Fotos: Nadja Wittmann
So sehen Sieger aus: Anish Giri und Magnus Carlsen bei der Pressekonferenz
Runde 13, 31. Januar 2010
Gruppe A
L. van Wely - V. Anand ½-½
N. Short - J. Smeets ½-½
H. Nakamura - S. Tiviakov 1-0
M. Carlsen - F. Caruana ½-½
V. Ivanchuk - P. Leko ½-½
A. Shirov - L. Dominguez ½-½
V. Kramnik - S. Karjakin ½-½
Magnus Carlsen ist 19 Jahre alt, die Nummer Eins der Welt und hat schon so manches
Turnier gewonnen. Routine scheint das jedoch noch nicht zu sein, denn in der
Schlussrunde in Wijk aan Zee zeigte er Nerven. Gegen Fabiano Caruana landete
Carlsen mit Weiß nach verhaltener Eröffnung und einem plötzlichen
taktischen Scharmützel in einer etwas schlechteren Stellung. Eine weitere
Ungenauigkeit kostete Carlsen einen Bauern und er fand sich in einem Springerendspiel
mit Minusbauern wieder. Plötzlich schien der Turniersieg in die Ferne gerückt.
Kramnik hatte zwar nach 21 Zügen gegen Sergey Karjakin Remis gemacht und
wäre nach einer Niederlage von Carlsen mit ihm gleich gezogen, aber Alexei
Shirov, der vor der Schlussrunde ebenfalls einen halben Punkt hinter Carlsen
lag, war nicht so friedlich gestimmt und tat alles, um den König von Leinier
Dominguez Matt zu setzen. Sollte Shirov gewinnen und Carlsen verlieren, dann
wäre Shirov am Ende Erster geworden. Doch in dieser kritischen Situation
bekam Carlsen seine Nerven wieder in den Griff und er verteidigte sich hartnäckig.
Mit Erfolg. Im 54. Zug stellte Caruana seine Gewinnversuche ein, und da Shirov
unglücklich - siehe unten - Remis gemacht hatte, war Carlsen am Ziel: Mit
8,5 aus 13 gewann er das Corus-Turnier in Wijk aan Zee 2010 als alleiniger Sieger,
sein erster Turniergewinn als Nummer Eins der Welt.
M.Carlsen - F.Caruana
Wijk aan Zee, 31.01.2010
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.d3 d6 6.c3 g6 7.Sbd2 Lg7 8.Sf1 0-0 9.Lg5
d5 10.De2 Dd6 11.Lxf6 Lxf6 12.Se3 Se7 13.Lb3 c6 14.h4 Le6 15.Sg5 Ld7 16.Td1
Tad8 17.Df3 h6
18.Sc4 dxc4 19.dxc4 Sd5 20.Sh3 h5 21.Dg3 Lg4 22.Td2 Lxh4 23.Dxh4 Df6 24.Dxf6
Sxf6 25.Sg5 c5 26.f3 Lc8 27.La4 Kg7
28.Txd8 In seinem Audiokommentar schlug Yasser Seirawan stattdessen gleich
28.b4 vor. Er meinte, Schwarz stünde vielleicht noch etwas besser, aber
Weiß hätte nicht viel zu befürchten. Nach dem Textzug muss Weiß
hingegen ein paar bange Momente überstehen.
28...Txd8 29.b4 Td3 30.bxc5
Txc3 31.Kd2 Txc4 32.Lb3 Txc5 33.Sxf7 a5 34.Tc1 Txc1 35.Kxc1 a4 36.Lc4 b5 37.Sd6
bxc4 38.Sxc8
38...h4 39.Sb6 Sh5 40.Sxc4 Kf6 41.Kd2 Sf4 42.Ke3 Sxg2+ 43.Kf2 Sf4 44.Sb2
a3 45.Sc4 Sd3+ 46.Kg2 Kg5 47.Sxa3 Kf4 48.Sc2 Sb2 49.Sb4 h3+ 50.Kxh3 Kxf3 51.Kh4
Kf4 52.Sd5+ Kxe4 53.Se7 Kf3 54.Sxg6 e4 55.Se5+ Kf4 56.Sg4 Sa4 ½-½
Der Unglücksrabe der letzten Runde war ohne Zweifel Shirov. Wie schon das
ganze Turnier über scheute er auch in der letzten Runde kein Risiko und
spielte bedingungslos auf Angriff. Wie kreativ er das tut, zeigte er im 29.
Zug als er in hoher Zeitnot mitten im Opferangriff einen verblüffenden
Damenrückzug fand, der einen tückischen Konter parierte und den weißen
Angriff am Leben erhielt. Zwei Züge später verblüffte Shirov
alle seine Zuschauer, die die Runde live verfolgten, noch einmal. In einer Stellung,
in der er sofort gewinnen konnte, machte er
Remis.
Shirov vor der Partie
A.Shirov - L.Dominguez
Wijk aan Zee, 31.01.2010
1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 Sbd7 7.Lc4 Db6 8.Lb3 e6
9.Dd2 Le7 10.0-0-0 Sc5 11.f3 Dc7 12.Kb1 0-0 13.g4 b5 14.a3 Tb8 15.h4 Ld7 16.Lxf6
Lxf6 17.g5 Ld8 18.h5 a5 19.g6 Sxb3 20.Sxb3 fxg6 21.hxg6 h6
22.Sxa5 Txf3 Nach 22...Dxa5 folgt 23.Txh6, wonach Weiß 24.Th8+
Kxh8 25.Dh2+ nebst Matt droht.
23.e5 Le8 24.exd6 Dxa5 25.Txh6 gxh6 26.Dxh6
Lf6 27.d7 Lxc3 28.dxe8D+ Txe8
29.Dh1 Das nahe liegende 29.Td7?? scheitert an dem Konter 29...Tf1+ 30.Ka2
Ta1+! 31.Kxa1 Dxa3 32.Kb1 Dxb2#.
29...Te7 Um 30.Td7 zu verhindern. Rettet
Schwarz den angegriffenen Turm auf f3, z.B. mit 29...Tf2, dann folgt 30.Td7
mit Gewinn, da die Dame auf h1 den erwähnten Konter verhindert. Fritz 12
gibt allerdings 29...Dc7 30.Dxf3 Lxe5 mit ungefährem Ausgleich als beste
Verteidigung an. Beide Spieler befanden sich in hoher Zeitnot. Nach 29...Te7
zog Shirov
30.Dxf3 und nach
30...Lg7 endete die Partie plötzlich
Remis.
Ein bitterer Fehler, der Shirov den vollen Punkt und den geteilten ersten Platz
kostet. Nach 31.b4 Dc7 32.Da8+ Lf8 33.Tf1 gewinnt Weiß.
Vishy Anand blieb als einziger Spieler der Gruppe A ohne Niederlage. Allerdings
gewann er auch "nur" zwei Mal, wobei er etliche gute Stellungen nicht
verwerten konnte. So gesehen war Anands Schlussrundenpartie gegen Loek Van Wely
symptomatisch für sein ganzes Turnier. Im Mittelspiel sicherte sich Anand
nach einem Fehler Van Welys Vorteil, der dann jedoch in der Folge versandete.
L. Van Wely - V.Anand
Wijk aan Zee, 31.01.2010
1.Sf3 d5 2.d4 Sf6 3.c4 c6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7 6.Dc2 Ld6 7.b3 0-0 8.Le2 b6 9.0-0
Lb7 10.Lb2 De7 11.Tad1 Tfe8 12.Tfe1 Tad8 13.Lf1 e5 14.dxe5 Sxe5 15.Sd4 dxc4
16.Sf5 De6 17.Sxd6 Txd6 18.bxc4 Txd1 19.Sxd1 c5
Hier zog Weiß 20.e4?!, was Schwarz eine vorteilhafte taktische Abwicklung
gestattete:
20...Lxe4 21.Txe4 Sxe4 22.Dxe4 Sxc4 23.Dc2 Sxb2 24.Dxb2 g6 25.Se3
De5 26.Da3 Te7 27.g3 Kg7 28.h4 h5 29.Lc4 Td7 30.Dc1 Td4 31.a4 Dd6 32.Da1 Kg8
33.a5 Df6 34.Da2 Kg7 35.axb6 axb6 36.Kg2 Td7 37.Lb5 Td8 38.Lc4 Td7 39.Lb5 Td8
½-½
Eine mehr oder weniger beliebte Methode, in der letzten Runde Remis zu machen,
besteht darin, sich mit seinem Gegner am Abend vor der Runde eine spektakuläre
Partie oder Eröffnungsvariante heraus zu suchen, die zum Remis führt.
Und auf den ersten Blick sah es bei der Begegnung zwischen Short und Smeets
so aus, als hätten die beiden genau das gemacht. Nach einem heftigen taktischen
Schlagabtausch in der Eröffnung kam es nach 14 Zügen zu Remis durch
Dauerschach. Wie ein Blick in die ChessBase Mega-Datenbank 2010 verrät,
gingen die beiden dabei allerdings durchaus neue Wege:
N.Short - J.Smeets
Wijk aan Zee, 31.01.2010
1.e4 e5 2.Sf3 Sf6 3.d4 Sxe4 4.dxe5 Lc5 5.Lc4 Sxf2 6.Lxf7+ Kxf7 7.Dd5+ Kg6
Nach diesem unterhaltsamen Auftakt brachte Short jetzt eine Neuerung:
8.Lg5,
die nach
8...De8 9.Sh4+ Kxg5 10.Sd2 Kh6 11.Sf5+ Kg6 12.Sh4+ Kh6 13.Sf5+ Kg6
14.Sh4+ zum Dauerschach führte.
Peter Leko und Vassily Ivanchuk trennten sich nach 27 wenig spektakulären
Zügen Remis.
Auch diese Partie endete schnell Remis.
Für die längste und die einzige entschiedene Partie der Schlussrunde
in Gruppe A sorgte Hikaru Nakamura gegen Sergey Tiviakov.
Gruppe B
A. Naiditsch - E. l'Ami 1-0
W. So - A. Muzychuk ½-½
V. Akobian - D. Howell 1-0
P. Negi - A. Giri ½-½
P. Harikrishna - T. Nyback ½-½
L. Nisipeanu - E. Sutovsky ½-½
D. Reinderman - Ni ½-½
Spielt nächstes Jahr im A-Turnier: Anish Giri
In Gruppe B sicherte sich Anish Giri den Sieg mit einem kurzen Remis gegen Parimarjan
Negi. 9 Punkte aus 13 Partien lautet Giris Schlussbilanz. Arkadij Naiditsch,
der einzige deutsche Teilnehmer in Wijk beendete seinen starken Schlussspurt
mit Sieg über Erwin L'Ami und schob sich damit mit 8,5 Punkten auf den
ungeteilten zweiten Platz.
A.Naiditsch - E.L'Ami, Wijk aan Zee, 31. Januar 2010
Stellung nach 49.a4
In dieser für ihn unangenehmen Situation spielte Schwarz
49...Dxd4,
was nach
50.e8D Sxe8 51.Dxb5# zum Matt führte.
Blieb mit 5,5 aus 13 knapp unter 50 Prozent: Anna Muzychuk, die einzige Frau
in Gruppe B.
Gruppe C
D. Vocaturo - S. Swaminathan 1-0
S. Plukkel - B. Bok ½-½
L. Chao - Z. Peng 1-0
R. van Kampen - S. Kuipers 1-0
K. Lie - M. Muzychuk 0-1
N. Grandelius - R. Swinkels 0-1
A. Gupta - R. Robson 1-0
In Gruppe C stand der Chinese Li Chao bereits vor der Runde als Sieger fest.
Er krönte seine souveräne Vorstellung mit einem Mattangriff im Endspiel
und kam so auf 10 Punkte aus 13 Partien:
Li Chao - Z.Peng, Wijk aan Zee, 31. Januar 2010
Stellung nach 40...Le8
Weiß zog
41.Tcg7 und Schwarz gab auf.
Auf Platz Zwei, mit anderthalb Punkten Rückstand auf Li Chao, landete der
Inder Abijheet Gupta, der in der Schlussrunde gegen Ray Robson gewann.