinnen mit schlechtem
Gedächtnis spielt eine Rolle.
Auf den folgenden etwa 240 Seiten werden alle Antworten und
Varianten zur Chebanenko-Variante dargestellt und erläutert. Bologan hat den
Komplex in fünf große Abschnitte unterteilt:
1. verschiedene Antworten, u.a. 5. cxd5,
2. die Varianten mit 5.a4 e6,
3. die Variante 5.Se5,
4. die Variante 5.e3 und
5. die Variante 5.c5.
In den Kapiteln werden die einzelnen Möglichkeiten für beide Seiten
systematisch vorgestellt und gründlich abgehandelt. Der Autor kennt diese Eröffnung
aus der eigenen Praxis aufs Genaueste und weiß sie aus eigener Erfahrung zu
beurteilen. Am Ende jeder Variante zieht Bologan
ein Fazit, das mit der Sicherheit des Spitzengroßmeister ausgesprochen
wird. Ganz nebenbei erfährt der weniger versierte Spieler sehr viel zur
Kunst der Stellungsbeurteilung, denn Bologan begründet sein abschließendes
Urteil im Detail.
Die Chebanenko-Variante in der Slawischen Verteidigung ist sehr gesund und
eine attraktive Möglichkeit für Schwarz als Antwort auf 1.d4. Auch ohne
große Theoriekenntnisse kann man hier überleben, aber wer sich tiefer in die
Materie einarbeiten will, findet mit Bologans The Chebanenko Slav
seine "Bibel" zum System.
Das Buch zeichnet sich zusätzlich durch einen Anhang mit
Testaufgaben, einen Variantenindex und einen Namensindex aus.
Victor Bologan: The Chebanenko Slav According to Bologan. Paperback, 240
Seiten, New in Chess Verlag, Alkmaar 2008, ca. 22 Euro. Mit einem Vorwort
von Alexey Shirov
David Vigorito: The Main-Line Slav, Paperback, 111 Seiten, Gambit Verlag, London, 2009, ca. 17 Euro
Die Bücher Victor Bologan: The Chebanenko Slav und David Vigorito: The
Main-Line Slav wurden von
Schach Niggeman
zur Verfügung gestellt.