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Am Dienstag, dem 30. Januar, feiert Boris Spasski in Paris seinen 70. Geburtstag. Der zehnte Weltmeister stammt aus Leningrad und lebt seit über drei Jahrzehnten in Frankreich. In seiner Kindheit und Jugend, die durch den zweiten Weltkrieg sowie dessen Folgen geprägt waren, lernte Spasski Not und Entbehrungen kennen. Die schweren Lebensumstände förderten nach den Worten des Moskauer Schachhistorikers Isaak Linder Boris' Hinwendung zum Schach, "denn hier eröffnete sich ihm eine ganz andere, fröhliche und interessante Welt".
1955 beginnt Boris Spasskis internationale Traumkarriere: In Antwerpen wird er Juniorenweltmeister mit 8 Punkten aus neun Partien. Kurz darauf qualifiziert er sich beim Interzonenturnier von Göteborg für das WM-Kandidatenturnier.
Beim Interzonenturnier 1964 teilt Spasski den 1.-4. Platz und schaltet in den Kandidatenkämpfen hintereinander Paul Keres, Jefim Geller und Michail Tal aus. Sein erstes WM-Match gegen Tigran Petrosjan verliert er nur knapp mit 11,5:12,5 (+3,- 4, =17). Drei Jahre später hat Boris Spasski mehr Erfolg. 1969 wird er nach einem 12,5:10,5 - Sieg (+6, - 4, =13) über Petrosjan zehnter Schachweltmeister.
Spektakulärer Höhepunkt in Spasskis Laufbahn ist das WM-Duell der Giganten in Reykjavik 1972, in dem er von Bobby Fischer mit 12,5:8,5 entthront wird.
Der Amerikaner behält in dem Nervenkrieg die größere Übersicht, ist eröffnungstheoretisch bestes vorbereitet und in bestechender Form. Zum psychologischen Rucksack für Spasski wird auch, dass er vor Reykjavik gegen Fischer ein Score von plus 3 hat.
Der entthronte Champion nimmt im nächsten WM-Zyklus wieder Anlauf und unterliegt dort im Kandidaten-Halbfinale 1974 dem jungen Anatoli Karpow.
leningrad 1974
1976 verlässt Boris Spasski aus politischen Gründen die Sowjetunion und lebt seither mit seiner französischen Frau Marina in Paris. Schachlich wird es ruhiger um ihn, dafür genießt der Bonvivant das Leben in vollen Zügen.
In den 80er Jahren spielt Spasski in der Schach-Bundesliga bei der SG Solingen. Er will sich danach ganz aus den Turniersälen zurückziehen, da kommt es 1992 in Restjugoslawien zum Revanchematch gegen Fischer, der nach Reykjavik zwanzig Jahre von der Bildfläche verschwunden war.
Heute spielt Spasski kein Wettkampfschach mehr, erhält aber noch viele Einladungen zu Vorträgen und Simultanspielen, wie vor einer guten Woche in Bonn. Im Herbst 2006 erlitt er in San Francisco einen leichten Schlaganfall. Wir erkundigten uns beim Jubilar nach dem Befinden und seinen aktuellen Plänen.
„Beeil dich, wir leben nicht ewig!“
Hallo Boris, wie geht es dir?
Von meinem Schlaganfall in Amerika habe ich mich erholt. Zum Glück wurde ich danach in Paris erfolgreich operiert. Sie haben mir sehr geholfen.
Du bist nicht mehr in den Händen der Ärzte?
Nein, Gott sei dank nicht. Aber vor kurzem passierte mir ein neues Malheur. Wir waren in den Bergen, und dort bin ich gestürzt. Ein Bein ist seither etwas lädiert. Ich hoffe nur, dass meine Pechsträhne jetzt zu Ende ist.
Wie begehst du dein Jubiläum?
Ich habe nicht vor, es groß zu feiern. Ich spüre schon das Alter und laufe am liebsten vor solchen Ereignissen davon. Am besten ist es wohl, ich ergreife die Flucht und begebe mich wie ein Wolf in den Wald.
Nicht doch. - Was ist im Moment die Hauptbeschäftigung des Schach-Pensionärs Boris Spasski?
Ich arbeite an meinen Memoiren. Schwierig ist, dass ich keinen Ghostwriter habe und alles allein mache. Am besten wäre es, alles auf ein Videoband aufzunehmen, damit ich nichts vergesse. Leider hilft mir keiner dabei.
Eines deiner Vorbilder ist der frühere Schachweltmeister Alexander Aljechin. Beschäftigst du dich noch heute mit ihm?
Über ihn schreibe ich auch etwas. Mich interessieren vor allem die Umstände seines Todes. Ich habe einen alten Mann getroffen, der seinerzeit von der Polizei in Portugal beauftragt wurde, die Leiche des Schachweltmeisters zu öffnen. Denn Aljechin ist nicht in dem besagten Hotel in Estoril gestorben. Diese Geschichte stimmt nicht. Das soll, wie gemunkelt wird, alles ausgedacht sein.
Es gibt verschiedene Theorien über Aljechins Tod. Wie ist deine?
Ich denke, auf ihn wurde wahrscheinlich ein Doppelanschlag verübt. Beim ersten Mal erhielt er Gift. Dann lief er auf die Straße, um Hilfe zu holen. Vielleicht wollte er auch in eine Apotheke. Und draußen hat man ihn dann getötet.
Wie kam man dahinter?
Durch Antonio Peirera, der damals die Sterbeurkunde unterzeichnete. Er war seinerzeit sehr jung, aber am Ende seines Lebens sagte er, dass man Druck auf ihn ausgeübt habe. Und deshalb musste er das Protokoll unterschreiben.
Wer kann ein Interesse daran gehabt haben, Aljechin umzubringen?
Nach dem Kriege war Portugal zwar neutral, aber durch das Land strömten damals viele Leute, nicht nur aus Deutschland. Und deshalb ist das durchaus möglich gewesen. Alle Geheimdienste arbeiteten dort. Aljechin stand sicher auf ihrer Liste. Er war ja geächtet. In Schachkreisen galt er offiziell als Kriegsverbrecher. Fast so schlimm wie Saddam Hussein. (Aljechin hatte während des 3. Reichs in Deutschland Turniere gespielt und einen diskriminierenden Artikel über die Juden geschrieben – der Autor)
Aljechin ging aus Deutschland im Herbst 1943 weg. Und er war krank, bettelarm. Niemand hat ihn beschützt. Es kostete überhaupt nichts, ihn umzubringen. Das war für diese Banditen sehr leicht.
Hast du Kontakt mit Aljechins Sohn Alexander, der in Basel lebt?
Wir haben uns öfter getroffen, auch in Paris. Jetzt ist die Verbindung etwas eingeschlafen. Ich werde ihn anrufen.
Aljechins Grab befindet sich in Paris. Gehst du oft hin?
Ab und zu bin ich dort, um ihn zu ehren. Er ist für mich einer der größten Weltmeister.
Ich war im Mai 2006 in Paris auch auf dem Friedhof und hatte ursprünglich vor, dich vorher anzurufen, ob du mitkommst. Aber ich wollte dich nicht stören und ging mit Christophe Bouton hin…
Ruf das nächste Mal ruhig an, wenn du in Paris bist. Mit solchen Dingen muss man sich immer beeilen, denn wir leben nicht ewig.
Du sagst es. Noch immer nimmst du großen Anteil am internationalen Schachgeschehen. Wohin geht die Schachwelt?
Mich solltest du das lieber nicht fragen. Wer weiß das schon? In den 90er Jahren habe ich dir darauf geantwortet: „Die Schachwelt trifft sich auf dem Bahnhof“. Ich spielte damals bei einem Openturnier in Metz. Es fand in der Bahnhofshalle statt. Heute sehe ich mich veranlasst zu antworten: Schach ist auf der Toilette gelandet.
Du spielst auf das WM-Match in Elista an.
Ja natürlich. Die ganze Welt interessierte sich auf einmal für Kramniks Waschraum und nicht für Schach. Das ist mehr als bedauerlich. Das ganze Match hatte etwas Merkwürdiges an sich?
Was meinst du genau damit?
Jedes WM-Match hat sein Geheimnis. Auch das Duell in Elista. Topalow hat sich am Anfang nicht beklagt, dass Kramnik häufig auf die Toilette musste. Plötzlich eskalierte es. Wegen einer solchen Sache! Der Konflikt zwischen Kortschnoi und mir beim Kandidatenfinale 1977-78 war ernster.
Was passierte damals in Belgrad?
Kortschnoi hat nicht verstanden, dass ich aufstand und vom Brett wegging, auch wenn ich am Zug war. Der visuelle Druck war dort für mich zu groß, und ich setzte mich auf der Bühne in eine Ecke. Von dort schaute ich auf das Demonstrationsbrett und hatte die Stellung immer im Blick.
War das ein Bluff?
Nein, ich wollte Kortschnoi auch nicht stören. Er protestierte offiziell, FIDE-Präsident Euwe kam, und jeden Tag hatten wir Zusammenstöße. Das war richtig ernst. Aber in Kalmückien? Sie hatten doch die Spielbedingungen vorher vertraglich vereinbart. Und dass ein Kabel in der Wand gefunden wurde, sagt noch gar nichts. Durch jede Wand laufen Leitungen.
Die Bulgaren lagen hinten und wollten Kramnik beeinflussen, deshalb sicher das Störmanöver…
Ja. Doch wenn sie davon sprachen, dass Kramnik dort unzulässige Hilfe in Anspruch nahm, warum hat er dann in der zweiten Partie ein dreizügiges Matt übersehen? Das wäre aber eine sehr schlechte Hilfe gewesen! In ihrem Protest lag keinerlei Logik.
Viele Dinge kann man derzeit im Spitzenschach nicht erklären. Es ist auch schwer verständlich, dass Wladimir in Bonn das einzügige Matt gegen Fritz übersehen hat…
Hm. Der Computer sieht so etwas natürlich leicht.
Verdient das Schachprogramm Deep Fritz jetzt den Schach Oscar?
Weil es Kramnik geschlagen hat? Ich weiß nicht. Vielleicht war Fritz auch auf der Toilette?!
Du hast deinen Humor immer noch bewahrt, das gefällt mir. Welche Pläne gibt es für 2007? Existiert deine Schachschule im Ural noch?
Ja. Ich arbeitete dort bisher mit Jewgeni Sweschnikow zusammen. Wir hatten immer zwei Sessionen pro Jahr. Im Sommer und im Winter. Jetzt konnte ich aber wegen meines Handicaps mit dem Bein nicht fahren. Für den Sommer habe ich es mir fest vorgenommen.
Was macht Bobby Fischer? Ich hörte vor einiger Zeit davon, dass er evtl. gegen Karpow spielen soll. Aber daraus wird doch nichts - oder?
Ich weiß nichts davon. Ich glaube kaum, dass Bobby gegen ihn antreten wird.
Und noch einmal gegen dich?
Das ist eher wahrscheinlich. Wenn er Sponsoren findet und mich anruft, dann bin ich natürlich mit einem dritten Match einverstanden. Du weißt, dass ich immer gegen ihn spielen würde.
Hast du Bobby in Island besucht, nachdem er dort Asyl fand?
Ja, natürlich. Wir haben uns mehrmals getroffen.
Wie war es?
Das ist Top Secret. Ich bin nicht bei ihm gewesen, sondern er hat mich zum Treffen abgeholt. Wie dir bekannt ist, mag er es nicht, wenn man ihm zu nahe kommt. Er will nicht, dass seine Freunde in der Öffentlichkeit etwas über ihn erzählen. Damit hat er, so finde ich, absolut Recht.
Du hast bei Solingen zehn Jahre in der Schach-Bundesliga gespielt. Welche Erinnerungen gibt es?
Nur sehr gute. Ich muss vor allem Egon Evertz und Herbert Scheidt danken. In der ganzen Zeit gab es keinerlei Probleme. Ich erinnere mich gern an Deutschland, an die SG Solingen und die ganze Mannschaft.
2008 wird die Schacholympiade in Dresden sein. Dein Kommentar dazu?
Spasski (li) und Wasjukow (re)
Das wird sicher eine großartige Veranstaltung. Ich hoffe, dass man mich einlädt. Seit der Olympiade 1996 in Jerewan habe ich keine Einladung mehr erhalten. Die Organisatoren vergessen die Schachveteranen einfach. Man sollte auch Bobby Fischer einladen. Aber dann dürfen sie nicht die Bodyguards vergessen!
Fischer würde doch nicht kommen!?
Egal, aber man kann ihn aus Höflichkeit einladen. Weil er einer der größten Schachspieler des 20. Jahrhunderts ist, der noch lebt. Wie kann man ihn da vergessen?
Boris, ich wünsche dir zu deinem Jubiläum vor allem gute Gesundheit!
Danke, das machst du richtig!
Damit du das Jubiläum in einer guten Verfassung feiern kannst!
Ich möchte, wie gesagt, meinen 70. Geburtstag im Wald begehen. Wie ein einsamer Wolf.
So wie Bobby Fischer?
Ja, wie er.
Warum machst du solche Scherze? Du bist doch nicht allein, hast eine großartige Frau!
Das stimmt. Bobby hat jetzt auch eine gute Frau: Mioko Watai.
Lebt sie ständig bei ihm oder in Japan?
Wo ist der Unterschied? Frauen können einem auch aus der Ferne Gutes tun. Wichtig ist es, jemanden zu haben, der ein guter Freund und in der Not für einen da ist.
Namhafte Großmeister und Trainer über Boris Spasski
Gennadi Sosonko (Niederlande):
Der aus Leningrad stammende Großmeister lebt seit 1972 in Holland und kennt Spasski von Kindesbeinen an. Seine Erinnerungen an den 10. Schachweltmeister reichen weit zurück. Beim gerade beendeten Corus Turnier sprachen wir mit Sosonko.
Wann habt ihr euch zum ersten Mal getroffen?
Vor über fünfzig Jahren! Zu Hause bei mir hängt ein Foto. Es stammt aus dem Jahre 1956 und ist auch auf dem Umschlag meines Buchs „Russian Silhouettes“ zu sehen. Dort gibt der 19-jährige Spasski eine Simultanvorstellung im Leningrader Pionierpalast. Ich sitze ihm gegenüber und bin 13 Jahre alt. Daran erinnere ich mich noch wie heute. Es war ein Königsgambit, und ich erreichte ein Remis. Ich hatte sogar etwas Vorteil, aber bot das Unentschieden an. Leider hat mich diese Angewohnheit, Remis in besserer Stellung anzubieten, in meiner ganzen Schachkarriere begleitet.
Wie wirkte Spasski damals auf dich?
Ich bewunderte ihn natürlich. Boris war damals ein gut aussehender junger Mann, Jugendweltmeister, und er spielte schon im WM-Kandidatenturnier.
Und später? Du bist ja einer der ersten sowjetischen Schach-Emigranten nach dem 2. Weltkrieg gewesen?
Ja, so ist es. Genauer kennen gelernt habe ich Boris erst hier im Westen. Ich lebe seit 1972 in Holland, er seit 1976 in Frankreich. Im Jahre 1973 spielten wir beide zum ersten Mal im IBM-Turnier in Amsterdam. Danach trafen wir uns häufig am Brett.
Was war charakteristisch für Spasskis Stil?
Er spielte zu seiner Glanzzeit mit viel Feuer und Leidenschaft. Diejenigen, die ihn erst danach kennen lernten, werden sich vielleicht darüber wundern, aber er war früher in der Tat ein großer Kämpfer. Natürlich kann man mit dieser Intensität nicht lange spielen.
Aber er war nicht der fleißigste Schachmeister.
Spasski war ein bemerkenswerter Schachspieler. Sicher etwas faul, das hat er nie abgestritten. Doch seine Trainer trieben ihn zur Arbeit. Vor allem Tolusch und Bondarewski. Als er mit ihnen arbeitete, hatte er Erfolg. Von Natur aus aber war er ein bequemer Mensch.
Ihr telefoniert noch heute miteinander. Was sagst du ihn zu seinem Geburtstag?
Ich wünsche ihm alles Gute, vor allem Gesundheit. Das ist es, was er im Moment am meisten braucht. In erster Linie soll es ihm gut gehen und er soll zur Ruhe kommen. 70 Jahre ist kein zartes Alter, und nur die Kräftigsten werden 80 oder älter. Etwas Besseres kann man ihm nicht wünschen.
Jan Timman (Niederlande):
Boris ist ein guter Freund von mir. Er war ein ganz großer Weltmeister mit phantastischem Stellungsgefühl. Spasski konnte am Brett wirklich alles und gehört zu den Champions, die meiner Meinung nach unterschätzt sind. Nicht immer ging es ihm gut. Ich bin sehr froh darüber, dass er heute sehr gute Lebensverhältnisse hat.
Peter Leko (Ungarn):
Ich habe Spasski selten gesehen und nur einmal mit ihm gespielt: 1995 bei einer Vorrunde des Europacups in Linz. Die Partie endete ganz schnell remis.
Boris Spasski hat sehr viel für das Schach getan. Er gehörte sicher nicht zu den Fleißigsten, aber was er geleistet hat, das war genial. Sein WM-Kampf gegen Bobby Fischer 1972 in Reykjavik war einer der wichtigsten überhaupt. Damit hat Spasski Schachgeschichte geschrieben.
IM und Schachtrainer Anatoli Bychowski (Russland):
Wir kennen uns seit der Kindheit. Boris war ein genialer Spieler mit klassischem, glasklarem Schachstil. Ich finde, dass die Partien von ihm genau wie die von Smyslow lehrreicher und instruktiver sind als die von Karpow oder Kasparow. Schade, dass Spasski bisher noch kein Buch geschrieben hat. Nach seiner aktiven Zeit hätte er jetzt Gelegenheit dazu.
Arschak Petrosjan (Armenien):
Ich schätze mich glücklich, 1986 bei einem internationalen Turnier in Sarajevo gegen ihn remis gespielt zu haben. Spasski ist ein sehr angenehmer Mensch, der auf mich großen Eindruck machte. Als Schachspieler war er universell. In seinen besten Jahren beherrschte er alle Aspekte des Kampfes. Hätte er mehr getan, wäre er sicher länger an der Spitze geblieben. Es ist auch immer interessant, mit Spasski Gedanken auszutauschen.
Boris Gelfand (Israel):
Er ist ein großartiger Mensch. Ich kenne Spasski nicht sehr gut, bin aber glücklich, eine Partie gegen ihn gespielt zu haben. Das war 1990 in Linares. Ich gewann, doch das ist nicht so wichtig. Entscheidend war, dass ich einmal gegen ihn antreten durfte. Gegen Michail Tal war mir das leider nicht vergönnt. Boris Spasski ist ein großer Schachspieler und interessanter Mensch.
Dmitri Jakowenko (Vizemeister Russlands):
Über seine Person kann ich nur wenig sagen, weil er so viel älter als ich ist. Bei einer Begegnung merkte ich, wie sehr Boris Spasski es liebt zu scherzen. Als Weltmeister war er unglaublich stark. Er spürte die Initiative auf dem Brett sehr gut und opferte immer richtig. Ich habe mir die Spiele seines 1972er Matchs gegen Bobby Fischer angesehen und auch seine phantastische Partie gegen Fischer bei der Schacholympiade 1970. Schade, dass sie in Reykjavik nicht ein Jahr früher gespielt haben, als Spasski noch stärker war. Gern würde ich so spielen können wie er.
Igor Stohl (Slowakei):
Igotr Stohl (re) mit seinem derzeitigen Schützling Navara
Er war der erste ganz universelle Weltmeister. Petrosjan spielte vorwiegend positionell, Tal war der Zauberer auf dem Brett. Botwinnik hat immer von sich gesagt, als Kombinationsspieler sei er schwächer, obwohl das nicht ganz stimmt. Aber Spasski hat das alles in sich vereint. In seinen besten Jahren spielte er unglaublich stark. Ich habe zu Hause eine zweiteilige Biographie über ihn in Russisch bekommen. Sie war sehr interessant, und ich habe sie von vorn bis hinten durchgelesen.
Wir zeigen eine der spektakulärsten Partien Spasskis. Sie wurde vor 37 Jahren in Belgrad beim "Match des Jahrhunderts" zwischen der Sowjetunion und dem Rest der Welt gespielt. Am ersten Brett prüfte Boris als amtierender Weltmeister den damals stärksten Spieler Westeuropas, Bent Larsen. Mit den schwarzen Steinen brachte er dem Dänen eine vernichtende Niederlage bei. In nur 17 Zügen! Die Miniatur ging in die Schachliteratur ein.
Larsen - Spasski
Belgrad 1970
1.b3 e5 2.Lb2 Sc6 3.c4 Sf6 4.Sf3 e4 5.Sd4 Lc5 6.Sxc6 dxc6 7.e3 Lf5 8.Dc2 De7 9.Le2 0-0-0 10.f4?
Weiß ist in der Entwicklung zurückgeblieben. Er hat auch noch nicht rochiert. Sein Gegner kontrolliert das Feld d3, und der eigene Bauer auf d2 behindert das Zusammenwirken der weißen Figuren auf beiden Flügeln. Spasski geht jetzt zur Attacke über.
10...Sg4! 11.g3 h5
Dieser Bauer wird zum Helden der Partie.
12.h3 h4!
Schwarz opfert seinen Springer und öffnet die h-Linie für den Turm.
13.hxg4 hxg3 14.Tg1 Th1! (geniales Turmopfer!)
15.Txh1 g2 16.Tf1 Dh4+ 17.Kd1 gxf1D+ 0-1
Hier hatte Larsen genug und stellte die Uhr ab. Das Matt nach 18. Lxf1 Lxg4+
19. Le2 Dh1# oder 19. Kc1 De1+ usw. wollte er nicht mehr sehen.