Chinesischer Drache gewinnt Canadian Open
Von Peter Hum
Vor etwa zwei Wochen war eine gewisse Susan Polgar in Ottawa, der Hauptstadt
von Kanada, um als Ehrenvorsitzende über die Kanadischen Jugendmeisterschaften
2007 zu walten. Beim Abendessen kam das Gespräch auf die bevorstehenden offenen
kanadischen Meisterschaften, ein zehnrundiges Turnier, an dem mehr als 20 Großmeister
teilnehmen würden, darunter fünf mit einer Elo-Zahl von mehr als 2650: GM Bu
Xiangzhi aus China, GM Nigel Short aus Großbritannien, GM Vadim Milov aus der
Schweiz, GM Kamil Miton aus Polen und GM Sergey Tiviakov aus den Niederlanden.
Wer war Polgars Turnierfavorit? Ihre Antwort war kurz und knapp: Bu.
Wie sich zeigt, hatte sie Recht. Obwohl sich nach neun Runden vier GMs - Bu,
Milov, Miton und Sandipan Chanda aus Indien - mit je 7/9 den ersten Platz teilten, gelang es Bu in der zehnten Runde mit Schwarz gegen
Milov zu gewinnen, während Miton und Chanda Remis spielten. Short gewann seine
Partie in der letzten Runde, aber landete zusammen mit Miton, Chanda, dem russischen
GM GM Bator Sambuev und dem Kanadier IM Thomas Krnan einen halben Punkt hinter
Bu.
Schlussstand (6,5/10 oder mehr)
# |
Name |
Rtng |
Total |
1 |
GM Xiangzhi Bu |
2685 |
8.0 |
2 |
GM Nigel D. Short |
2683 |
7.5 |
3 |
GM Kamil Miton |
2648 |
7.5 |
4 |
GM Chanda Sandipan |
2563 |
7.5 |
5 |
IM Tomas Krnan |
2492 |
7.5 |
6 |
GM Bator Sambuev |
2482 |
7.5 |
7 |
GM Vadim Milov |
2678 |
7.0 |
8 |
GM Sergey Tiviakov |
2648 |
7.0 |
9 |
GM Andrey V. Rychagov |
2557 |
7.0 |
10 |
GM Mark Bluvshtein |
2520 |
7.0 |
11 |
GM Abhijit Kunte |
2519 |
7.0 |
12 |
GM Alex Yermolinsky |
2517 |
7.0 |
13 |
FM Anton Kovalyov |
2510 |
7.0 |
14 |
GM Hoang Thong Tu |
2483 |
7.0 |
15 |
GM Frank De La Paz Perdomo |
2452 |
7.0 |
16 |
IM Thomas Roussel-Roozmon |
2414 |
7.0 |
17 |
IM Alexander Reprintsev |
2410 |
7.0 |
18 |
IM Leonid Gerzhoy |
2409 |
7.0 |
19 |
FM Joe Bradford |
2406 |
7.0 |
20 |
FM Daniel Rensch |
2400 |
7.0 |
21 |
FM Jonathan Tayar |
2271 |
7.0 |
22 |
GM Victor Mikhalevski |
2601 |
6.5 |
23 |
GM Suat Atalik |
2564 |
6.5 |
24 |
GM Anton Shomoev |
2561 |
6.5 |
25 |
GM Valeriy Aveskulov |
2539 |
6.5 |
26 |
GM David Howell |
2519 |
6.5 |
27 |
GM Tomas Likavsky |
2494 |
6.5 |
28 |
IM Tom O'Donnell |
2427 |
6.5 |
29 |
FM Shiyam Thavandiran |
2337 |
6.5 |
30 |
GM Arkady Vul |
2312 |
6.5 |
31 |
Michael Barron |
2305 |
6.5 |
32 |
Sebastian Predescu |
2277 |
6.5 |
33 |
Bindi Cheng |
2238 |
6.5 |
34 |
Josh Guo |
2212 |
6.5 |
35 |
Karoly Szalay |
2174 |
6.5
|

GM Bu bekommt die Trophäe von Hal Bond, dem Präsidenten des kanadischen Schachverbands,
überreicht
Bus Erfolg, der ihm den ersten Preis von $5,000 CAD einbrachte, war vollauf
verdient. Er gewann seine Schlüsselpartien gegen GM Suat Atalik, der nach sieben
Runden in Führung lag, und gegen Milov in der letzten Runde. Vor allem demonstrierte
Bu eine unglaubliche Meisterschaft im Slawen, mit dem er mit Schwarz gegen die
Großmeister Arkady Vul, Sipke Ernst und Milov gewann, während er mit Weiß Ataliks
Slawen schlug und mit der gleichen Variante dann gegen Miton Remis spielte.
Bu, gerade einmal 21 Jahre alt, übte sich nach seinem Erfolg in Bescheidenheit
und meinte, dass er, obwohl an Nummer Eins gesetzt, sich vor dem Turnier lediglich
vorgenommen hatte, jede Partie so gut zu spielen, wie er konnte, ohne über den
Gewinn des Meistertitels nachzudenken. Er erklärte, dass jede Partie intensive
Anstrengung verlangt hätte und der Sieg in der letzten Runde gegen Milov besonders
kräftezehrend war. Gefragt, ob er wieder in Kanada spielen möchte, antwortete
Bu ohne zu zögern "Natürlich!"
Super-GM im Gästezimmer
Wie GM Bu überhaupt dazu kam in Ottawa zu spielen, ist eine ganz eigene Geschichte.
In Ottawa unterhalten ein paar junge Schachspieler, deren Eltern aus China kommen,
enge Verbindungen zum Chinesischen Schachverband und haben letzten Sommer sogar
in Peking trainiert. Wegen dieser Verbindungen und der Hartnäckigkeit der Schachmutter
Lianhua He gab der Chinesische Schachverband Bu den Segen, in Ottawa zu spielen.
Doch der Papierkrieg um Pass und Visum führte dazu, dass Bus Teilnahme erst
Ende Juni bestätigt wurde, nur Tage vor Beginn des Canadian Open 2007. Als die
Juli-Eloliste veröffentlicht wurde, war Bus Rating auf 2685 gestiegen, während
GM Nigel Short, der bis dahin der an Nummer Eins gesetzte Spieler, ein paar
Punkte eingebüsst hatte und auf 2683 gefallen war - auf dem Papier hatte das
Turnier plötzlich einen neuen Favoriten.
Bu wohnte sogar im Haus von Ms. He. Bu war froh über diese Gesellschaft und
zog sie dem Aufenthalt im Hotel vor. Ms. He und ihr Ehemann Charles Szalay sorgten
für Bus Wohl, chinesisches Essen, Zugang zu Ottawas chinesisch-sprachigen Radio-
und Fernsehprogrammen und für ein Mittagessen mit den Offiziellen der chinesischen
Botschaft. Nebenbei bemerkt, Ms. Hes 14-jähriger Sohn Karoly gewann im Canadian
Open den Preis für Spieler für Spieler mit einer Elo-Zahl von weniger als 2200
- hat der Busche Zaubers abgestrahlt?
Dank seines Hausgastes hat der junge Karoly vielleicht den Slawen in sein Repertoire
aufgenommen
GM Bu, Mitte, mit seinen neuen kanadischen Freunden, Karoly Szalay, der Sponsorin
Cheryl Mousseau, Charles Szalay und Lianhua He
Vor Runde drei gab sich Bu als Tourist. Im Hintergrund der Ottawa River und
das Kanadische Museum der Zivilisation
In Kanada lastet die Bürde der Organisation auch der hochrangigsten Turniere
des Landes meist auf den Schultern unbezahlter Freiwilliger. Meist sind dies
Wanderturniere, die jedes Jahr in einer anderen kanadischen Stadt mit einem
neuen Organisationsteam veranstaltet werden. In Ottawa war Ms. He eine von rund
einem Dutzend Freiwilliger, die zahllose Stunden geopfert hatten, um das Canadian
Open 2007 und die kanadische Jugendmeisterschaft 2007, die vor dem Open stattfand,
zu organisieren. Genau wie sie GM Bu aufgenommen hat, lud der Vorsitzende des
Organisationskomitees für Veranstaltungen in Ottawa, GM Short und seine Tochter
ein, für die Zeit des Turniers bei ihm zu wohnen. Die zwei indischen Großmeister
Abhijit Kunte und Sandipan Chanda übernachteten in dem geräumigen neuen Haus
des Ottawaer Schachspielers Sanjiv Kalra. Gefragt, ob er Heimweh nach Indien
hätte, antwortete GM Kunte: "Überhaupt nicht - Mr. Kalras Haus ist wie Indien".
Großmeister und zukünftige Großmeister? Agastya Kalra, Canadian IM Thomas Roussel-Roozmon,
GM Abhijit Kunte ud GM Sandipan Chanda im Analyseraum
Und wie engagiert waren die Freiwilligen, damit ihr Turnier ein Erfolg wird?
Nun, sie waren der Meinung, dass die Spitzenspieler es verdient hätten, mit
schönen Holzfiguren zu spielen und nicht mit den üblichen Plastikfiguren, die
gewöhnlich bei offenen Turnieren in Nordamerika verwandt werden. Also griffen
die Organisatoren tief in die eigene Tasche, um teure Holzfiguren für die ersten
zehn Bretter zu kaufen und behielten sie nach Ende des Turniers als Andenken.
GM Shorts Zuckermangel
Ohne den verdienten Sieg von GM Bu schmälern zu wollen, so drückten viele Fans
und viele Teilnehmer des Canadian Open doch GM Nigel Short die Daumen. Er war
eindeutig das Aushängeschild des Turniers und verlieh ihm Prestige und Klasse.
Short war äußerst populär und das ganze Turnier hindurch ansprechbar, wobei
er immer wieder in den Analyseraum kam, um zu verraten, was er so dachte.
GM Short (dunkler Anzug), flankiert von dem kanadischen IM Thomas Krnan, links,
sowie den GMs Sandipan Chanda und Bator Sambuev, rechts. Zusammen mit GM Kamil
Miton lagen sie am Ende einen halben Punkt hinter Bu.
Short blieb ungeschlagen, aber legte in der Mitte des Turniers, als Wochentags
abends gespielt wurde, um den Spielern aus Ottawa, die auch während des Turniers
arbeiten gingen, entgegen zu kommen, eine Serie von fünf Remis hin. Nach seinem
Remis in der achten Runde gegen GM Bator Sambuev, der 200 Elo-Punkte weniger
als er aufzuweisen hatte, sagte Short im Analyseraum, dass er sich am Ende der
Partie mehr oder weniger "gehirntot" gefühlt hatte, und dass sein Energielevel
extrem niedrig wäre, und er etwas Süßes bräuchte, um einen Energieschub zu bekommen.
Obwohl Short den Titel des offenen kanadischen Meisters jetzt seinem Lebenslauf
nicht hinzufügen kann, so hoffen die Turnierorganisatoren doch, dass er mit
seinem Aufenthalt in Ottawa zufrieden war. Er und seine Tochter verbrachten
Zeit mit Sightseeing und der Britische Hochkommissar in Ottawa lud Short und
den britischen GM David Howell in seine Residenz ein. Das Britische Hochkommissariat
hatte die Reise von Short und Howell nach Ottawa unterstützt.
Der Erfolg des Canadian Open 2007 verdankt sich in vielerlei Hinsicht Shorts
Teilnahme. Nachdem der ehemalige Weltmeisterkandidat seine Teilnahme bestätigt
hatte, gab es einen wahren Ansturm einer breiten Masse von Schachspielern, die
am Open teilnehmen wollten. Vor der Zusage von Short hatten sich die Veranstalter
sehr viel bescheidenere Ziele für ihr Turnier gesetzt. Aber mit Short an Bord
hatten die Organisatoren das Gefühl, sie müssten das Feld noch mit ein paar
Super-GMs aufstocken, damit Short auch etwas für sein Geld zu tun hatte. So
wurden noch ein paar mehr Großmeister eingeladen, damit keine allzu großen Elo-Lücken
im Feld entstehen. In Windeseile hatte es die Gruppe von etwa ein Dutzend Organisatoren
dann geschafft, 22 GMs zur Teilnahme zu bewegen - nicht zuletzt dank der Unterstützung
durch die Hauptsponsoren Hill and Knowlton Canada, dem kanadischen Marktführer
im Bereich Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit und Strategische Kommunikation
sowie Magmic Games, eine der führenden Firmen für die Entwicklung und die Produktion
von Mobilgeräten wie den BlackBerry, die in Ottawa ihren Sitz hat.
Fast alle Großmeister, die am Canadian Open 2007 teilnahmen: hintere Reihe (von
links nach rechts): GM Victor Mikhalevski, GM Suat Atalik, GM David Howell,
GM Valeriy Aveskulov, GM Tomas Likavsky, GM Bu Xiangzhi, GM Nigel D. Short,
GM Mark Bluvshtein, GM Frank De La Paz Perdomo; Vordere Reihe (von links nach
rechts):GM Vadim Milov,GM Arkady Vul, WGM Ekaterina Atalik, GM Sergey Tiviakov,
GM Abhijit Kunte, GM Chanda Sandipan; Absent: GM Kamil Miton, GM Bator Sambuev,
GM Andrey V. Rychagov, GM Alex Yermolinsky, GM Hoang Thong Tu, GM Anton Shomoev,
GM Sipke Ernst, GM Borislav Ivkov
Von den 280 Teilnehmern des Canadian Open 2007 spielte fast jeder vierte gegen
einen der 22 Großmeister! In Kanada, einem Land, in dem die wenigen Großmeister,
die dort leben, es vorziehen, im Ausland oder in den seltenen starken Einladungsturnieren
zu spielen, hat es diese Stärke und Breite in einem Open noch nicht gegeben.
Doch mit dem Standard, der dieses Jahr in Ottawa gesetzt wurde, hoffen die Organisatoren,
dass die kommenden Canadian Open noch stärker und noch besser besucht sein und
im Terminkalender von kanadischen und internationalen Schachspielern zur festen
Größe werden.
Fotogalerie
Zu Beginn von Runde sieben hatte GM Suat Atalik noch gut lachen, denn er führte
das Feld an. Aber dann traf er auf...

GM Bu Xiangzhi aus China

GM Kamil Miton aus Polen, dessen Reise zum von der polnischen Botschaft und
der polnischen Fluglinie LOT gesponsert wurde.

Aus Russland kamen GM Andrey Rychagov und GM Arkady Vul
GM Bator Sambuev und GM Anton Shomoev reisten beide aus Ostsibirien nach Ottawa.
Sie kommen aus Ulan Ude, einer Stadt mit 400.000 Einwohnern, die ein wichtiges
Industrie- und Handelszentrum ist, und sich an Kilometer 5640 der transsibirischen
Eisenbahn befindet. Sie ist Hauptstadt der Republik Burjatien, der Heimat von
Burjaten, Ewenken und Russen.
Natürlich bestimmten die Paarungsgötter, dass GM Shomoev und GM Sambuev in der
vierten Runde gegeneinander antreten mussten. Als GM Shomoevs die Paarungsliste
las, meinte er: "Ich bin um die halbe Welt gereist - und jetzt spiele ich gegen
Sambuev?" Dann musste er lachen. Am Ende kam es zu einem ausgekämpften Remis.
GM Sambuev belegte am Ende dank seines Schlussrundensiegs gegen GM David Howell
aus Großbritannien den geteilten zweiten Platz.
Der kanadische IM Tomas Krnan belegte den geteilten zweiten Platz dank eines
Sieges über den ukrainischen GM GM Valeriy Aveskulov in der letzten Runde. Der
britische GM David Howell führte das Feld nach der fünften Runde zusammen mit
GM Suat Atalik an.
GM Victor Mikhalevski spielte in Ottawa dank der Unterstützung durch die israelische
Botschaft. GM Tomas Likavsky, dessen Besuch in Kanada durch die Botschaft der
Slowakei unterstützt wurde, hielt einen einen interessanten Vortrag über Psychologie
im Schach.
GM Tu Hoang Thong aus Vietnam, links, traf in Kanada seinen Freund aus Kindertagen,
den in Montreal lebenden IM Thanh Nha Duong, rechts, wieder.
Der amerikanische FM Joe Bradford kam aus Texas angereist; der amerikanische
FM John D. Bick aus Louisiana zeigt seine bedeutungsschwangere Tätowierung
Der noch nicht einmal 14-jährigen Dalia Kagramanov gelangen etliche Überraschungssiege
gegen Spieler, die mit bis zu 400 Elo-Punkten besser bewertet waren als sie.
Infolgedessen konnte sie gegen zwei Großmeister spielen.
WFM Kubra Ozturk aus der Türkei war in Ottawa Gast der OZ Optics. Sie gewann
zusammen mit IM Ekaterina Atalik den Frauenpreis.
Ali Yazici, rechts, Präsident des türkischen Schachverbands, war gerade in der
Nähe, und dachte sich, er schaut einmal vorbei. Links von ihm ist Peter Hum,
Autor dieser Zeilen und Ansprechpartner für die Spitzenspieler beim Canadian
Open 2007.