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In der Geschichte der Schachweltmeisterschaften gab es bisher vier Epochen. In der ersten Epoche war der Titel Privatbesitz des Weltmeisters, es gab keine geregelte Qualifikation, der Weltmeister entschied - unter einem gewissen Meinungsdruck der Schachfreunde - selbst, gegen wen er spielte. Diese Phase dauerte von 1886 (Erste Weltmeisterschaft: Steinitz-Zukertort) bis 1946 (Aljechins Tod).
Danach übernahm der Weltschachbund die Regie - die zweite Epoche begann - und etablierte nach dem ersten Weltmeisterschaftsturnier von 1948 ein fest geregeltes System mit einem dreijährigen WM-Zyklus, das bis 1996 Bestand hatte. Richtig, 1993 traten Kasparov und Short mit ihrem WM-Kampf praktisch aus der FIDE aus und verursachten ein Schisma mit zwei Weltmeisterschaften. Die FIDE führte aber noch 1993 eine Ersatz-WM mit Karpov und Timman und 1996 eine Match-WM mit Karpov und dem als Herausforderer qualifizierten Gata Kamsky durch. Selbst die Wettkämpfe zwischen Karpov und Kasparov folgten dem Dreijahresrhythmus, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht: Der Wettkampf 1984/85 wurde abgebrochen 1985 neu angesetzt. 1986 erhielt Karpov die Möglichkeit zur Revanche. 1987 waren gegenüber 1984 schon wieder drei Jahre vorbei und 1990 spielten die beiden noch einmal.
Kasparov, der seinen Titel 1993 gegen Short verteidigt hatte, schaffte es mit den Sponsorengeldern von Intel einmal, 1994-95, eine richtige WM-Qualifikation mit seiner PCA auf die Beine zu stellen. Er verteidigte den Titel gegen Anand, 1995. Später reichte es nur noch zu einem Titelkampf, 2000 gegen Kramnik, den er verlor. Kramnik trat 2004 erfolgreich gegen Leko an, nachdem dieser sich in Dortmund in einem Turnier dafür qualifiziert hatte und spielte 2006 den Wiedervereinigungskampf gegen Topalov, unter der Bedingung, dass die FIDE zum alten Matchsystem zurückkehren würde. Es ist eine besondere Leistung von Kramnik, dass er mit dafür gesorgt hat, dass die beiden Weltmeistertitel wieder vereinigt werden.
1996 hatte nämlich der neue FIDE-Präsident Kirsan Ilyumzhinov, Nachfolger von Florencio Campomanes, angekündigt, das bisherige WM-System abschaffen zu wollen - ohne Not eigentlich. Stattdessen sollte die Weltmeisterschaft in einem großen Turnier mit 128 Spielern in einem K.o-System ausgespielt werden - und das sogar jährlich. Zu der Zeit liefen im Hintergrund noch Gespräche zwischen Kasparov und der FIDE über eine mögliche Wiedervereinigung, aber diese Chance war nun mit einem Federstrich vertan.
Man kann darüber spekulieren, ob Ilyumzhinov bewusst ein anderes System einführte, um Kasparov zu schwächen und den Weltmeister generell zu entmachten, da ein jährliches System dazu führen musste, dass es viele verschiedene Weltmeister geben würde, oder ob es einfach nur eine mehr oder minder gedankenlose neue Idee war.
Der erste Versuch eine K.o.-Weltmeisterschaft zu spielen, in Groningen 1997, scheiterte, denn Karpov, FIDE-Titelverteidiger von 1996, pochte auf seine Verträge mit der FIDE und erreichte, dass er nicht im Turnier antreten musste, wie ursprünglich gedacht, sondern dass er gegen den Sieger des K.o.-Turniers, das war dann Anand, wie sich später herausstellte, seinen Titel in einem kleinen Match oder WM-Finale verteidigen konnte.
Die FIDE richtete danach aber vier richtige Weltmeisterschaften im K.o.-System aus: 1999 in Las Vegas, 2000 in Neu-Delhi und Teheran, 2001 in Moskau und 2004 in Tripolis. Einmal gewann einer der Favoriten, Anand im Jahr 2000. Dreimal wurden Außenseiter Weltmeister: Alexander Khalifman, Ruslan Ponomariov und Rustam Kasimdschanov.
Die Zeit des Schismas ist die 3. Epoche in der Geschichte der Schachweltmeisterschaften.
Das neue System wurde mit großer Skepsis betrachtet, von den Spitzenspielern und der Schachpresse. Eine Reihe von Spielern begrüßten allerdings auch das neue Format, denn so konnten sie, obwohl nicht zur absoluten Elite gehörend, auch bei einer Weltmeisterschaft mitspielen. In der Schachgeschichte wurde der Titel des Weltmeister jedoch immer mit dem besten Spieler der Welt verbunden. Das K.o.- System produzierte nun jedoch offensichtlich zu viele Ergebnisse, die von Tagesform und Zufall gesteuert waren. Es hat aber einige Zeit gedauert, bis es als WM-Format wieder entfernt wurde. Derzeit ist es noch als Format des FIDE- "World Cups" in Gebrauch und immerhin noch das Qualifikationsturnier für zwei Plätze im Kandidatenturnier.
Wie ungeeignet das K.o,-Format in dem Sinne ist, kann man man immer noch bei der Frauen-Weltmeisterschaft sehen, wo dieses Format jedes zweite Jahr angewendet wird und zuletzt Anna Ushenina und Mariya Muzchuk als Weltmeisterinnen hervorbrachte. Beide hatten den Turniersieg durch ihre Leistung in diesem Format ohne Zweifel verdient, sind aber sicher nicht die besten Spielerinnen der Welt.
Magnus Carlsen, Weltmeister seit 2013 und Weltranglistenerster, brachte nun gestern überraschend das K.o.-System als WM-Format wieder ins Gespräch und sorgte damit in der Schachwelt für einiges Aufsehen. Auf seinem Facebook-Account veröffentlichte er folgenden Beitrag:
Mit seinem Beitrag erzeugte Carlsen eine Vielzahl von Kommentaren, die man am besten auf seiner Facebook-Seite (s.u.) nachliest.
Wer aufmerksam liest, hat die drei Botschaften in Carlsens Beitrag entdeckt:
1. Ich halte das gegenwärtige System für ungerecht.
2. Ich schlage ein K.o.-Turnier als besseres System vor.
3. Ich schlage eine jährliche Austragung vor.
Derzeit befinden wir uns in der 4. Epoche der Geschichte der Weltmeisterschaften. Das Zeit der Spaltung liegt hinter uns. Doch das optimale WM-Format wurde noch nicht wieder gefunden.
Mit Punkt eins liegt der Weltmeister sicher richtig. Zuletzt wurde der Herausforderer mittels eines Qualifikationsturniers ermittelt. Die Turnierform ist dafür, wie man seit dem Kandidatenturnier Curaçao 1962 weiß, in Bezug auf Fair Play nicht unbedingt das optimale Format. Nicht ohne Grund wurden danach Kandidatenturniere eingeführt. Für die Zuschauer waren - zumindest die letzten Kandidatenwettkämpfe, 2011 in Kazan, allerdings langweilig, denn es gab viele Remispartien und die Entscheidungen fielen oft erst in den Stichkämpfen. Das lag aber wohl auch am Format, das nur wenige Partien pro Wettkampf vorsah.
Die Qualifikation für die Wettkämpfe und Turniere sind derzeit zwar geregelt, die Regeln wurden aber in den letzten Jahren auch immer wieder geändert. Und sie wirken unausgegoren. Über die Kontinentalmeisterschaften können sich Spieler für den World Cup qualifizieren. Wer hier ins Finale kommt, hat sich für das Kandidatenturnier qualifiziert. Ein guter Spieler in Form, kann das - mit Können und Glück - in den zwei Turnierwochen schaffen.
Schwieriger ist es schon, sich über die Grand Prix-Serie zu qualifizieren, da man hier über einen viel größeren Zeitraum bei weit mehr Partien eine konstant gute Leistung bringen muss. Schließlich kann man sich über seine (hohe) Elozahl qualifizieren und da hat es mancher bei der Optimierung und Konservierung von Elozahlen zum richtigen Zeitpunkt schon zur Meisterschaft gebracht. Doch die Qualifikation über Elo ist träge. Hier werden vor allem vergangene Leistungen berücksichtigt, aufstrebende Spieler kommen nicht zum Zuge. Am einfachsten scheint die Qualifikation als Vertreter des Gastgebers (bzw. Sponsors) - wenn man im richtigen Land wohnt.
Ob ein K.o.-Turnier die richtige Antwort auf diese Problemstellung ist, ist - wie oben angedeutet - diskussionswürdig. Die Erfahrungen scheinen zu zeigen, dass das nicht so ist, aber vielleicht gibt es auch bessere Formate als das gegenwärtige World-Cup-Format. Und vielleicht hat Magnus Carlsen an so etwas gedacht.
Und eine weitere Frage ist, ob ein jährlicher WM-Zyklus, wie es das ja bei den Frauen gibt, oder zumindest geben soll, das Richtige ist. Man hat dann zwar ein jährliches Spektakel, aber ob dieses Schachereignis auch außerhalb der Schachwelt dann noch regelmäßig wahrgenommen wird, ist doch sehr fraglich.
Wir möchten die Fragen unsere Leser weiterreichen und bitten, an der Abstimmung teilzunehmen. Im Kommentarbereich kann man auch seine Argumente anführen.
carlsen_proposal
Magnus Carlsen bei Facebook...