Ich versuche einfach nur, Chess960 anständig zu spielen
Interview mit Etienne Bacrot
Im letzten
Jahr dominierte das einstige französische Wunderkind Etienne Bacrot das
bärenstark besetzte FiNet Open der Mainzer Chess Classic. Sein Erfolg kam
nicht überraschend, denn schon 2004 scheiterte er erst in der letzten Runde im
Chess960 - jener Spielart des Schachs, in der die Position der Figuren in der
Grundaufstellung ausgelost wird – und belegte einen unglücklichen zweiten
Platz. Bei den nächsten Chess Classic in Mainz vom 13. - 19. August wird er
sich nun mit der Weltranglisten Nr. 1 Viswanathan Anand, dem Chess960
Weltmeister Levon Aronian, und dem ehemaligen FIDE-Weltmeister Rustam
Kasimdzhanov um gleich zwei Titel streiten.
Im Gegensatz zu den Vorjahren, in denen Matches gespielt wurden, findet nun
erstmals ein Viererturnier statt, in dem zunächst in der Chess960 Rapid World
Championship und darauf folgend in der GRENKELEASING Rapid World
Championship der Weltmeister ermittelt wird. Harry Schaack sprach mit Etienne
Bacrot über die kommende Veranstaltung.
HARRY SCHAACK: Etienne, Sie haben im Vorjahr das stark besetzte
FiNet Open der Chess Classic in sehr überzeugender Weise gewonnen.
ETIENNE BACROT:
Ich war sehr glücklich über meinen letztjährigen Erfolg. Aber ein solch
starkes Open zu gewinnen, erfordert auch Glück - und das hatte ich im letzten
Jahr. Ich musste bis zuletzt kämpfen. Ich benötigte nur noch ein
Unentschieden, als ich unglücklicher Weise in der letzten Runde gegen Grishuk
das zweite Mal hintereinander Schwarz bekam. Doch es gelang mir, mich die
ganze Partie lang umsichtig zu verteidigen und am Ende ein Patt zu erzwingen.
Ich hatte
bislang bei all meinen Teilnahmen in Mainz gute Resultate im Chess960
vorzuweisen. Schon bei meinem Debüt 2004 führte ich die meiste Zeit das
Turnier an. Doch in der letzten Runde verlor ich unglücklich gegen
Sadvakasov eine gewonnene Stellung
und landete schließlich hinter Almasi auf dem undankbaren zweiten Platz.
SCHAACK: Es scheint, als seien Sie ein Spezialist im Chess960.
Was ist ihr Geheimnis?
ETIENNE BACROT: Ich denke nicht, dass ich ein Spezialist im Chess960
bin. Ich versuche einfach nur, Chess960 anständig zu spielen. Für mich ist
diese Spielform sehr interessant, weil sie ziemlich nah am klassischen Schach
ist. Doch in einigen Punkten ist Chess960 sehr trickreich, insbesondere was
die Rochaden angeht. Und in den meisten Positionen muss man anders denken als
im „normalen“ Schach. Außerdem ist es wohltuend, in unserer Zeit, in der
enormer Aufwand in die Anfangsphase der Partie gesteckt wird, einmal ohne
Eröffnungsvorbereitung zu spielen.
HARRY SCHAACK: Bei den diesjährigen Chess Classic müssen Sie
Ihre Klasse nicht nur im Chess960, sondern auch im Schnellschach beweisen. Ist
das ein Nachteil für Sie?
BACROT: Nein, das neue Format mit der Kombination
aus beiden Disziplinen ist in Ordnung. Ich will zeigen, dass ich auch ein
guter Schnellschachspieler bin, besonders weil ich bislang in dieser Disziplin
in Mainz immer nur schlechte Resultate vorzuweisen hatte.
SCHAACK: Ist es schwierig, sich innerhalb eines Tages vom
Chess960 auf das Schnellschach umzustellen?
ETIENNE BACROT:
Angesichts meiner schlechten Resultate im Ordix Open scheint es mir schwer zu
fallen, nach 11 Runden mit unterschiedlicher Grundaufstellung wieder normales
Schach zu spielen. Das muss mir dieses Jahr besser gelingen, um meine Chancen
im Rapidchess zu wahren – insbesondere weil all meine Gegner herausragende
Schnellschachspieler sind.
SCHAACK: Erwarten Sie Konzentrationsprobleme bei der Umstellung
von Chess960 auf Schnellschach? Ich erinnere da an den Ausrutscher von
Mamedyarov bei den letzten FiNet Open, als er gegen Grishuk im Chess960
versehentlich die Dame mit dem Läufer verwechselte, weil er die normale
Grundaufstellung im Kopf hatte.

ETIENNE BACROT:
So etwas kann passieren. Ich hoffe, einer meiner Gegner wird dieser Fehler
unterlaufen und nicht mir… (lacht)
SCHAACK: In diesem Jahr wird statt der zuletzt üblichen
Matchs ein doppelrundiges Turnier aus einer Kombination aus Chess960 und
Schnellschach gespielt. Hätten Sie ein Match bevorzugt?
ETIENNE BACROT:
Ich mag beide Formate. In gewisser Weise sind es diesmal zwei Turniere – eines
im Chess960, das andere im Schnellschach. Gewissermaßen hat jeder eine
Zusatzchance, wenn es in einem Teilturnier nicht gut läuft.
SCHAACK: Was erwarten Sie von dem
Turnier, was ist ihr Ziel?
ETIENNE BACROT:
Ich werde versuchen, eine „Wertung“ für mich zu entscheiden, aber ich weiß,
dass dies bei dieser Konkurrenz extrem schwer wird. Auf jeden Fall habe ich im
Chess960 mehr Chancen als im Schnellschach.
SCHAACK: Können Sie etwas zu Ihren
Kontrahenten sagen?
ETIENNE BACROT:
Betrachtet man unsere bisherigen Begegnungen, sind für mich alle Teilnehmer
sehr schwierige Gegner.
SCHAACK: Sie sind seit einigen Jahren ein Stammgast in Mainz.
Können Sie kurz Ihre Impressionen beschreiben?
ETIENNE BACROT:
Es ist kein Zufall, dass sich jedes Jahr wieder so viele Weltklassspieler in
Mainz treffen. Ich spiele seit drei Jahren in den Opens mit. Es ist eine
Veranstaltung, die ich nicht missen will. Ich mag die Chess Classic sehr.
SCHAACK: Ende Mai bis Mitte Juni werden im kalmükischen Elista
die Teilnehmer für das Weltmeisterschaftsturnier im klassischen Schach
ermittelt, das im September in Mexiko stattfinden wird. Wie wird Ihre
Vorbereitung auf das kommende Kandidatenmatch gegen Rustam Kamsky sein?
ETIENNE BACROT:
Zu meiner Vorbereitung auf Elista möchte ich mich nicht äußern, aber ich werde
sicher mein Bestes geben, um zu gewinnen.
SCHAACK:
Vielen Dank für das
Interview und viel Glück bei den bevorstehenden Aufgaben in Elista.