Schach im Berliner Norden: „Wir spielen aus reiner Freude“
Von Dagobert Kohlmeyer
Am vergangenen Wochenende war die Hauptstadt wieder
Gastgeber von vier spannenden Wettkämpfen in der 1. Schach-Bundesliga. Die
beiden Teams SF Berlin und König Tegel empfingen mit Mülheim-Nord (5. im
Vorjahr) und Katernberg (11. im Vorjahr) ambitionierte Gegner, die in ihren
Reihen u.a. Nationalspieler Daniel Fridman und den deutschen Blitzmeister
Klaus Bischoff hatten. Gespielt wurde wie überall am Samstag ab 14 Uhr und
am Sonntag ab 10 Uhr. Schauplatz war das Hotel am Borsigturm (Best Western)
in Tegel.
Daniel Fridman
Stern gegen Fridman
Daniel Hausrath
Felix Levin
Liwak-Kachibadze
Am Samstag kam es zu zwei
deutlichen Ergebnissen. Ein Berliner Team durfte sich gewaltig freuen, das
andere steckte eine deftige Niederlage ein. Die Schachfreunde Berlin
landeten einen überraschend hohen 7:1-Sieg gegen Katernberg und konnten
dadurch wertvolle Punkte im Kampf gegen den Abstieg sammeln.
Igor Glek (Katernberg)
Ilja Schneider (SF Berlin)
Die Tegeler hingegen
schafften gegen ersatzgeschwächte Mülheimer nur ein mageres 1,5:6,5. Nach
dem Verlauf der einzelnen Partien war für die Nordberliner mehr drin.
Berelovich-Muse
Was Gegenwart und Zukunft
seiner „Fahrstuhlmannschaft“ angeht, zeigte sich der Tegeler
Vereinsvorsitzende Manfred Rausch ganz realistisch:
Manfred Rausch
„Wir spielen aus reiner
Freude in der 1. Bundesliga. Nachdem wir den Aufstieg geschafft haben,
nehmen wir diese Chance wahr. Dabei bewegen wir uns im Rahmen der
finanziellen Möglichkeiten. Ich würde auch aus Prinzip keine anderen Spieler
als Berliner einkaufen. Wir zahlen an das Gros der Mannschaft kein Honorar.
Das Hotel kam uns als Spielstätten-Sponsor entgegen. Die
Internet-Übertragung sowie die elektronischen Bretter kosten auch ihr Geld,
da muss man für ein Wochenende etwa 1.000 Euro einplanen. Wir nehmen diese
Mittel aus dem kleinen Budget unseres Vereins, aus Mitgliedsbeiträgen und
aus Spenden. Da wir nicht ständig in der 1. Bundesliga spielen, sind die
Jahre dazwischen quasi eine finanzielle Erholungspause.“
Carsten Schmidt und Manfred Rausch
Robert Rabiega
Kaum war ein Stunde
vorüber, da gab es die erste kleine Sensation. Mit einer Weiß-Niederlage von
Klaus Bischoff gegen IM Martin Krämer in nur 20 Zügen hatte an diesem
Nachmittag wohl niemand gerechnet. Klaus ist ein Bundesliga-Urgestein und
von Beginn an in der höchsten Spielklasse dabei. Viele Jahre spielte er beim
FC Bayern, später u.a. bei Tegernsee, derzeit bei Katernberg. Eine Woche
zuvor war Klaus zum 11. Mal deutscher Blitzmeister geworden. Der 48-jährige
Großmeister zählt diese Titel schon gar nicht mehr, sagte er uns, aber an
den ersten erinnert er sich noch gut: „Das war 1981, da diente ich gerade
bei der Bundeswehr“.
Hier die Miniatur aus
Berlin.
Bischoff gegen Krämer
Bischoff - Krämer
Berlin 12.12.2009 Damenindisch E12
1.c4
Sf6 2.Sc3 e6 3.Sf3 b6 4.d4 Lb7 5.a3 d5 6.Lg5 Le7 7.Da4+ Dd7 8.Dc2 0–0 9.Td1
dxc4 10.e4 b5 11.g3 Sa6 12.Lh3 b4 13.Se5 De8 14.axb4 Sxb4 15.De2 Sxe4
16.Lxe7 Sxc3 17.bxc3 Sd3+ 18.Sxd3 cxd3 19.Db2 Lxh1 20.Da3 Dc6 0-1
Chuchelov
Damit nicht genug der Überraschungen. Schon seit etwa
zwei Jahrzehnten in der Bundesliga spielen Igor Glek, Wladimir Chuchelov und
Robert Rabiega. Nicht nur Klaus Bischoff, auch diese gestandenen Großmeister
verloren am Samstag kurioserweise alle ihre Partien.
SK König Tegel 1½-6½ SV Mülheim Nord
1 Rabiega,Rober 0 : 1 Landa,Konstan 5
2 Stern,Rene 0 : 1 Fridman,Danie 6
3 Muse,Mladen 0 : 1 Berelovich,Al 10
4 Von Herman,Ul 0 : 1 Levin,Felix 11
5 Muse,Drazen ½ : ½ Hausrath,Dani 12
9 Sarbok,Torste 0 : 1 Saltaev,Mihai 13
12 Jahnz,Fabian 0 : 1 Schebler,Gerh 14
17 Kachibadze,Ge 1 : 0 Litwak,Alekse 15
SF Berlin 7 - 1 SF Katernberg
4 Lauber,Arnd 1 : 0 Chuchelov,Vla 2
5 Polzin,Rainer 1 : 0 Firman,Nazar 3
6 Kraemer,Marti 1 : 0 Bischoff,Klau 5
7 Schneider,Ilj 1 : 0 Glek,Igor V 7
8 Berndt,Stepha ½ : ½ Zaragatski,Il 8
9 Agopov,Mikail 1 : 0 Thesing,Matth 11
11 Thiede,Lars 1 : 0 Siebrecht,Seb 12
12 Thinius,Marco ½ : ½ Rosen,Bernd 15
Das Hotel Am Borsigturm
(Best Western) im Berliner Norden bot ein stilgerechtes Ambiente. Zuschauer
waren willkommen und der Eintritt frei. Auf der Bundesliga-Webseite wurden
die Partien live übertragen. Dafür sorgten Eckhardt Wolkenstein und
Christian Eichner vom Team
www.liveschach-schau.de. Eine andere Attraktion war der
Live-Ticker, um den sich die Schachfreunde Ulrich Geilmann und Wolfram
Burckhardt kümmerten. Hier eine kleine Kostprobe vom Sonntag.
Die Internet-Übertragung
Live-Ticker
Aus dem Live-Ticker …
|
Nach dem unerwartet hohen Sieg der
Schachfreunde Berlin gegen Katernberg, der selbst die kühnsten
Hoffnungen noch übertraf, war die Stimmung beim anschließenden Essen
erwartungsgemäß gut, so dass ein gewisser Optimismus auch für den
heutigen Kampf gegen die favorisierten Mühlheimer vorherrscht.
Interessant entwickelt sich gegenwärtig die Partie von Ilja
Schneider gegen Levin, die gerade in eine kritische Phase gekommen
ist. Ilja hat einen deutlichen Zeitvorteil, was auf eine gewisse
Vorbereitung auf diese Zugabfolge spricht, aber die Wahl der
zahlreichen Optionen in dieser komplizierten Stellung fällt nicht
einfach. |
Soeben hat Rainer Polzin am 2. Brett mit dem Turm auf
a2 geschlagen, worauf das naheliegende Sa3 gefolgt ist, was den Gewinn der
Qualität mit sich bringen wird (Db3). Andererseits ist sein Damenflügel
entlastet und er kann seine Streitkräfte auf den Bauernvormarsch am
Königsflügel konzentrieren. Die Frage wird sein, was sich durchsetzen wird.
Der Angriff oder der weiße Materialvorteil.
Nach eineinhalb Stunden scheint sich im Kampf
Tegel gegen Katernberg ein minimaler Spielvorteil der Katernberger
abzuzeichnen. Allerdings wird an einigen Brettern zurzeit Material
ins Geschäft gesteckt, besondere Beachtung verdient dabei die Partie
Jahnz - Siebrecht. Hier gewinnt Jahnz die Qualität bei einem
Minusbauern, allerdings kann Sebastian Siebrecht dadurch seine
Stellung offenbar konsolidieren. Ansonsten nichts Neues im Osten…
|
Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. In hoher
Zeitnot gewinnen fast zeitgleich Sebastian Siebrecht (Zitat: "Irgendwann kam
der Mattmodus") und Matthias Thesing, die damit die Katernberger in eine
komfortable Führung bringen, zumal auch die Partie von Bernd Rosen sehr
aussichtsreich gegen die Tegeler Nachwuchshoffnung Georg Kachibadze steht.
Hier ist „Siebis“ Attacke.
Jahnz – Siebrecht
Sizilianisch B22
1.e4
c5 2.c3 g6 3.d4 cxd4 4.cxd4 d5 5.Sc3 dxe4 6.Lc4 Lg7 7.Db3 e6 8.d5 exd5
9.Sxd5 Sf6 10.Lg5 0–0 11.Td1 Sbd7 12.Se2 a6 13.0–0 b5 14.Sxf6+ Lxf6 15.Ld5
Tb8 16.Lf4 Tb6 17.Le3 De7 18.Lxb6 Sxb6 19.Sc3 e3 20.fxe3 Le5 21.Lf3 Le6
22.Sd5 Sxd5 23.Lxd5 Dh4 24.h3 Lxh3 25.Txf7 Lh2+ 26.Kh1
26...Lg4 27.Tf4+ Kg7 28.Txg4 Dh5 29.Lf3 Txf3 30.Dc3+ Le5+ 0-1
Am Sonntagnachmittag notierte Schiedsrichter Uwe Bade,
der seit 1990 etwa 80 Kämpfe in der Schach-Bundesliga geleitet hat, dann
diese Ergebnisse:
SV Mülheim Nord 5 - 3 SF Berlin
5 Landa,Konstan ½ : ½ Lauber,Arnd 4
6 Fridman,Danie 1 : 0 Polzin,Rainer 5
10 Berelovich,Al 1 : 0 Kraemer,Marti 6
11 Levin,Felix ½ : ½ Schneider,Ilj 7
12 Hausrath,Dani ½ : ½ Berndt,Stepha 8
13 Saltaev,Mihai ½ : ½ Agopov,Mikail 9
14 Schebler,Gerh ½ : ½ Thinius,Marco 12
15 Litwak,Alekse ½ : ½ Abel,Dennes 17
SF Katernberg 6 - 2 SK König Tegel
2 Chuchelov,Vla 0 : 1 Rabiega,Rober 1
3 Firman,Nazar 1 : 0 Stern,Rene 2
5 Bischoff,Klau ½ : ½ Muse,Mladen 3
7 Glek,Igor V 1 : 0 Von Herman,Ul 4
8 Zaragatski,Il ½ : ½ Muse,Drazen 5
11 Thesing,Matth 1 : 0 Sarbok,Torste 9
12 Siebrecht,Seb 1 : 0 Jahnz,Fabian 12
15 Rosen,Bernd 1 : 0 Kachibadze,Ge 17