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Einer der großen französischen Schachclubs war der Cercle d'échecs Caïssa in Paris, 1939 gegründet. Von 1970 an wurde der Club von der besten Spielerin Frankreichs und einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der französischen Schachgeschichte geleitet, von Madame Chantal Chaudé de Silans. Der Klub residierte zu dieser Zeit in einer großen Wohnung in Paris, im Haus 2, rue Pigalle. Zuletzt hatte er seinen Sitz in der Rue Rougemont. Unter der Leitung von Chantal Chaudé de Silans gewann der Cercle d'échecs Caïssa 1986 die Französische Meisterschaft. Zwischen 1947 und 1967 gewann der Club 18 Mal den französischen Mannschaftspokal "La Coupe de France".
Zum Trainerstamm des Klubs gehörten Jacques Maclès, einer der besten französischen Spieler der Nachkriegszeit, französischer Landesmeister 1970 und Meister von Paris 1975, und der frühere WM-Kandidat Lev Polugajevsky aus der Sowjetunion. Sie trainierten im Club viel versprechende Talente wie Joel Lautier und Sébastien Mazé. Der achte Schachweltmeister Boris Spassky war prominentes Mitglied und regelmäßiger Besucher des Clubs. Zum traditionellen Blitzturnier am Samstag Nachmittag erschienen regelmäßig viele weitere namhafte Spieler, darunter auch David Bronstein.
Nachdem der Club 2001 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, übernahm Nahed Ojjeh, Tochter eines syrischen Generals und Witwe des Waffenhändlers Akram Ojjeh, den Cercle d'échecs Caïssa und benannte ihn gegen den Protest vieler französischer Schachfreunde in "NAO Chess Club" um. Nahed Ojjeh, in der Paris Society auch "Madame O." genannt, stellte dem Club nun ein Budget von 500.000 Euro jährlich zur Verfügung. Der Club hatte zwar mit seiner Tradition gebrochen, erlebte aber dank seiner Geldgeberin eine neue, wenn auch kurze Blütezeit. Viele starke Spieler wurden engagiert, darunter Vladimir Kramnik, Alexander Grischuk und Peter Svidler. Der Politiker Dominique Strauss-Kahn und die Journalistin Anne Sinclair, Erbin einer bedeutenden Gemäldesammlung und bis 2013 Ehefrau von Strauss-Kahn, wurden Mitglied im NAO Chess Club. Zwischen 2003 und 2006 gewann der Club viermal die französische Meisterschaft, zweimal den Pokal und 2003 und 2004 auch die Europa-Vereinsmeisterschaft. 2006 beendete Nahed Ojjeh ihr Engagement. Der Club wurde nun in Paris Chess Club umbenannt und verschwand in der Bedeutungslosigkeit.
Viel länger als Nahed Ojjehs Engagement hatte Chantal Chaudés de Silans' Einsatz für den Cercle d'échecs Caïssa Paris gedauert, 30 Jahre lang. Heute jährt sich der Geburtstag der großen Dame des französischen Schachs zum 100sten Mal. Sie hat am gleichen Tag wie Bobby Fischer Geburtstag, wurde aber viele Jahre vorher, am 9. März 1919 als Chantal des Silans in Versailles geboren. Schach lernte sie zusammen mit ihrem Bruder als sie neun Jahre alt war. Ihr Vater, Baron de Silans, war ein großer Schachfreund und Bewunderer des Spiels von Alexander Aljechin. Der 4. Weltmeister wurde auch das Idol von Chantal des Silans und in den 1930er Jahren hatte sie einige Male Gelegenheit, ihn zu sehen. Einmal spielte sie in einem Simultan gegen ihn und war von Aljechins Energie und seiner Spielkunst sehr beeindruckt.
Schon mit 13 Jahren nahm Chantal des Silans 1932 an der Französischen Meisterschaft der Frauen teil und belegte bereits den 4. Platz. Die Preisverleihung nahm Aljechin vor. 1936, im Alter von 17 Jahren, wurde sie das erste Mal Landesmeisterin. 1939 spielte Chantal des Silans als einzige Frau bei einem Internationalen Turnier in Paris mit, und landete mit 2,5 Punkten aus 14 Partien nur auf dem letzten Platz, nahm aber dem Sieger Nicholas Rossolimo und auch dem Zweitplatzierten Savielly Tartakower jeweils einen halben Punkt ab.
1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, heiratete sie Bernhard Chaudé, mit dem sie im Laufe ihrer Ehe vier Kinder hatte, einen Sohn und drei Töchter. Das Paar ging 1939 zunächst nach Marokko, kehrte aber 1942 nach Frankreich zurück und schloss sich der Resistance an. Noch während des Zweiten Weltkrieges und der Besetzung Frankreichs durch die Deutschen kam es 1944 im Schachclub Caissa in Paris zu einem Wettkampf zwischen Chaudé de Silans und der Münchnerin Friedl Rinder, den die Französin mit 8:4 für sich entschied.
Nach dem Ende des Krieges spielte Madame Chaudé des Silans vor allem bei Männerturnieren mit, darunter bei den Pariser Meisterschaften 1946 und 1947 und als erste Frau auch bei den Offenen Französischen Landesmeisterschaften 1947 und 1949.
Französische Meisterschaften Besancon 1949
Bei einem Frauenschachturnier im Oktober 1949 in Barcelona teilte Chantal Chaudé de Silans zusammen mit Eleen Tranmeer den ersten Platz. Im November desselben Jahres spielte sie als einzige Frau bei einem Turnier in Sitges mit, holte 50% und schlug unter anderem das spanische Wunderkind Arturo Pomar.
Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen wurde Chantal Chaudé des Silans zu den ersten Frauen-Weltmeisterschaften nach dem Krieg, die 1949-50 in Moskau stattfanden, eingeladen. Bis zur zwölften Runde führte die Französin das Feld zusammen mit der späteren Siegerin und Weltmeisterin Ljudmilla Rudenko an.
Dann verlor sie zwei Partien in Folge und fiel zurück. Die Ursache für den Zusammenbruch sah Chaudé de Silans selber in der unverdient gewonnenen Partie in der 12. Runde gegen Mona Karff. Die Amerikanerin hatte eine Gewinnstellung verdorben und dann auch noch einen ganzen Turm eingestellt.
Hier kann Schwarz mit 37...De3 38.Kh1 Txe1 gewinnen. Karff spielte stattdessen 37...Df8? und stellte nach Schlagen auf e2 und Sd4 den Turm e2 ein.
Für ihren Patzer wurde Karff am nächsten Tag in der russischen Tagespresse zerrissen. Chaudé de Silans verlor wegen der unfairen Behandlung ihrer Gegnerin die Motivation und hatte sogar überlegt, das Turnier abzubrechen, schrieb sie später in L'Echiquier de Paris.
Alexander Kotov lobte den Auftritt der Französin in Moskau:
"Bei der Weltmeisterschaft der Frauen eroberte Madame Chaudé de Silans die Herzen der sowjetischen Öffentlichkeit. Sie spielte sehr gut, hat mehrere Runden geführt. Schade, dass sie am Ende strauchelte."
Als eine der besten Nichtrussinnen belegte Chaudé de Silans schließlich den geteilten fünften bis siebten Platz bei 16 Teilnehmerinnen. In Interviews hob Chaudé de Silans die ausgezeichnete Organisation in Moskau und die sportliche Fairness, vor allem auch der vier russischen Spielerinnen, hervor. Botvinnik und Smyslov waren übrigens häufiger unter den Zuschauern dieser Frauenweltmeisterschaft zu finden.
Obwohl Mutter von vier Kindern fand Chantal Chaudé de Silans später Zeit, 1952 und 1955 in Moskau, sowie 1961 in Vrnjacka Banja, erneut am Kampf um die Frauenweltmeisterschaft teilzunehmen.
Bei der Schacholympiade 1950 in Dubrovnik fehlten die Mannschaften der UdSSR und der übrigen Ostblockstaaten, um Jugoslawien und dessen Staatschef Tito für eine zu unabhängige Politik zwischen den Machtblöcken in Ost und West zu bestrafen. Nur 16 Länder nahmen an dieser Olympiade teil, doch hier in Dubrovnik war Chantal Chaudé de Silans die erste Frau, die überhaupt je in einer (Männer)- Nationalmannschaft an einer Schacholympiade teilnahm. Von ihren sechs Partien konnte sie eine gewinnen und spielte einmal remis.
1950 verlieh die FIDE ihr den Titel einer Internationalen Meisterin (WIM). Später wurde sie zur Frauengroßmeisterin ehrenhalber ernannt.
Chantal Chaudé de Silans, links, rauchte Gitanes | Foto: Durch National Archive
Auch in den folgenden Jahren suchte Madame des Chaudé de Silans im Schach immer den sportlichen Vergleich mit den Männern. Bei den Französischen Meisterschaften 1951 in Vichy wurde sie geteilte Dritte und unterlag im gleichen Jahr in einem Wettkampf gegen Henry Grob (Schweiz) mit 2,5:5,5. Sie nahm 1952 erneut an den Offenen Französischen Meisterschaften teil (7. Platz), 1954 am Pierre Caillon Cup (8. Platz) und am Jubiläumsturnier in Stuttgart (9. Platz), Ende 1954 am Weihnachtsturnier im Caissa Club Paris (11. Platz). 1955 ging es mit der Französischen Landesmeisterschaft weiter und 1957 gehörte sie auch zum Teilnehmerinnenkreis bei der ersten Frauenolympiade in Emmen, inzwischen war sie fast 50.
Die Zahl der internationalen Turniere, die sie spielte, wurde im Laufe der nächsten Jahre immer geringer, doch sie blieb regelmäßige Teilnehmerin der Französischen Meisterschaften und an Mannschaftskämpfen in den französischen Ligen. Noch 1999, mit 80 Jahren, spielte die große Dame des französischen Schachs Mannschaftskämpfe mit.
Nach und nach wechselte Chantal Chaudé de Silans immer mehr vom Kreis der aktiven Spielerinnen in den Bereich der Organisation. So übernahm sie 1970 die Leitung des Pariser Caissa Clubs und war auch maßgeblich an der Organisation des Kandidatenwettkampfes zwischen Lev Polugajevsky und Viktor Kortschnoj 1977 in Evian beteiligt.
Vlastimil Hort erinnerte sich, dass "Madame Chaudé" in Paris außerdem ein Hotel führte und Schachspieler dort willkommen waren und auch Sonderpreise erhielten.
Am 5. September 2001 starb Chantal Chaudé des Silans in Grasse.