Bundesliga-Endrunden: Interview mit Carsten Schmidt

von André Schulz
28.04.2017 – An diesem Wochenende ist Berlin Gastgeber der zentralen Endrunde der Bundesliga, erstmals zusammen mit der Frauen-Bundesliga. Carsten Schmidt, Präsident des Berliner Schachverbandes, beantwortet im Interview Fragen zu Kosten und Organisation und zum Schach in Berlin.

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Berlin richtet in dieser Saison die zentrale Endrunde der Bundesliga aus. Wo und wann findet diese statt. Wie viel Eintritt kostet es?

Die zentralen Schlussrunden der Schachbundesliga und der Frauen-Bundedliga finden am kommenden Wochenende im Herzen von Berlin, im Maritim-Hotel, Stauffenbergstr. 26 in Berlin-Tiergarten statt. Allerdings sind die Schachfreunde Berlin als etablierter Berliner Bundesligaverein Ausrichter. Wir als Berliner Schachverband unterstützen unseren Mitgliedsverein bei diesem Event mit unseren Möglichkeiten und freuen uns auf diese sehr attraktive Veranstaltung.
Der Eintrittspreis liegt bei 9 Euro für eine Tageskarte, 15 Euro für zwei Tage und 20 Euro für ein Kombiticket (3 Tage) für die gesamte Veranstaltung. Der Preis beinhaltet ein Freigetränk und das volle schachliche Erlebnis, spannende Partien, gehaltvolle Analysen und ein unvergessliches Wochenende unter Weltklassespielern.

Der letzte große Schachevent in Berlin war die Schnellschach- und Blitz-WM 2015. Dort gab es einen riesigen Zuschauerandrang. Wie viele Zuschauer werden zu Bundesliga erwartet?

Die Berliner Schachspieler sind schachhungrig und nutzen Gelegenheiten wie diese sehr gerne. Ich bin stolz, dass wir so viele so begeisterte Schachspieler in unserer Stadt haben und bin zudem überzeugt, dass die Organisatoren um Jörg Schulz und Rainer Polzin schlauer planten, als seinerzeit in 2015 die FIDE bzw. Agon, und wir keine langen Warteschlangen und frustriert abreisenden Schachfreunde erleben müssen. Natürlich wissen wir trotzdem nicht, wie das Angebot an dem verlängerten Wochenende um dem 1. Mai genutzt wird. Haben sich viele das Wochenende schon voller Vorfreude freigehalten oder sind manche verreist? Ich bin guter Dinge. Es wird voll.

Carsten Schmidt

Welches Rahmenprogramm gibt es?

Hier haben wir als Berliner Schachverband zwei Vormittage mitgestalten dürfen. Am Samstag findet die Schlussrunde der Berliner Feierabendliga statt. Hier handelt es sich um ein Mannschaftsturnier, welches parallel zu der "normalen" Saison, an den Vereinsabenden gespielt wird. Seit drei Jahren wird die Schlussrunde immer zentral am Donnerstag in der letzten Turnierwoche gespielt. Für die Gelegenheit, sogar als Spieler an dieser Veranstaltung zu partizipieren, nutzten wir und spielen nun ausnahmsweise mal nicht zum Feierabend, sondern vor der Arbeit der Spitzenspieler in der Bundesliga.
Am Sonntag findet zum 14. Mal unser traditioneller Wettkampf "Jung gegen Alt" statt. Zehn Berliner Jugendliche gegen zehn Berliner Senioren. In 2002 gab es diesen Wettkampf erstmals, damals noch im Rahmen vom Tag des Schachs.
Beide Veranstaltungen bringen Berliner Schachspieler, die vielleicht sonst auch nicht unbedingt zu den potentiellen Zuschauern zählen, in das Hotel Maritim, um dann die Gelegenheit nutzen zu können, dieses interessante Event zu erleben.
Die Deutsche Schachjugend organisiert zudem die erste Bundesvereinskonferenz, ein neues, schon lange geplantes Konzept ergänzend zu den Vereinskonferenzen in den einzelnen Bundesländern. Hierzu kann sicherlich die DSJ deutlich bessere Auskünfte geben als ich.
Die Schachfreunde Berlin organisieren an allen Tagen neben der bestimmt spannenden Kommentierung der Partien für alle Zuschauer regelmäßige Blitzturniere, aus deren, mehr symbolischen Startgeld von 2 Euro, die Berliner Schachjugend unterstützt wird, die sich vor Ort auch personell einbringen wird.

Gastgeber sind die Schachfreunde Berlin. Gibt eine Kooperation des Verbandes mit dem Ausrichter, in welcher Form?

Wir haben, wie schon erwähnt, an den zwei freien Vormittagen mit unseren Verbandsveranstaltungen ein Teil des Rahmenprogramms in enger Absprache mit den Schachfreunden Berlin organisiert. Weiterhin werden Kinder und Jugendliche aus Berliner Vereinen vor Ort unterstützend zur Verfügung stehen, bei Rahmenprogramm und wohl auch bei den Aufgaben im Rahmen der Bundesliga wie z.B. den Einlass, den Eintrittskartenverkauf o.ä.
Weiterhin haben wir als Berliner Schachverband durch Sponsorenunterstützung ermöglicht, dass jeder unserer Mitgliedsvereine kostenlose Coupons für drei Eintrittskarten erhält. Einerseits als Anreiz, auch die als kleiner Verein mal so ein großes Event zu besuchen, und auch die an gleichem Ort stattfindende Bundesvereinskonferenz zu besuchen.

Wie teuer ist solch ein Veranstaltung?

Hier muss ich leider auf den Ausrichter hinweisen. Wir als Verband können dazu leider Angaben machen. Allerdings denke ich, dass der Eintrittspreis, mag er auch dem einen oder anderen hoch erscheinen, sicher noch nicht einmal die Hälfte der Kosten abdecken wird. Ohne kräftige Sponsorenunterstützung wird der Verein das sicher nicht hinbekommen. Durch die drei Tickets pro Verein gibt unser Verband dank Sponsorenunterstützung knapp 1.000 Euro dazu. Weiterhin unterstützt der Berliner Senat die Veranstaltung. Ich drücke den Schachfreunden die Daumen, dass viele, viele Besucher kommen und sich eine Eintrittskarte kaufen und sie als Verein am Ende nicht zu viel dazuzahlen müssen.

Wer trägt die Kosten?

Wie schon gerade erwähnt, wird der Verein diese Großveranstaltung nicht ohne Förderer und Sponsoren auskommen. Genauere Infos dazu wird sicher der Verein geben können. Wir als Berliner Schachverband leisten mit den drei Eintrittskarten für jeden Verein auch einen für unsere Verhältnisse hohen Zuschuss, auch wenn dieser auch nur durch ein Sponsoring möglich ist.

Ist der Deutsche Schachbund beteiligt?

Inwiefern es für eine wie auch immer aussehende Bundesliga-Endrunde einen etatmäßigen Zuschuss vom Deutschen Schachbund gibt, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich vermute, dass vom Deutschen Schachbund höchstens ein Zuschuss für Bundesvereinskonferenz kommt. Für diese Endrunde ist zumindest kein Posten in dem Etat des DSB vorgesehen, ob es Töpfe für besondere Zuschüsse gibt, die hier auch genutzt werden, kann ich nicht sagen. Hier sollte aber auch der Vorstand des DSB befragt werden.

Welche Bedeutung hat die Veranstaltung für das Berliner Schach? Welche Chancen ergeben sich für das Schach in Berlin?

Für das Berliner Schach ist diese Endrunde eine hervorragende Gelegenheit, den Berliner Schachspielern das Spitzenschach näher zu bringen. Die gute Idee, dass wir auch Verbandsturniere dort durchführen, bringt manchen sonst eher weniger bei Großveranstaltungen des Verbandes anzutreffenden Spieler oder Spielerin zu einem Event dieses Formats. Das bringt auch für die Jugendlichen, die dort Weltklassespieler sehen können eine große Motivation mit sich, die die Begeisterung für den Schachsport hoffentlich steigert. Diese Endrunde war bei unserem Verbandstag Thema, wie auch in vielen Vereinen. Kleine Vereine, die sonst selten „dabei“ sind, haben nun, auch durch die Freikarten vom Verband die Gelegenheit, verdienten Mitgliedern mal was Besonderes zu bieten. Dadurch wächst das Berliner Schach weiter zusammen.
Die Bundesvereinskonferenz in Berlin ist auch eine Chance, die aber erst von den Vereinen erkannt werden muss. Das Konzept wird besonders auch für die kleinen Vereine eine große Hilfe sein. Aber ob schon diese Konferenz oder später folgende regionale Konferenzen mehr angenommen werden, wird sich zeigen.

Noch ein paar Fragen zum Schach in Berlin: Wie viele Vereine gibt es?

Wir haben in Berlin 52 Schachvereine bzw. Schachabteilungen. Ein paar Vereine beteiligen sich bei Mannschaftsturnieren als Spielgemeinschaften.

Wie viele Mitglieder hat der Berliner Schachverband?

Wir bewegen uns in den Jahren seit der Wiedervereinigung immer mehr oder weniger knapp unter 3.000 Mitgliedern, liegen zur Zeit bei ca. 2.700 Schachspielern.

Wie ist der Ligabetrieb organisiert?

In Berlin findet die Berliner Mannschaftsmeisterschaft in 6 Klassen statt. Gespielt wird an 9 Sonntagen im Jahr, jeweils um 9 Uhr. In der Landesliga (mit 10 Mannschaften à 8 Spielern) wird der Berliner Meister ermittelt, der dann in die Oberliga Nord Staffel Ost (praktisch die dritte Liga) aufsteigt. Unter der Landesliga gibt es zwei Stadtligen mit jeweils 10 Mannschaften, aus denen der Sieger jeweils in die Landesliga aufsteigt.
Darunter folgenden dann vier Zehnergruppen der 1. Stadtklasse, darunter vier Zehnergruppen der 2. Klasse, dann die 3. Klasse, wo die Anzahl der Mannschaften je nach Menge aufgeteilt wird auf 3-4 Klassen mit 8-10 Mannschaften. In der 4. Klasse haben wir mit sechs Spielern vor wenigen Jahren eine andere Mannschaftsstärke eingeführt, damit kleinere Vereine oder neue Mannschaften ohne Besetzungsschwierigkeiten mitspielen können.
Weiterhin bieten wir den Vereinen die Berliner Feierabendliga, die allerdings keine Qualifikation auf höhere Ebene einbringt, in zzt. drei Klassen à 10 Mannschaften. Hier spielen Viererteams an den Vereinsabenden in 7-9 Wochen pro Jahr gegeneinander. Die Gelegenheit für Spieler, die der Sonntagmorgen als Spieltermin abschreckt, für Spieler, die dadurch mehr vom Vereinsleben haben wollen, oder einfach für die Spieler, die einfach nicht genug bekommen. Ein tolles Konzept, welches bereits über 10 Jahre durchgeführt wird. Leider ist der Reiz der BMM für die Vereine doch sehr viel größer, sodass wir hier immer um die 30 Teams für dieses besondere Turnier zusammenbekommen.

Gibt es genug Ehrenamtliche?

Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Verbands- oder Vereinsvorsitzender diese Frage uneingeschränkt mit „Ja“ beantworten kann. Wenn ich den Berliner Schachverband betrachte und dann auch zu den Berliner Vereinen schaue, brauchen wir in allen Bereichen die Menschen, die auch mal bereit sind, nicht nur Schach zu spielen, sondern auch bei der Organisation mitzuwirken. Es fängt dort an, wo man gar nicht so genau hinsieht. Wer baut am Abend oder am Morgen zum Mannschaftskampf die Tische, Bretter, Figuren auf, stellt die Uhren richtig ein. Wer betreut Jugendmannschaften, wer trainiert die Kinder und Jugendliche im Verein. Wer ist bereit, im Vorstand des Vereins mitzuarbeiten, die Vereinszeitung, die Homepage, die Vereinsturniere organisieren.
Und wie sieht es mit der Bereitschaft aus, für den Berliner Schachverband zu arbeiten? Wir kommen aus einem Verein und sind bestenfalls bereit, dort auch mitzuhelfen, in welcher Form auch immer. Aber der Landesverband, der wir ja eigentlich alle sind, da will keiner so richtig mitarbeiten. Was hat man auch davon, außer viel Kritik einstecken, auch wenn es gut läuft.
Wir als Vorstand des Berliner Schachverbandes arbeiten sehr gut und harmonisch zusammen, wir sind sehr aktiv, führen für die Berliner Schachspieler sehr viele Turniere und Veranstaltungen durch. Allerdings sind wir auch nicht voll, wir brauchen immer wieder Ehrenamtliche in diversen Bereichen. Und die müssen natürlich aus den Vereinen kommen, wo sie aber auch gebraucht werden. Ein Teufelskreis.

Was würde sich der Verband wünschen?

Wie eben erwähnt, würden wir uns über mehr ehrenamtliche Beteiligung unserer Mitglieder freuen. Wir haben vor kurzem eine Umfrage auf der Webseite durchgeführt, in der es darum ging, zu welcher Uhrzeit am Sonntagmorgen gespielt wird. Hier habe ich neben teilweise sehr negativen Kommentaren auch sehr viele schlaue, gut durchdachte Kommentare lesen können. Bei Gesprächen mit den „normalen“ Mitgliedern, die ich sehr viel und auch sehr gerne führe, merke ich, dass sich viele Schachspieler in Berlin Gedanken machen, wo man im Verband die eine oder andere Stellschraube in die eine oder andere Richtung drehen könnte. Das macht mich glücklich, zu merken, dass die Spieler sich irgendwie doch als Bestandteil des Ganzen verstehen, auch wenn ihnen die Zeit oder auch die Kraft fehlt, auch noch ein „Amt“ zu übernehmen.
Also zwei Wünsche: mehr organisierte Schachspieler (über 3.000 wäre ein Ziel) und mehr ehrenamtliche Mitarbeiter.

Vielen Dank für das Gespräch.

Fotos: Frank Hoppe


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren