Carlsen überlegener Sieger der Speedchess Meisterschaft

von André Schulz
09.09.2024 – Nachdem Magnus Carlsen am Freitag das emotional aufgeladenen Halbfinalmatch gegen Hans Niemann souverän gewonnen hatte, konnte er am Sonntag gegen Alireza Firouzja im Finale der chess.com Speedchess Meisterschaft befreit aufspielen. In einem einseitigen Match zeigt der Weltranglistenerste seine ganze Spielkunst. | Fotos und Grafiken: Chess.com

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Die Chess.com Speedchess Meisterschaft wurde 2016 ins Leben gerufen und hat sich inzwischen als Leuchtturm bei den verschiedenen Online-Wettbewerben fest etabliert. Im Hauptturnier treten 16 Top-Spieler im K.o.-System an und ermitteln den Sieger in einer Art Dreikampf in den drei kurzen Bedenkzeiten 5-Minutenblitz, 3-Minutenblitz und 1-Minutenbullet, jeweils mit einer Sekunde Zugabe pro Zug. Es wird nicht auf eine bestimmte Punktezahl gespielt, die es zu erreichen gilt, sondern jede Disziplin wird über eine bestimmte Zeit gespielt, die erste Abteilung über 90 Minuten, die zweite über 60 Minuten und die dritte über 30 Minuten. Das ist ein interessantes Format, das den Zuschauern und Spielern gleichermaßen Spaßmacht. Normalerweise sitzen die Spieler zu Hause und tragen ihre Blitzmatches am eigenen Rechner aus. Bisweilen organisiert chess.com aber auch Finalturniere oder Finalrunden mit der physikalischen Anwesenheit der Spieler an einem Ort und lässt die dort gegeneinander antreten. So auch bei der diesjährigen Speedchess-Finalrunde, die in einem französischen eSport-Zentrum in Paris ausgespielt wurde, dem ESpot, nur einen Steinwurf vom Louvre entfernt.

In den bisherigen Turnieren dieses Formats gab es tatsächlich nur zwei Sieger. Hikaru Nakamura und Magnus Carlsen, wobei der eigentliche Chef im Ring der US-Großmeister ist, mit fünf Turniersiegen in Folge zwischen 2018 und 2022. Carlsen gewann dieses Turnier 2017 und 2018 und erneut 2023. 

Für die Finalrunden in Paris hatten sich die drei Spieler qualifiziert, die wohl die allerbesten Experten für Online-Partien mit ganz kurzen Bedenkzeiten sind, nämlich Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura und auch noch Alireza Firouzja. Als vierter Spieler hatte auch noch Hans Niemann den Sprung in diese Elite-Gruppe geschafft. Angesichts der Kontroverse zwischen Magnus Carlsen, Hikaru Nakamura und auch chess.com einerseits und Hans Niemann andererseits im Zuge der Cheating-Vorwürfe gegen Hans Niemann sorgte dies natürlich für besondere Brisanz. Hinzu kommt, dass Hans Niemann ein notorischer Lautsprecher ist und mit seinen Äußerungen und Statements oft provoziert.

Am Freitag kam es schon im ersten Halbfinale zum besonders knisternden Duell zwischen Carlsen und Niemann, die sich im ESpot-Studio schräg gegenüber saßen, sich aber keines Blickes würdigten. Man merkte Magnus Carlsen eine gewisse Nervosität an. Im Verlauf des langen Wettkampfes verpatzte er einige vorteilhafte oder Gewinnstellungen. Hans Niemann erwies sich als ernst zu nehmender Gegner, aber der Spielstärkeunterschied zwischen den beiden Spielern wurde doch klar sichtbar und Carlsen ging am Ende des Tages noch mit einem ungefährdeten 17,5:12,5 vom Tisch.

Master Class Band 8 - Magnus Carlsen 2.Auflage

Sehen Sie, welche Eröffnungen Carlsen wählt, um seinen Gegner im Mittelspiel strategisch zu überspielen oder ein vorteilhaftes Endspiel zu erhalten.

Mehr...

Da Hikaru Nakamura sein Halbfinalmatch gegen Alireza Firouzja zuvor verloren hatte, kam es am Samstag zum ebenfalls emotional aufgeladenen Match um Platz drei zwischen Hikaru Nakamura und Hans Niemann. Der nervenstarke Nakamura sorgte mit einem sehr deutlichen 21:9 jedoch für klare Verhältnisse.

Am Sonntag stand dann das Finalmatch zwischen den beiden Halbfinalsiegern Magnus Carlsen und Alireza Firouzja an. Nachdem Carlsen die für ihn emotional schwierige Hürde mit Hans Niemann gemeistert hatte, konnte er nun gegen den Franzosen in dessen Heimspiel befreit aufspielen und zeigte dabei seine ganze Spielkunst. 

In keiner der drei Disziplinen hatte Firouzja auch nur den Hauch einer Chance gegen den entfesselt spielenden Weltranglistenersten. Carlsen legte im 5-Minutenblitz mit 6:3 vor, baute seine Führung im 3-Minutenblitz nach einem nach einem 8:2 deutlich aus und war besonders im 1-Minutenblitz der klar bessere Spieler bei einem 9,5:2,5-Ergebnis.

Gegen 1.d4 wählte Firouzja einige Male die Königsindische Verteidigung, die einem taktisch versiertem Spieler immer Möglichkeiten zu Tricks bietet, prallte damit aber in den meisten Partien an Carlsen ab.

A World Champion's Guide to the King's Indian (2nd Edition)

Rustam Kazimdzhanov führt in die Geheimnisse der Königsindischen Verteidigung ein.

Mehr...

In der Gesamtwertung hieß es am Ende 23,5:7,5 - der höchste Sieg, der jemals in einem Speedchess-Final erreicht wurde.

Alireza Firouzja, über zehn Jahre jünger als Carlsen, nahm die Niederlage gelassen auf und betrachtete es Lehrstunde.  

Partien

Offizielle Webseite...


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
Diskussion und Feedback Senden Sie Ihr Feedback an die Redakteure