30.01.2012 – Heute feiert Boris Spasski einen 75sten Geburtstag. Am 30. Januar 1937 in
Leningrad geboren, wurde sein großes Talent früh erkannt und gefördert. 1955
qualifizierte er sich erstmals für das Interzonenturnier und wurde im selben
Jahr Juniorenweltmeister. 1956 spielte er erstmals im Kandidatenturnier mit
(3.-7.Platz). Nach einigen Rückschlägen wurde Spasski durch Siege über Keres,
Geller und Tal 1966 Herausforderer von Weltmeister Petrosian, verlor den
WM-Kampf knapp mit 11,5:12,5. Im nächsten Zyklus konnte er 1969 Petrosian
bezwingen und wurde Weltmeister. Große Bekanntheit erreichte Spasski durch den
WM-Kampf gegen Bobby Fischer 1972 in Reykjavik. Dass dieser Wettkampf überhaupt
begonnen und zu Ende geführt werden konnte, ist auch ein Verdienst von Spasski
und seinem Sportsgeist. In den folgenden WM-Zyklen war Spasski ebenfalls aktiv
und scheiterte hier an Karpov oder Kortschnoj. Nach dem Verlust des WM-Titels
geriet Spasski in der UdSSR in Ungnade und setzte sich allmählich nach Frankreich ab,
als er sich durch den KGB bedroht fühlte. Zu Fischer pflegte Spasski ein
respektvolles, später sogar freundschaftliches Verhältnis, spielte 1992 noch das
"Revanche-Match" in Sveti Stefan und besuchte seinen Nachfolger später im Exil
in Reykjavik. Nach zwei Schlaganfällen geht es dem 10. Schachweltmeister derzeit
nicht so gut, seinen Humor hat er sich aber im aktuellen Interview mit Dagobert
Kohlmeyer bewahrt.
Artikel in der Märkischen Oderzeitung...Zum Interview...
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„Meine Lieblingsfigur ist
und bleibt die weiße Dame“ Interview mit Boris Spasski zum 75. Geburtstag
Von Dagobert Kohlmeyer
Der zehnte
Weltmeister der Schachgeschichte Boris Spasski begeht heute in Paris seinen 75.
Geburtstag. Er stammt aus Leningrad, durchlief die sowjetische Schachschule und
war 1955 Jugendweltmeister. Im Jahre 1969 eroberte Spasski in Moskau nach einem
12,5:10,5-Sieg über Tigran Petrosjan auch die Schachkrone bei den Erwachsenen.
Obwohl er den Titel nur drei Jahre behielt, gilt Boris Spasski als einer der
talentiertesten und besten Schachspieler aller Zeiten. Gerühmt wird sein
universeller Stil, mit dem er viele spektakuläre Siege errang. Absoluter
Höhepunkt in Spasskis Laufbahn war das dramatische WM-Duell der Giganten in
Reykjavik 1972, auch wenn er dort vom Amerikaner Bobby Fischer entthront wurde.
1976 verließ
Boris Spasski aus politischen Gründen die Sowjetunion und lebt seither mit
seiner französischen Frau Marina in Paris. Schachlich wurde es ruhiger um ihn,
dafür genoss der Bonvivant das Leben in vollen Zügen. In den 1980er Jahren
spielte Spasski in der 1. Schach-Bundesliga bei der SG Solingen. Er wollte sich
danach ganz aus den Turniersälen zurückziehen, doch 1992 kam es in
Restjugoslawien zu einem politisch äußerst umstrittenen Revanchematch gegen
Fischer, der nach seinem Sieg in Reykjavik zwanzig Jahre aus der Öffentlichkeit
verschwunden war. Der Schreiber dieser Zeilen zählt es zu seinen beruflichen
Highlights, Augenzeuge dieses denkwürdigen Duells zweier Schach-Giganten gewesen
zu sein, das an den Schauplätzen Sveti Stefan (Montenegro) und Belgrad
ausgetragen wurde. Auch bei der Neuauflage hieß der Sieger Bobby Fischer.
Der Amerikaner
ist im Januar 2008 im isländischen Exil mit nur 64 Jahren gestorben, zuvor hat
Boris Spasski seinen alten Weggefährten in Reykjavik, am Ort ihres
Jahrhundertmatchs, noch besucht. Trotz gesundheitlicher Probleme fühlt sich der
Wahlfranzose dem Schach noch immer sehr verbunden. Spasski musste in den
vergangenen Jahren zwei Schlaganfälle verkraften, ein monatelanger
Krankenhausaufenthalt bis Februar 2011 schloss sich an. Seine körperliche
Beweglichkeit ist eingeschränkt, er benutzt einen Rollstuhl. Den Optimismus,
seinen Humor und das Interesse am Schach hat Spasski jedoch nicht verloren,
erfuhren wir im Gespräch mit dem Jubilar.
Happy
birthday, Boris! Wie geht es dir?
Den Umständen
entsprechend gut. Der Schlaganfall hat nur eine Gehirnhälfte erwischt. Denken
und Sprechen funktionieren noch. Vor allem die Seite, die für Schach zuständig
ist, arbeitet nach wie vor zuverlässig (lacht).
Du bist
also guter Dinge?
So ist es. Ich
bin frisch geduscht und sitze in einem bequemen Sessel. Eine Frage: Kannst du
mir sagen, wann das Finale der Schach-WM in Moskau beginnt?
Am 10. Mai
soll es losgehen. Ich freue mich, dass du noch immer ganz interessiert am
Schachgeschehen bist.
Das tue ich. Wer
ist denn Hauptschiedsrichter des Matchs?
Ich weiß
nicht. Der Name wurde bislang noch nicht bekannt gegeben. Möchtest du im Mai
nach Moskau fliegen?
Gewiss, falls es
meine Gesundheit zulässt. Wenn sich kein Hauptschiedsrichter findet, würde ich
diese Aufgabe sehr gern übernehmen.
Das ist
dein feiner Humor, den die Schachwelt so liebt. Ein Boris Spasski lässt sich
nicht unterkriegen.
Ich bemühe mich
darum.
Wer ist
dein WM-Favorit: Vishy Anand oder Boris Gelfand?
Ich habe keinen
Favoriten. Mit Vorhersagen ist das so eine Sache. Ich spreche da aus eigener
Erfahrung, weil ich selbst einige WM-Matches gespielt habe. Nicht immer hat dort
der Favorit gewonnen. Anand und Gelfand werden das schon selbst unter sich
ausmachen. Ich würde sagen, es gibt zwei Favoriten.
Carlsen und
Aronjan liegen in der Weltrangliste vorn, Sie haben auch beim Turnier in Wijk
aan Zee den Ton angegeben. War es dir möglich, die Partien zu verfolgen?
Nicht alle konnte
ich mir anschauen, aber hin und wieder habe ich es getan. Irgendwann werden
Magnus und Levon wahrscheinlich um den WM-Titel spielen.
Welches war
früher deine Lieblingseröffnung?
Ich hatte keinen
speziellen Partieanfang. Sie sind mir eigentlich alle gleich lieb gewesen.
In der
Jugend hast du doch gern Königsgambit gespielt?
Nein, das stimmt
nicht ganz. Es passierte später. Ich fing damit erst an, als ich schon
Großmeister war. Denn in den Händen eines Großmeisters ist das Königsgambit eine
gefährlichere Waffe, als bei Schachspielern mit geringerer Qualifikation.
Da muss ich
sofort an deine berühmte Partie gegen David Bronstein aus dem Jahre 1960 denken.
Ja, das ist eine
meiner Lieblingspartien. Schön ist nicht nur dieses Spiel, sondern auch die
damit verbundene Geschichte. Bronstein spielte doch bekanntlich selbst sehr gern
Königsgambit. Und dass ich gegen ihn einen ganzen Turm opferte, hat ihm
überhaupt nicht gefallen. Ich habe ihn also damals mit der Bronsteinschen Waffe
geschlagen. Es hat ihn ganz schön gewurmt.
Spasski-Bronstein, Leningrad 1960
James Bond Version aus "From Russia with Love"
Kronsteen - McAdams
Welches ist deine Lieblingsfigur auf dem Brett?
Das ist und
bleibt die weiße Dame.
Mit welchen
großen Schachspielern warst du befreundet?
Meine engsten
Freunde waren Anderssen, Morphy, Tschigorin, Capablanca und Aljechin, auch wenn
ich sie nie getroffen habe (lacht). Spaß beiseite: Von meiner Generation waren
es Mischa Tal und Bobby Fischer. Tal habe ich sehr gemocht, ich schätze ihn bis
heute. Und auch an Bobby muss ich täglich denken.
Was war
Fischers stärkster Charakterzug?
Im Unterschied
zum genialen Michail Tal war Bobby Fischer vor allem ein harter Kämpfer. Er
hatte diesen unbedingten Siegeswillen und deshalb auch so große Erfolge. Im
praktischen Leben war Bobby jedoch überhaupt kein Kämpfer. Da ging ihm sehr viel
daneben. Fischer machte nie Kompromisse - im Schach nicht und auch nicht im
Leben.
Du wolltest
dein eigenes Leben und deine Karriere aufschreiben. Wie weit bist du damit?
Ich arbeite noch
immer an meinen Memoiren. Das Buch soll „Mein Schachweg“ heißen. Man könnte
vielleicht auch einen Film mit dem Titel „Spasski - 10. Schachweltmeister“
drehen. Ich suche Sponsoren dafür. Aber sie ziehen sich jetzt alle wegen der
Krise zurück. Man muss die verdammte Krise erstmal am Schwanz zu fassen
bekommen.
Russland
ist auch von der Krise betroffen. Du hast dich immer für Politik interessiert
und offen deine Meinung gesagt. Was hältst du von Wladimir Putin?
Der Mann ist bei
den Menschen nicht beliebt. Viele Leute demonstrieren jetzt gegen ihn. Sie
wissen genau, wer Putin ist und wie er sein Amt ausübt. Deshalb wird er niemals
populär sein.
In Sofia 2008
Wird Putin
an der Macht bleiben?
Er wird sich wohl
halten wie früher die Bolschewiki. Aber nur durch seine Macht und mit viel Geld.
Putin ist wahrscheinlich der reichste Mann in ganz Russland. Das Geld ist nötig
zur Machterhaltung, doch die Menschen lieben ihn nicht.
Du wohnst
am Rande von Paris. Bekommst du Besuch von Schachspielern, die dort leben?
Hin und wieder
schaut jemand vorbei. Doch der wichtigste Schachmeister, der mich besucht, das
bin ich selbst.
Wladimir
Kramnik könnte doch mal kommen. Er spielte nicht in Wijk aan Zee und hätte Zeit
für einen Besuch. Du warst ja vor ein paar Jahren auch zu seiner Hochzeit.
Das stimmt, aber
in meiner Verfassung kann ich ihn schlecht bewirten. Und Wladimir hat sicher
anderes zu tun, bereitet sich auf die nächsten Turniere vor. Er will vielleicht
nochmal nach der Schachkrone greifen.
In Moskau
veranstaltet Jewgeni Wasjukow, wie er mir sagte, im Februar ein Turnier von
Schachveteranen und Nachwuchsspielern. Es ist dir und Juri Awerbach gewidmet,
der 90 Jahre alt wird.
Das ist mir sehr
angenehm. Ich weiß, dass die Leute in Russland mich noch nicht vergessen haben.
Es freut mich. Wenn ich sterbe, kann das ganze sozialistische Schach-Kollektiv
zu meiner Beerdigung kommen.
Lass diese
Scherze, Boris! Dafür ist es noch entschieden zu früh. Im Namen der deutschen
Schachspieler wünsche ich dir zum Jubiläum alles Gute!
Danke sehr! Ich
gebe mir Mühe, durchzuhalten und meinen Weg weiter zu gehen. Ich schreibe,
arbeite mit dem Computer, mein Umfeld kümmert sich um mich. Vielleicht sehen
wir uns im Mai zum WM-Finale in Moskau…
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