Feuer in Mainz
Beutel-Wunschspieler Schirow fordert Titelverteidiger
Anand
Von Hartmut Metz
Die Chess Classic Mainz (CCM) versprechen vom 4. bis 8. August erneut ein
hochkarätiges Programm. In der Rheingoldhalle trifft Titelverteidiger
Viswanathan Anand auf Alexej Schirow. In der Schach-Bundesliga sitzen der Inder
und der Rigaer mit spanischem Pass beim deutschen Vizemeister SC Baden-Oos Brett
an Brett – bei den CCM werden sich der Weltranglistenzweite und der auf Platz 14
notierte Herausforderer aber nicht schonen. Zumal sich Schirow nach seinem
grandiosen Turniersieg in Sarajevo auf dem Weg zurück in die Top Ten befindet.
Schirow ist der Wunschkandidat des Mainzer Oberbürgermeisters Jens Beutel: Der
ehemalige Oberligaspieler bewundert die tollkühne Partieanlage des 31-Jährigen.
Kaum ein Großmeister wagt solch riskante Opfer. Nicht umsonst ist seine
englische Autobiographie mit dem zweideutigen Titel, der an ein brennendes
Schiff (Feuer an Bord) erinnert, „Fire on board“ (Feuer auf dem Brett), bereits
ein Klassiker geworden! Mittlerweile arbeitet Schirow an einem zweiten Band mit
neuen fantastischen Duellen.
Favorit in den acht Schnellschach-Partien ist der ehemalige Vizeweltmeister
dennoch nicht. Schließlich unterlag der Wahl-Spanier dem Weltmeister von 2001
nicht nur deutlich im WM-Finale. Anand ist bei den Chess Classic kaum zu
bremsen. Die vier letzten Auflagen gewann der „Tiger von Madras“ ausnahmslos!
2000 vor dem Weltranglistenersten Garri Kasparow, 2001 im „Duell der
Weltmeister“ gegen Wladimir Kramnik, 2002 schlug Anand seinen Nachfolger als
Weltmeister des Weltschachverbandes FIDE, Ruslan Ponomarjow, und im Vorjahr
behielt der 34-Jährige die Oberhand über Judit Polgar, die weltbeste
Schachspielerin.
Mit all diesen Erfolgen zementierte der Inder seinen Ruf als weltbester
Schnellschachspieler. Momentan hält ihn Weltmeister Wladimir Kramnik für den
stärksten Großmeister überhaupt. Anand liegt zwar in der Weltrangliste noch
hinter Kasparow, im Gegensatz zu dem Russen beweist der Baden-Ooser
Bundesligaspieler jedoch regelmäßig in Turnieren seine Klasse. Kasparow spielt
selten und wurde zuletzt im spanischen Linares nur Dritter hinter Kramnik und
dem Ungarn Peter Leko.
Der mehrfache indische Sportler des Jahres hatte einen Monat zuvor beim
Topturnier in Wijk aan Zee (Niederlande) einen weiteren Triumph gefeiert.
CCM-Organisator Hans-Walter Schmitt vertraut daher fest darauf, dass sein
inzwischen deutsch sprechender Ziehsohn gegen Schirow seinen fünften CCM-Sieg in
Folge feiert. „Tolle und spannende Partien“, da ist sich Schmitt ganz sicher,
„wird es so oder so geben.“ Immerhin kann Schirow in die Waagschale werfen, dass
er neben dem sechsfachen Seriensieger Anand (1997, 1998 sowie von 2000 bis 2003)
und Kasparow (1999) der einzige Chess-Classic-Gewinner in den vergangenen acht
Jahren war. 1996 hatte sich der Spanier vor Kramnik, Leko und Robert Hübner
durchgesetzt.
Um den Topwettbewerb hat Schmitt ein erstklassiges Rahmenprogramm gebaut – wobei
ihn der Begriff „Rahmenprogramm“ leicht erzürnt. „Wir organisieren hier die
Chess960-Weltmeisterschaften!“, betont der 52-Jährige und verweist auf das
WM-Duell in der Schachvariante, bei der die Grundstellung der Figuren vor
Partiebeginn ausgelost wird. Da es 960 verschiedene Startpositionen gibt,
entfällt die Eröffnungstheorie.
Um diese Art von Auswendiglernen und Partievorbereitung auszuschalten, puscht
Schmitt Chess960. Im Vorjahr bei der ersten offiziellen Schnellschach-WM bezwang
Peter Swidler Kontrahent Leko, WM-Herausforderer Kramniks im herkömmlichen
Schach, nach zähem Ringen. Swidler muss nun seinen Titel gegen Levon Aronjan
verteidigen, der 2003 das Chess960-Open in der Rheingoldhalle gewann und sich so
für das Match qualifizierte.
Der ehemalige Junioren-Weltmeister aus Armenien ist für die hiesigen Fans
äußerst interessant: Der künftige Kreuzberger Bundesliga-Spitzenspieler lebt in
Berlin und spielte kurzzeitig unter schwarz-rot-goldener Flagge. Mit einer
Elo-Zahl von 2645 lag Aronjan in der deutschen Rangliste auf Platz zwei. In der
Weltrangliste steht der 21-Jährige auf Position 51. Aronjan kommt es entgegen,
dass im Chess960 die Eröffnungstheorie entfällt, weil er sich selbst für „zu
faul“ hält, an seinem Eröffnungsrepertoire zu feilen. Auch wenn dieser Vorteil
für den „fleißigeren“ Swidler entfällt, gilt der 27-Jährige dennoch in der
Chess960-WM als Favorit. Die Klasse des Russen dokumentiert Platz sechs in der
Weltrangliste im „normalen“ Schach. Dass Aronjan jedoch ein gefährlicher
Kontrahent ist, bewies er bei der vor kurzem zu Ende gegangenen
Europameisterschaft. Dort gewann er Bronze. Im Schnellschach-Stechen um den
dritten Platz war das „schlampige“ Talent eine Klasse für sich. Die
Zeiteinteilung bei den CCM kommt ihm daher entgegen.
Etwa 500 Spieler werden wohl erneut nach Mainz pilgern, um selbst die Figuren
auf den 64 Feldern zu bewegen. Der etwas kleinere Teil – vor allem die etwa 50
Großmeister aus dem Profilager – wird alles daran setzen, sich als nächster
Herausforderer des Chess960-Weltmeisters zu qualifizieren. Auf das zweitägige
FiNet Open im Chess960 am 5. und 6. August folgt am Samstag und Sonntag (7. und
8. August) das Ordix Open.
Der Preisfonds im berühmtesten Schnellschach-Open der Welt, an dem über 100
Titelträger teilnehmen, wurde weiter aufgestockt. Insgesamt gibt es so in den
beiden offenen Wettbewerben 35.000 Euro zu verdienen. Die Preisverteilung
erfolgt prozentual nach der Anzahl der Teilnehmer im Ordix und im Chess960 Open.
Vermutlich dürften etwa zwei Drittel bis drei Viertel im
Ordix-Schnellschach-Wettbewerb ausgelobt werden, der Rest im Chess960-Turnier.
Voranmeldung empfiehlt sich vor allem für das stark frequentierte Ordix Open, um
einen Startplatz sicher zu haben. Das fünftägige Schach-Festival runden
Simultans von Schirow (an 40 Brettern) und Swidler (Chess960 an 20 Brettern)
sowie zwei Schaukämpfe von Anand und Aronjan am 4. August ab.
Aktuelle Infos finden sich in den nächsten Wochen auf der Webseite
www.chesstigers.de.