Business as usual in Portugals Liga

von Stefan Löffler
10.08.2023 – AX Gaia wurde zum zehnten Mal portugiesischer Meister. Ausschließlich auf Einheimische setzende Teams stiegen chancenlos ab. Und die Portugal Chess Tour nimmt wieder Fahrt auf. Stefan Löffler berichtet aus São João de Madeira. | Foto: Bunter Spielsaal in der Creative Factory São João de Madeira | Foto: Dominic Cross | Fotos: Dominic Cross / Portugiesischer Schachverband, Stefan Löffler

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Business as usual in Portugals Liga

Ein spannendes Finale der wie üblich Ende Juli ausgetragenen portugiesischen Liga kündigte sich an: Zwei Teams gewannen alle Wettkämpfe, bevor sie in der letzten Runde aufeinandertrafen. AX Gaia hatte zwei Brettpunkte mehr erzielt. Darum musste Dias Ferreira, das Team aus Matozinhos, gewinnen, wenn es Meister werden wollte. Doch Portugals Nummer eins Jorge Ferreira, der neuerdings in Eindhoven lebt und demnächst mit dem SC Heimbach-Weis-Neuwied in der Bundesliga debütieren wird, unterschätzte seine Stellung und gab gegen den starken Argentinier Alan Pichot, der in Zukunft für Spanien spielen wird, remis.

Jorge Ferreira (Dias Ferreira) ist demnächst auch in der Bundesliga zu sehen

Alan Pichot (AX Gaia) mit 7 aus 9 an Brett eins | Foto: Dominic Cross

Das löste eine Kettenreaktion aus. Nach zwei Stunden waren auch die anderen drei Bretter remis. AX Gaia mit Pichot, dem Belgier Daniel Dharda, dem weiteren Argentinier Leandro Krysa und dem Ukrainer Sergei Fedortschuk wurde zum zehnten Mal Meister, ohne eine Partie verloren zu haben.

Grandmaster of Cool: Daniel Dardha (AX Gaia) | Foto: Dominic Cross

Dafür wurde das sich ebenfalls für die letzte Runde ergebene kleine Finale um Platz drei ausgekämpft. Estrelas São João de Brito aus Lissabon gewann mit 3:1 gegen A.XAT Montemor-o-Novo, den Vorjahresmeister, der diese Saison seinen Spielern Titelnormen ermöglichen wollte. José Guilherme Barría dos Santos war auf Kurs IM-Norm, bis er in der vorletzten Runde von Mauricio Vasallo spektakulär geschlagen wurde.

Juniorenmeister José Guilherme Barría dos Santos verpasste bei der Liga eine IM-Norm, holte sie sich aber anschließend in Pontevedra | Foto: Portugiesischer Schachverband

Herrlich 24.Dh5!! Schönheitsfehler: 30.Lc7! hätte schnell und elegant gewonnen.

Auch schön:

Dafür holte sich der portugiesische Jugend- und Blitzmeister, der längst IM-Stärke hat, seine überfällige erste Norm gleich anschließend bei einem Open im spanischen Pontevedra. Brandon Clarke büßte seine Chancen auf eine GM-Norm ein, weil das gegnerische Team in der letzten Runde nicht in Bestbesetzung aufstellte. Der Engländer war so enttäuscht, dass er zum letzten Kampf gar nicht antrat. Für sein Team machte es keinen Unterschied mehr. Es konnte weder absteigen noch eine höhere Platzierung erreichen.

Harshit Raja verschlief fast die Abendrunde und joggte zum Spielsaal – es lohnte sich: Der sportliche indische GM gewann hübsch gegen den Reporter. | Foto: Dominic Cross

Die eingesetzten Portugiesen waren auch diese Saison in der Minderheit gegenüber Ausländern aus einem Dutzend Ländern. Neben A.XAT setzen nur die drei Absteiger überwiegend oder durchgängig auf Einheimische, waren allerdings sportlich chancenlos. Nächste Saison sollte es spannender werden, denn zwei der drei Aufsteiger sind stark genug fürs Mittelfeld: AS Viktoria Guimarães hat den Portugiesischen Meister André Sousa am Spitzenbrett.

Der portugiesische Meister André Sousa überlegt, welche Eröffnung er spielen möchte. Am Nebenbrett sitzt der spanische GM David Larino vom Zweitligameister AX Vitoria.

AFOX AS Sismaria aus Leiria ist zwar auf der Karte etwa 150 Kilometer von Montemor-o-Novo entfernt aber in Wahrheit deren zweite Mannschaft. Das ließ sich bei den Titelkämpfen zwischen den Staffelsiegern der zweiten Liga leicht verifizieren. Sismaria trat in den Hemden von A.XAT an. Viktoria wurde Zweitligameister. Die Meisterschaft der dritten Ligen holte sich Torrense Seixal dank den hervorragend punktenden Brüdern Matviy und Maksym Faryma – die beiden Ukrainer sind 14 und 12 Jahre alt.

Maksym Faryma, 12, vom Drittligameister Torrense Seixal

Der Portugiesische Schachverband nutzte die lange Ligawoche für zwei weitere Entscheidungen: Das Pokalfinale gewann Estrelas São João de Brito. Die erstmals ausgetragene Frauenliga ging an Dias Ferreira. 

Interessant war das Umfeld. Gespielt wurde in der Creative Factory in São João de Madeira. Das liegt, anders als der Name andeutet, nicht auf der Insel sondern 30 Kilometer südöstlich von Porto. Früher waren hier bedeutende Schuh- und Hutfabriken zuhause, von denen heute zwei Museen erzählen. Für Portugals Industriegeschichte noch bedeutsamer waren die vor allem für Nähmaschinen bekannten Oliva-Fabriken, die vor fünfzehn Jahren ihre Produktion einstellten. An ihren Ruinen und dem zum Museum umgebauten Torre Oliva pilgerten die Liga-Spieler vor und nach jeder Runde vorbei zur Creative Factory, die ebenfalls aus den Fabriken entstand, die einst 3000 Menschen Arbeit gaben. Heute sind dort zahlreiche Start-Ups, ein Kunstmuseum und eine Tanzschule untergebracht.

In der Ausstellung nebenan hing "Die Landkarte der Erinnerung eines Schachpferds" von Espiga Pinto (Sammlung Norlinda und José Lima)

Endstand

Rk. Team Team
1 AX GAIA A AX GAIA A
2 GD DIAS FERREIRA A GD DIAS FERREIRA A
3 ESTRELAS S. JOÃO DE BRITO A ESTRELAS S. JOÃO DE BRITO
4 A.XAT - MONTEMOR O NOVO A A.XAT - MONTEMOR O NOVO A
5 ASSEMBLEIA FIGUEIRENSE A ASSEMBLEIA FIGUEIRENSE A
6 EPGAIA - CLUBE DE XADREZ A EPGAIA - CLUBE DE XADREZ
7 CX MONTEMOR-O-VELHO/CTGA A CX MONTEMOR-O-VELHO/CTGA
8 FERROVIÁRIOS DO BARREIRO A FERROVIÁRIOS DO BARREIRO
9 CCD CORVOS DO LIS A CCD CORVOS DO LIS A
10 CA TÉSSERA A CA TÉSSERA A

Partien

Das Famalicão Open

Einige Ligaspieler hängten das gleich am folgenden Tag beginnende Open in Famalicão an – der Kubaner Lelys Martinez (Dias Ferreira) gewann.

Lelys Martinez | Foto: Dominic Cross

Ein in Guimarães geplantes Turnier kommt dieses Jahr nicht zustande. So geht die Portugal Chess Tour Ende August mit dem Maia Chess Festival vor den Toren Portos zu Ende. Die Portugal Chess Tour 2023/24 bietet neben den etablierten Herbstturnieren in Pombal und Figueira da Foz ein neues Turnier im attraktiv an der Algarve gelegenen Lagos.

Dominic Cross, der umtriebige Präsident des Schachverbands, will auch in Porto Santo, der kleineren, mit Sandstränden ausgestatteten Nachbarinsel Madeiras, etablieren.

Kritischer Beobachter im Internationaler-Schachtag-Outfit

Und wann kehrt die Tour nach Lissabon zurück? Vielleicht im Februar. Da sind nicht ganz so viele Touristen da, die in der Hauptstadt die Hotelpreise in die Höhe treiben, erklärt Cross. Zuletzt trieb er einen besonders repräsentativen Spielort auf – den Königspalast in Ajuda. Fürs Portugal Open wird es aber wohl eher wieder eine Sporthalle werden. Am Südufer des Tejo hat sich in Almada mit dem Casa das Artes ein Schachcafé etabliert. Drei Fußminuten von der Fähre treffen sich fast täglich Spieler aus verschiedenen Ländern. Dmitrij Kollars ist hier auch schon gesichtet worden. 

Famalicão Open Endstand:

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 MARTINEZ DUANY, Lelys Stanley 7,5 0,5
2 PETKOV, Vladimir 7,5 0,5
3 KHAMRAKULOV, Ibragim S. 7 0
4 PEIN, Jonathan 7 0
5 RIBEIRO, Rodrigo 6,5 0
6 RIBEIRO, Fernando 6,5 0
7 PADEIRO, José 6,5 0
8 PINHO, Paulo 6,5 0
9 SRINATH, Rao S. V. 6,5 0
10 GONÇALVES, Samuel 6,5 0
11 GONÇALVES, Lucas Jordão 6,5 0
12 RODRIGUEZ LOPEZ, Rafael 6,5 0
13 PEIN, Malcolm 6,5 0
14 VIKRAM, Anishka 6,5 0
15 COSMAN, Andreea-Marioara 6,5 0
16 MORENO, Alejandro 6 0
17 RIBEIRO, Gustavo 6 0
18 COSTA, Paulo 6 0
19 SILVA, Inês 6 0
20 PEREIRA, Carlos 6 0

134 Teilnehmer

Maia Chess Festival 25 August – 2 September...

Portugal Chess Tour...


Stefan Löffler schreibt die freitägliche Schachkolumne in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist in Nachfolge von Arno Nickel Herausgeber des Schachkalender. Für ChessBase berichtet der Internationale Meister aus seiner Wahlheimat Portugal.