Die Glanzpartie
Sagar Shah kommentiert Nihal Sarin – Sonis Francesco (World Online Youth under–18, 22.12.2020)
1.d4 d5 2.Sf3 Sf6 3.c4 e6 4.Sc3 Lb4 5.Lg5 dxc4 Damit betritt die Partie das Territorium der Wiener Variante, eine von Nihals Lieblingseröffnungen.
6.e4 h6 7.Lxf6 Dxf6 8.Lxc4 c5 9.0–0 cxd4 10.e5 Dd8 11.Se4 0–0 12.Sxd4 12.De2 Dies galt als Hauptabspiel, in dem Weiß manchmal überhaupt nicht daran denkt, den d4–Bauern zurückzuschlagen. Er stellt seinen Läufer Turm nach d1, den Läufer nach d3, zieht den Springer nach g3 zurück und versucht mit De4, einen Angriff auf das Feld h7 zu starten. Möglich ist in vielen Abspielen auch der Vorstoß g4–g5.
12...Dc7!? Dieses Zug hatte Nihal auch schon mit den schwarzen Figuren in seinen Online-Übungspartien gegen Sergey Drygalov gespielt. Vor einem Jahr hatte Nihal in dieser Stellung als Schwarzer seinen Läufer nach e7 zurückgezogen und die Partie gegen Sarana remisiert: 12...Le7 13.Sb5 Sc6 14.Dh5 Da5 15.f4 Db6+ 16.Kh1 Sd4 17.Sxd4 Dxd4 18.De2 b5 19.Lxb5 Lb7 20.Ld3 Tad8 21.Tad1 Db6 22.Sc3 Td4 23.Sb5 Td5 24.Sc3 Td4 25.Sb5 Td5 26.Sc3 ½–½ (26) Sarana,A (2655)-Nihal,S (2610) Cap d'Agde 2019
13.Sf6+!
Sofort gezogen. Nihal war mit allen Feinheiten hier bestens vertraut. 13.Ld3 Dxe5; 13.De2 Dxe5
13...Kh8 13...gxf6 14.Dg4+ Kh8 (14...Kh7? 15.exf6+– Der Läufer kommt nach d3 zurück und es ist alles gelaufen. 15...Tg8 16.Ld3+ Tg6 17.Lxg6+ fxg6 18.Tac1 Dd8 19.Tfd1+–) 15.Df4! Dies ist ein wichtiger Zug. Die Partie ist hier längst nicht vorbei, aber Weiß steht nicht schlechter. Dies sah man auch in der Partie zwischen Sarana und Gharibyan beim Chess.com's titled Tuesday. 15...Kh7 (15...Dxe5 16.Dxh6+ leitet über zur Partie.) 16.Ld3+ f5 17.Tac1 Sc6 (17...Dd8 18.Txc8! Dxc8 19.Sxf5+–) 18.Sxc6 bxc6 19.Dxb4 Weiß steht zuallermindest leicht besser.
14.Dc2 gxf6 Der Springer muss geschlagen werden.
15.Dc1
Dxe5 15...Kg7 16.exf6+ Kxf6 17.a3!? (17.Dxh6+ ist ebenfalls möglich. Aber das Einschalten von a3 mag noch einen Tick genauer sein. 17...Ke7 18.Dg5+ f6 19.Dg4?) 17...Ld6 18.Dxh6+ Ke7 19.Tfe1 Lxh2+ 20.Dxh2 (20.Kh1 Df4?) 20...Dxh2+ 21.Kxh2?; 15...Kh7 16.Ld3++–
16.Dxh6+ Kg8 Und hier kommt der wichtigste Moment der Partie.
17.f4!!
Welch ein Zug von Nihal! Man sieht es nicht oft, dass in einer Stellung eine Partei, die eine Figur weniger hat, noch eine weitere Figur mit Schach anbietet. Und nicht nur das, nachdem die Dame den Springer auf d4 schlägt, hängt sogar noch der Läufer auf c4! Das würde bedeuten, man könnte durchaus drei Figuren verlieren und trotzdem die Partie gewinnen!
17.Sf3 Df5–+; 17.Tfe1 Lxe1–+
17...Dxd4+ 18.Kh1 De4 18...Dxb2 19.Tab1 Dc2 (19...Dc3 20.Tb3+–) 20.Tb3 Dg6 21.Tg3 Dxg3 22.hxg3 mit Vorteil für Weiß; 18...Dxc4 19.Tf3 De4 20.Th3+– führt zu einem forcierten Matt. (20.Tg3+ Dg6)
19.Tf3 Dg6 19...Dxf3 20.gxf3+–
20.Tg3 Dxg3 21.hxg3
Die entstehende Stellung ist besser für Weiß. Materiell geht es Schwarz zwar gut, aber mit all seinen Figuren ins Spiel kommend ist Weiß einfach viel besser koordiniert.
21...Te8 21...Sc6!?
22.Dxf6 Le7 23.Dh6 Lf8 24.Dg5+ Lg7 25.Td1 Sd7 25...Sc6 26.g4 b6 27.f5 exf5 28.gxf5+–
26.Lb5 Erlaubt nicht die Konsolidierung mit ...Sf6.
26...f6 27.Dg6 Te7 28.Td6
Eine bärenstarke Idee war es, damit zu beginnen, den g-Bauern das Brett hinaufzujagen: 28.g4! a6 29.Lc4 b5 (29...Sf8 30.Td8+–) 30.g5! (30.Lb3?! Sf8 31.Td8 Lb7!?) 30...fxg5 (30...bxc4 31.gxf6 Sxf6 32.Td8+ Te8 33.Txe8+ Sxe8 34.Dxe8+ Kh7 35.Dc6 Tb8 36.Dxc4+–) 31.Lxe6+ +–
28...a6 29.Ld3 b5 30.De4 30.Dh7+ Kf8 (30...Kf7 31.Dh5+ Kf8 32.Df3+–) 31.De4 Tb8 (31...Ta7 32.De3 (32.Txe6 Sc5?) 32...Tc7 33.Txe6+–) 32.De3. Der e6–Bauer ist weich und auch Da7–Ideen liegen in der Luft. Weiß steht besser.
30...Ta7 31.Txe6 31.De3 Sf8 Dies war der Grund, weshalb der Zwischenzug Dh7+ sehr hilfreich gewesen wäre. Der Sprigner bekommt nicht dieses Feld, weil der König auf f8 steht. Sobald der Springer nach f8 kommt, hat sich Schwarz offenbar konsolidiert.
31...Sc5 32.Dh7+ 32.Txe7 Sxe4 33.Txa7 Sd6
32...Kf8 33.Tc6 33.Txe7 Txe7 34.Lf5 mit weißem Vorteil.
33...Tac7 34.Txc7 Txc7 35.Lf5
Ein wichtiger Moment der Partie ist hier erreicht. Der Tausch der weißfeldrigen Läufer verschafft der weißen Dame in der Stellung eine Menge Mobilität. Und daher wäre ...Se6! der beste Zug gewesen, wonach noch eine Menge Kampf in der Stellung steckt.
35...Lb7? Der finale Fehler der Partie. Besser war noch 35...Se6.
36.b4! Der Springer wird befragt, und als Nächstes gewinnt Le6 einfach einen Haufen Material.
36...Sd7 37.Le6 Ke7 38.Lxd7 Txd7 39.Dxg7+ Ke8 40.Dxf6 Tf7 41.Dc3 Te7 42.Dd2 Td7 43.Dc2 Te7 44.Kg1 Kd7 45.g4 Te4 46.g5 Tc4 47.Dh7+ Eine großartige Partie von Nihal und auch eine beeindruckende Umwandlung der Eröffnungsvorbereitung in einen vollen Punkt. Diese Partie zeigt auch, wie man aus seinen eigenen Niederlagen lernen kann und dann in seinen künftigen Partien improvisiert. Für diesen Sieg gewann er übrigens auch den Gazprom Schönheitspreis!
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