Zwei entscheidende Kämpfe und zwei Pflichtaufgaben standen am Wochenende
in Hamburg an. Mit dem OSC Baden Baden reiste der Tabellenführer und
Meisterschaftsfavorit an, um im Kampf gegen den Meister und Verfolger Werder
Bremen den Vorsprung auszubauen, mindestens aber zu halten. Die Bremer
Ökonomie-Spezialisten, an allen Brettern Elomäßig im Hintertreffen, hatten
den Vergleich im Vorfeld als Kampf David gegen Goliath skizziert, den wie
bekannt ja nicht Goliath gewonnen hatte. Tatsächlich ist das von Grenke
Leasing gesponserte Team aus Baden Baden ja nun schon ein paar Jahren Favorit
oder zumindest Co-Favorit, ohne dabei den Titel bisher einfahren zu können.
Inzwischen ist die Mannschaft fast schon zu gut besetzt und leidet
gelegentlich darunter, dass ihre Stars an den Bundesligaterminen anderswo im
Einsatz ist. So auch diesmal, denn mit Swidler, Bacrot und Vallejo fehlten
drei der oberen Bretter. Während ihre Mannschaft in Hamburg in der City Nord
in unmittelbarer Nähe zum Mexikoring, Sitz einer bekannten deutschen
Schachfirma, antraten, waren die drei derweil im richtigen Mexiko, beim
Turnier in Morelia, am Werk. Außerdem fehlte Dr. Robert Hübner. "David"
Werder Bremen, insgesamt recht gleichmäßig besetzt, konnte mit Ausnahme von
Areschenko praktisch in Bestbesetzung auflaufen. Der Samstag brachte gleich
den möglicherweise entscheidenden Kampf um die Meisterschaft.

Nicht in Mexiko, aber am Mexikoring: Vishy Anand und Alexej Shirov
Indes spielten die beiden "Juniorpartner" der beiden Spitzenreiter einen
wichtigen Kampf für die Abstiegsfrage. Im Reisegepäck von Baden Baden
befindet sich mit Heidelberg-Kirchheim einer der Anwärter auf einen der
Abstiegsplätze. Star der Mannschaft ist Alexander Onichuk, der über seine
Schwester Anna - mit dem Kirchheimer Johannes Rudolph verheiratet - mit der
Mannschaft freundschaftlich verbunden und an Brett 1 gemeldet ist. Allerdings
lebt Alexander Onischuk in den USA und muss immer extra eingeflogen werden.
Diesmal war er nicht mit dabei.




Kircheimer Quartett: Wippermann, Gscnitzer, Beckhuis, Mudelsee
Der Hamburger SK ist einer der Mannschaften, die seit Beginn der einteiligen
Bundesliga ununterbrochen mit dabei sind. Dabei kann der Verein seit Jahren
auf viele einheimische Kräfte bauen, Resultat einer ausgezeichneten
Jugendarbeit und des günstigen Umstandes, dass es in der Millionenstadt ein
vitales Schachleben, besonders im Schulschach, gibt. In diesem Jahr mussten
die Hamburger den Ausfall von Matthias Wahls, der sich vom Schach zurück
gezogen hat, und den erkrankten Karsten Müller kompensieren. Während man
zuletzt immer auch mit den Großen gut mithalten konnte und niemals Sorgen
hatte, befindet man sich diesmal zumindest in Sichtweite von Abstiegsplätzen.
Gegen die Kirchheimer mussten unbedingt zwei Punkte her!
Schauplatz der Hamburger Bundesligakämpfe ist das Gebäude der
Versicherungsgesellschaft Signal-Iduna in der Hamburger City-Nord. Mit seinem
Kasino, einem Vorraum für Analysen und der Möglichkeit im Foyer an
Demobrettern für die Zuschauer Analysen zu zeigen, bietet die Signal-Iduna
eine sehr gepflegtes und freundliches Ambiente für die Bundesliga.


Das helle Kasino ist zudem so geräumig, dass selbst große Mengen von
Zuschauern genug Platz finden.



Auch von draußen kann man zuschauen
Unter den Schachfreunden in Deutschland gab es natürlich ein großes Interesse
an dem Kampf. Axel Fritz von schach.com war mit der technischen Durchführung
der Liveübertragung der Partien ins Internet betraut. Da ein Zugang zum Netz
der Signal-Iduna nicht möglich war, wurde die Übertragung mit Hilfe einer
UMTS-Karte durchgeführt, und: es funktionierte!

Nachdem die Tests der Bretter am Freitag und am Samstag Vormittag noch
einwandfrei waren, fiel pünktlich zum Start der Partien ein Kabelstrang aus.
Nachdem es ersetzt war, konnte die Übertragung auch an diesen Brettern, wenn
auch mit etwas Verzögerung, beginnen.
Nur wer es vor Ort einmal miterlebt hat, kann ermessen, welcher Aufwand nötig
ist, um ein Bundesliga-Doppelkampf zu übertragen. Meist ist die Bundesliga
nur zeitweise als Gast geduldet und es steht wenig Zeit zur Verfügung,
um die 16 Bretter zu verkabeln und zu testen. Es gehört Einiges an Know-how
und Erfahrung dazu, die Technik im Griff zu haben. Zudem ist man meist von
der Internetanbindung und den Gegebenheiten des Gastgebers abhängig. Der
ganze Aufwand wird von den Vereinen bzw, der Bundesliga schließlich als
völlig kostenloser Service für die Schachfans betrieben.
Diese nahmen das Angebot auch wahr. Allein im Fritzserver schauten sich
zeitweise über 500 Schachfreunde gleichzeitig die Partien an.
Der Hamburger Teamchef Christian Zickelbein begrüßte Spieler und Zuschauer
und gab bewegt seiner Freude Ausdruck, dass nach langer Zeit wieder Karsten
Müller für Hamburg mitspielen konnte.

Christian Zickelbein

Karsten Müller (re,) wieder dabei
Die geplante Überraschung war allerdings etwas misslungen, weil man tags zuvor schon
in einem Artikel der Welt-online lesen konnte, dass dies geplant war.
Aufmerksame Kirchheimer, die den Link zu dem Artikel auf der ChessBase-Seite
entdeckt hatten, waren also informiert. Auch die Redaktion der ChessBase-Webseite wurde von
Hamburger Seite freundlich darauf aufmerksam gemacht, das sie
schon durch Veröffentlichung des Links Mitschuld an der Aufdeckung des
Geheimnisses trage. Für das Team von TV ChessBase ist es ebenfalls manchmal
schwierig zu begründen, warum Co-Moderator Oliver Reeh am Freitag nicht im
Studio ist, sondern irgendwo in der Bahn sitzt, aus Gründen, die nicht
genannt werden sollen.

TV ChessBase-Mann
Oliver Reeh fühlt sich stark
Schach scheint hier ganz anders zu funktionieren als z.B. Fußball oder
auch Konzerte. Während man dort eher bemüht ist, durch den Auftritt von Stars Publikum anzuziehen, möchte
man das im Schach gerne geheim halten. Wie sich dieses Bestreben mit dem
gleichzeitigen Wunsch nach mehr Publikum in Einklang bringen lässt, wurde
bisher allerdings noch nicht schlüssig erläutert. Die Bundesligavereine
möchten zwar auch Stars spielen lassen, aber niemand soll es vorher erfahren.
Die beiden Samstag-Begegnungen waren bis zum Ende an fast jedem Brett hart
umkämpft. Viele Zuschauer waren erschienen. Um die Bretter von Anand und
Shirov bildeten sich große Trauben.


Hans-Walter Schmitt con den Chess Classic Mainz

Die Mannschaftsführer von Hamburg und Kirchheim, Christian Zickelbein, Beate
Krum

Evi Zickelbein und Lubomir Ftacnik

Rustem Dautov im Gespräch mit André Schulz

Baden-Badener Offizielle: Christian Bossert vom Sponsor Grenke Leasing, außerdem ehrenamtlicher Geschäftsführer des Karpow-Schachzentrums in Baden Baden und Sven Noppes, Mannschaftsführer.
Der Wettkampf zwischen Baden Baden und Bremen endete schließlich 4:4. Aber
- um ein Fußball Bonmot zu bemühen - genauso gut hätte es umgekehrt sein
können! Baden Baden schien Vorteile am Brett von Anand zu haben, der gegen
McShane spielte. Pelletier stand gegen Krasenkow mit einer Figur gegen drei
Bauern vielleicht besser.

Yannick Pelletier, Michal Krasenkow
Die Partie zwischen Shirov und Efimenko stand lange auf des Messers
Schneide. Dautov hatte gegen Nyback leichten Vorteil, während Peter Heine
Nielsen gegen Hracek eher schlechter stand.

Rustem Dautov, Tomi Nyback

Vlastimil Babula

Dann gewann als Erster Phillip Schlosser seine Partie gegen Gennadi Fish,
der sich einen Konten in die eigene Stellung gespielt hatte.

Gennadi Fish
Dramatisch verlief das Ende der Partie zwischen Efimenko und Shirov. In
unklarer Position war besonders Efimenko in Zeitnot. Er notierte seinen
38.Zug über zwei Zeilen und schrieb den 39. in die Zeile für den 40. und
glaubte die Kontrolle geschafft zu haben.

Tatsächlich fehlte ihm ein Zug und er verlor die Partie wegen
Zeitüberschreitung. Mit 2 Siegen und ein paar inzwischen remis geendeten
Partien schien Baden-Baden gegen 18 Uhr so gut wie als Sieger festzustehen.
Doch dann gewann Pelletier seine Partie gegen Krasenkow

und Schandorf gegen Buhmann.

Lars Schandorff
Werder stand sogar vor dem Gewinn des Matches, denn Anand war gegen
McShane in Nachteil geraten. Im Endspiel stand er wohl auf Verlust, konnte
aber dann gerade noch ins remis entkommen.
Anand hat nach seinen regelmäßigen Auftritten bei den Chess Classic Mainz
inzwischen perfekt deutsch gelernt und beherrscht teilweise auch noch
hessische Mundart. Wie selbstverständlich begrüßte er die Hamburger auf
deutsch.

Luke McShane
Die Hamburger erledigten ihre Pflichtaufgabe gegen Kirchheim mit 6:2 am
Ende souverän, hatten aber einige Zeit zu zittern.

Wippermann gegen Gustafsson am Spitzenbrett

"Dressman" Jan Gustafsson

Gschnitzer und Ftacnik
Sune Berg Hansen hatte die Hamburger zwar mit einer Glanzpartie in Führung
gebracht, doch die anderen Partien waren bei Weitem nicht entschieden und man
weiß ja nie...

Sune Berg Hansen

Joachim Wintzer saß auf der falschen Seite der Glanzpartie
Schließlich neigte sich die Waage in einigen der Partien doch deutlich
zugunsten der Hamburger zum Endergebnis von 6:2. Kempinski, Müller und
Sebastian holten ganze Punkte.

Adler gegen Heinemann