Chaos in der Frauenbundesliga

von Thomas Marschner
26.11.2021 – Eigentlich wollte die Frauenbundesliga an diesem Wochenende geschlossen in die neue Saison starten, doch dann machten die unterschiedlichen Corona-bedingten behördlichen Vorschriften in den verschiedenen Bundesländern diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Für einige Teams bringt die kurzfristige Absage erhebliche Unkosten mit sich. Dr. Thomas Marschner berichtet.

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Chaos in der Frauenbundesliga

Eigentlich sollte an dieser Stelle der Vorbericht auf die erste Doppelrunde der Frauenbundesliga am ersten Adventswochenende erscheinen, eigentlich ein idealer Termin für den Saisonstart, wo doch Schach aufgrund der zeitgleich beginnenden WM in Dubai mal wieder in aller Munde ist. Doch nur zwei Tage vor dem Start ist immer noch nicht klar, wo und ob eigentlich gespielt wird. Die Coronapandemie mit ihrem unverändert Deutschland-weitem Flickenteppich an Regelungen hat den Organisatoren einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht, dazu kommt, dass der DSB sich bisher um eine klare Definition des Status der Liga, die er ja gerne als „beste Liga der Welt“ bezeichnet, drückt (heißt: handelt es sich um eine Liga, die den Ausnahmeregelungen des Leistungs- und Profisports unterliegt oder um eine reine Amateurliga). Während es so aussieht, dass in Norderstedt wie geplant gespielt werden kann – dort treten Harksheide und Hamburg gegen Hemer und Lehrte an – sieht es an den anderen beiden vorgesehenen Spielorten anders aus.

Vor wenigen Tagen zog Spielleiter Roland Katz für den Spielort Leipzig die Notbremse und sagte die dort stattfindende Doppelrunde aufgrund der sächsischen Corona-Verordnung ab. Dem vorausgegangen war ein unerquicklicher, hochemotionaler und nicht immer ganz sachlicher E-Mail-Austausch zwischen Teilen der Teamleitungen der beteiligten Vereine hinsichtlich Sinns und Unsinns einer Austragung der Runde im sächsischen Corona-Hochinzidenzgebiet.

Eigentlich sollten in Leipzig die Gastgeber und Löberitz gegen Meister Bad Königshofen und Vizemeister Schwäbisch Hall antreten. Durch die kurzfristige Absage entsteht Schwäbisch Hall aufgrund von Stornokosten ein 4-stelliges Minus, das sich durchaus auf eine weitere Teilnahme an der Liga auswirken kann. Daher fehlt gerade bei den Verantwortlichen des SK Schwäbisch Hall das Verständnis für die Absage der Runde. Alle vorgesehenen Spielerinnen und Betreuer sind vollständig geimpft. Zudem hatte man angenommen, dass die Frauenbundesliga unter die Ausnahmeregelungen für den Profisport fällt, da der Deutsche Schachbund sogar vor einigen Wochen Akkreditierungen für Spielerinnen ausstellte, die eine Einreise ohne Quarantäne auch für Ungeimpfte (bzw. mit einem in Deutschland nicht zugelassenen Impfstoff Geimpfte) aus Hochrisikogebieten erlauben. Diese Ausnahmereglungen gibt es nur für den Profisport. Für die letzten drei Runden der vergangenen Saison Anfang September 2021 konnte eben mit solchen Ausnahmereglungen Meister Bad Königshofen bei einigen Spielerinnen die Quarantäne nach Einreise aus Risikogebieten umgehen, was überhaupt erst den Gewinn der Meisterschaft möglich machte.

Nun ist es plötzlich offenbar nicht mehr so, dass für die Frauenbundesliga diese Ausnahmereglungen für Leistungssportler und Profisportler gelten. Und weder die Ausrichter noch der Deutsche Schachbund haben sich um eine entsprechende Ausnahmereglung für den Spielort Leipzig bemüht, sondern man hat die Coronaverordnung gelesen und die Kämpfe direkt abgesagt. Schwäbisch Hall hatte sogar angeboten, die Ausrichtung kurzfristig selbst zu übernehmen, um eine komplette Absage zu verhindern, darauf wurde aber nicht eingegangen. In Württemberg wurde am 24.11.2021 entscheiden, die Saison regulär fortzusetzen, und in Hessen wurde erst letzte Woche das Heusenstammer Open mit über 300 Teilnehmer ohne Corona-Vorfälle erfolgreich durchgeführt.

Dementsprechend gibt der DSB hier kein besonders gutes Bild ab, insbesondere da nicht unbedingt zu erwarten ist, dass die Situation bei der nächsten Doppelrunde im Februar oder im kommenden Winter eine andere sein wird. Wann die abgesagten Spiele nachgeholt werden sollen und ob alle Vereine zu dem neuen Termin überhaupt in der Lage sind, eine Mannschaft zu stellen, steht völlig in den Sternen.

Schon vor Saisonbeginn gab es Protestandrohungen einzelner Vereine gegen die neuen Reisepartnerschaften, da aufgrund der Situation in Süddeutschland mit nur noch drei Vereinen (Deizisau, Baden-Baden, Schwäbisch Hall) eine Reisepartnerschaft zwischen den nur wenige Kilometer auseinanderliegenden Vereinen aus Bad Königshofen und Bad Kissingen (KissChess) nicht möglich war. Dies führte zu zusätzlichen Spannungen zwischen den Vereinen und zu Verzögerungen in der Saisonplanung.

Auch für den dritten Austragungsort der ersten Doppelrunde ist noch nicht klar, welche Begegnungen dort überhaupt stattfinden werden. In Deizisau sollen die SF Deizisau gemeinsam mit dem neuen Reisepartner Baden-Baden auf KissChess und Rodewisch treffen, doch aus Bad Kissingen hört man, dass man aufgrund von Corona lieber nicht antreten möchte. Planbarkeit sieht anders aus, besonders wo am selben Tag die entsprechenden Ligen von Oberliga bis Kreisliga regulär spielen.

Daher sieht es momentan danach aus, dass nur in Norderstedt regulär gespielt werden kann. Aufsteiger Hemer veröffentlichte auf dieser Seite kürzlich einen Bericht, wie sehr sie sich auf den erstmaligen Start in der Bundesliga freuen.

Wie es jetzt allerdings mit der Saison und der Liga weitergeht, steht mehr denn je in den Sternen, von einem regulären Saisonablauf kann schon jetzt nicht mehr gesprochen werden. Vielleicht wäre eine Komplettabsage oder ein Verschieben des Saisonstarts ins Frühjahr 2022 dem aktuell stattfindenden Eiertanz vorzuziehen gewesen.

Dabei ist die Liga sportlich attraktiver denn je. Da die vier Erstplatzierten der vergangenen Saison jeweils Reisepartner sind, werden sie erst beim für Ende Mai in Berlin geplanten Saisonfinale aufeinandertreffen. Gerade die Teams aus Bad Königshofen, Schwäbisch Hall und Baden-Baden sind wieder mit Weltklassespielerinnen gespickt. Damit wäre alles für ein extrem spannendes Saisonfinale angerichtet.

Außerdem bereichern attraktive Aufsteiger die Liga. Den Mannschaften aus Hemer, Löberitz und Bad Kissingen ist zuzutrauen, sich in der Liga zu etablieren. Bekannteste Spielerin bei Löberitz ist die ehemalige lettische Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola, inzwischen Geschäftsführerin des Weltverbands Fide. Hemer und KissChess verstärkten sich jeweils mit einer jungen deutschen Nationalspielerin. Bei Hemer spielt in der kommenden Saison die U20-Europameisterin Lara Schulze und bei KissChess die U16-Weltmeisterin 2018 Annmarie Mütsch. Hier spielt auch die Spielerin mit der weitesten Anreise der Liga: Irine Kharisma Sukandar kommt aus Indonesien. Und Mannschaften wie Rodewisch und Hamburg sind nach wie vor immer für eine Überraschung gegen die Spitzenteams gut.

Hier der Link zur Liga-Seite mit dem aktuell noch gültigem Terminplan.

 


Dr. Thomas Marschner, Jahrgang 1967, ist Physiker und arbeitet in der Technologieentwicklung für die Herstellung von Solarmodulen. Er spielt seit fast 40 Jahren Schach, hat eine Elo von 2000 und spielt für seinen Heimatverein aus Eppstein im Taunus in der hessischen Verbandsliga. Er lebt in Schwäbisch Hall und berichtet bevorzugt aus der Schachbundesliga und der Frauenbundesliga. Außer Schach spielt er ebenfalls auf Verbandsebene Tennis, fotografiert gerne und betreibt unter www.thomas-marschner.de seine eigene Webseite.

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