Bundesliga: Spannung in Schwäbisch Hall

von Thomas Marschner
13.11.2017 – In Schwäbisch Hall kam am vergangenen Bundesliga-Wochenende einige Spannung auf, allerdings nicht auf die Weise, die man sich beim Gastgeber gewünscht hätte. Nur ganz knapp schrammte der Favorit an einem Remis gegen Hofheim vorbei. Thomas Marschner berichtet. (Foto: Thomas Marschner)

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Impressionen aus Schwäbisch-Hall

Nachdem Klaus Besenthal schon gestern von der Bundesliga aus Schwäbisch Hall berichtete, hier noch ein paar weitere Eindrücke von den Spitzenspielen in der Kocherstadt aus Schwäbisch Haller Sicht. Das SWR-Fernsehen berichtete ebenfalls erstmals von der Schachbundesliga aus Schwäbisch Hall, hier half das fußballfreie Wochenende, der Bericht ist für Sonntagabend geplant und sicher auch in der Mediathek abrufbar. Gespielt wurde erstmals in der Kantine der Schwäbisch Haller Firma Optima, Weltmarktführer für Verpackungsmaschinen und Abfüllanlagen, von der sich der SK Schwäbisch Hall für die Zukunft weitere finanzielle Unterstützung erhofft.

Höhepunkt war natürlich der Auftritt von Schachlegende Anatoli Karpov, der – man glaubt es kaum – diese Wochenende seine erste Bundesligapartie überhaupt verlor, allerdings war sein Gegner Li Chao keine Laufkundschaft, steht er doch in der aktuellen Weltrangliste auf Platz 21. Obwohl auch Baadur Jobava an Brett 2 gegen Europameister Maxim Matlakov verlor, war der Hockenheimer Sieg eindeutig. Die Entscheidung fiel an den Brettern 5-8, die aller an Hockenheim gingen.

Baadur Jobava: seine Züge versteht manchmal keiner, aber immer für einen lockeren Spruch gut. (Foto: Thomas Marschner)



Nach langer Verteidigung reichte eine Ungenauigkeit von Karpov zum Sieg für Li Chao (Foto: Thomas Marschner)

Ein wenig spannender war es vor der Begegnung: Als die Hockenheimer im Spiellokal eintrafen, bemerkten sie, dass sie doch tatsächlich einen Spieler im Hotel vergessen hatten: der Inder Krishnan Sasikiran fehlte. Zum Glück war das Hotel nicht weit entfernt, und mit etwa 10-minütiger Verspätung war der Vizemeister der Vorsaison komplett.

Eine weitere Anekdote rund um den Spieltag: Li Chao reiste mit dem Zug vom Frankfurter Flughafen nach Schwäbisch Hall und informierte niemanden über seine Ankunftszeit. Plötzlich stand er am Freitag vor dem Spiel im Weinlokal von Schwäbisch Halls Kapitän Harald Barg – zusammen mit seiner Mutter, die in China als Englischlehrerin arbeitet, und die überhaupt niemand erwartet hatte. Also musste noch eine zusätzliche Unterkunft her, dieses Problem konnte aber schnell gelöst werden.

In der zweiten Begegnung schlug Deizisau Aufsteiger Hofheim hoch mit 7-1, mehr als zwei Remis gelangen dem nicht in Bestbesetzung angetretenen Aufsteiger nicht. Die Hofheimer konzentrierten sich offensichtlich auf Sonntag – siehe unten.

 

Remis zwischen Schröder und Blübaum, sie kennen sich einfach zu gut. (Foto: Thomas Marschner)

 

Ponomariov und Laznicka bei der Analyse, in ihrer Partie war eher eher wenig los. (Foto: Thomas Marschner)

 

  SK Schwäbisch Hall 3 5 SV Hockenheim
2 Li, Chao 1 : 0 Karpov, Anatoly 1
3 Matlakov, Maxim 1 : 0 Jobava, Baadur 2
6 Laznicka, Viktor ½ : ½ Ponomariov, Ruslan 4
7 Gharamian, Tigran ½ : ½ Sasikiran, Krishnan 6
9 Postny, Evgeny 0 : 1 Moiseenko, Alexander 7
13 Womacka, Mathias 0 : 1 Saric, Ivan 10
15 Zeller, Frank 0 : 1 Buhmann, Rainer 11
16 Zpevak, Pavel 0 : 1 Baramidze, David 12

 

  SF Deizisau 7 1 SV Hofheim
3 Bluebaum, Matthias ½ : ½ Schroeder, Jan-Christian 2
4 Meier, Georg 1 : 0 Perske, Thore 6
5 Krasenkow, Michal 1 : 0 Lobzhanidze, Davit 7
8 Heimann, Andreas 1 : 0 Margolin, Boris 9
9 Kozul, Zdenko ½ : ½ Zude, Erik, Dr. 10
10 Graf, Alexander 1 : 0 Weber, Ulrich 12
12 Dautov, Rustem 1 : 0 Armbruster, Alexander 14
14 Schlosser, Philipp 1 : 0 Burkart, Patrick 15

 

 

Viel spannender war es am Sonntag. Hockenheim, diesmal ohne Karpov, war trotzdem Favorit gegen Deizisau, aber wie so oft kam es anders. Matthias Blübaum schaffte ein schnelles Remis gegen Baadur Jobava, und remis endeten auch die Bretter zwei bis fünf. An den hinteren Brettern fielen dann die Entscheidungen: die Hockenheimer Führung durch Arik Braun gegen Philipp Schlosser glich Rustem Dautov gegen David Baramidze aus. Dort rächte sich, dass Baramidze für seinen fünften Zug sage und schreibe 40 Minuten Bedenkzeit investierte. Den Deizisauer Siegpunkt schaffte Alexander Graf im Turmendspiel gegen Rainer Buhmann. Dieses Ergebnis ist natürlich eine Steilvorlage für Meister Baden-Baden auf dem Weg zur Titelverteidigung. Der Meister hatte ja schon in Runde 2 gegen Deizisau gewonnen.

Auch bei Schwäbisch Hall-Hofheim wurde es spannender als den Hallern lieb war. Zunächst gab es eine Reihe von Remisen, unter anderem schaffte Jan-Christian Schröder ein beachtliches Schwarzremis gegen Li Chao. Die Führung für Schwäbisch Hall besorgte Evgeny Postny, der gegen Erik Zude einen auf a8 angebotenen Turm einfach mal wegnahm und dann nachwies, dass seine Dame doch nicht so einfach zu fangen war, wie der Hofheimer es vielleicht gedacht hatte.

Aber dann bekam Hofheim plötzlich Gegenchancen, obwohl auch Viktor Laznicka gegen Davit Lobzhanidze auf Gewinn stand, der vielleicht noch unter dem Eindruck des Zusammentreffens mit der Glasscheibe einer ganz tückischen Schiebetür zum Analyseraum am Vortag stand. Glücklicherweise war ihm nichts Schlimmeres zugestoßen.

Ulrich Weber hatte gegen Mathias Womacka eine komplett unklare Stellung erreicht, die im Dauerschach endete. Aber in den verbleibenden beiden Partien hatten die Hofheimer plötzlich Gegenchancen. Im „Aufeinandertreffen der Presse“ zwischen SK-Pressewart Frank Zeller und FAZ-Journalist Alexander Armbruster brach letzterer im Mittelspiel alle Brücken hinter sich ab und brachte in gegnerischer Zeitnot ein unklares Springeropfer auf f2. In der Kürze der Zeit fand Zeller nicht die besten Fortsetzungen und landete anstatt in einer Gewinnstellung in einer Verluststellung. Armbruster seinerseits versuchte durch Zugwiederholungen über die 40-Züge-Grenze kommen, um die Stellung dann in Ruhe zu berechnen, aber mit dem 40. Zug stand zum dritten Mal die gleiche Stellung auf dem Brett, damit war die Partie remis und der Schwäbisch Haller Mannschaftssieg gesichert.

Hätte Armbruster die Partie gewonnen, hätte es tatsächlich zu einem 4-4 gereicht, denn Thore Perske schaffte eine Überraschung: Maxim Matlakov verrechnete sich im Mittelspiel und stand plötzlich im Endspiel mit einer Figur weniger da, das der Hofheimer am Ende auch gewann. Ein toller Erfolg für den jungen IM gegen den Europameister. Dass die Hofheimer an den ersten beiden Brettern 1,5 Punkte machen, hätten sie wohl selber nicht gedacht. Auf die Leistung kann der Aufsteiger aber aufbauen, gegen Mülheim hat man ja bereits gewonnen. Wenn man so weiterspielt, ist der Klassenerhalt durchaus möglich.

  SV Hofheim SK Schwäbisch Hall
2 Schroeder, Jan-Christian ½ : ½ Li, Chao 2
6 Perske, Thore 1 : 0 Matlakov, Maxim 3
7 Lobzhanidze, Davit 0 : 1 Laznicka, Viktor 6
9 Margolin, Boris ½ : ½ Gharamian, Tigran 7
10 Zude, Erik, Dr. 0 : 1 Postny, Evgeny 9
12 Weber, Ulrich ½ : ½ Womacka, Mathias 13
14 Armbruster, Alexander ½ : ½ Zeller, Frank 15
15 Burkart, Patrick ½ : ½ Zpevak, Pavel 16

 

  SV Hockenheim SF Deizisau
2 Jobava, Baadur ½ : ½ Bluebaum, Matthias 3
4 Ponomariov, Ruslan ½ : ½ Meier, Georg 4
6 Sasikiran, Krishnan ½ : ½ Krasenkow, Michal 5
7 Moiseenko, Alexander ½ : ½ Heimann, Andreas 8
10 Saric, Ivan ½ : ½ Kozul, Zdenko 9
11 Buhmann, Rainer 0 : 1 Graf, Alexander 10
12 Baramidze, David 0 : 1 Dautov, Rustem 12
14 Braun, Arik 1 : 0 Schlosser, Philipp 14

 

 

 


Dr. Thomas Marschner, Jahrgang 1967, ist Physiker und arbeitet in der Technologieentwicklung für die Herstellung von Solarmodulen. Er spielt seit fast 40 Jahren Schach, hat eine Elo von 2000 und spielt für seinen Heimatverein aus Eppstein im Taunus in der hessischen Verbandsliga. Er lebt in Schwäbisch Hall und berichtet bevorzugt aus der Schachbundesliga und der Frauenbundesliga. Außer Schach spielt er ebenfalls auf Verbandsebene Tennis, fotografiert gerne und betreibt unter www.thomas-marschner.de seine eigene Webseite.

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