Pragg erzwingt Tiebreak
In drei Wochen wird Ding Liren in der ersten Runde des Kandidatenturniers mit Weiß gegen Ian Nepomniachtchi spielen, den Sieger des vorherigen Kandidatenturniers. Als offizielle Nummer zwei der Welt auf der FIDE-Weltrangliste vom Mai ist der Chinese der Ersatzmann für Sergey Karjakin, dessen Teilnahme am Kandidatenturnier von der FIDE-Ethikkommission untersagt wurde, nachdem sich Karjakin mehrfach positiv über die russische Invasion der Ukraine geäußert hatte.
Um als Ersatzmann für das Kandidatenturnier nominiert zu werden, musste man den Vorgaben der FIDE zufolge in den letzten zwölf Monaten allerdings mindestens 30 offiziell gewertete Partien gespielt haben, doch als klar wurde, dass Karjakin nicht am Kandidatenturnier teilnehmen durfte, hatte Ding erst vier solcher Partien gespielt. Die noch fehlenden 26 absolvierte er dann in einer Serie von kurz aufeinander folgenden Wettkämpfen und Turnieren gegen chinesische Spieler und schaffte es so schließlich doch noch ins Kandidatenturnier.
Trotz dieses straffen Programms trat Ding Liren im Chessable Masters an, dem vierten Turnier der Meltwater Champions Chess Tour. Durch die Zeitverschiebung begannen die Runden für Ding erst um Mitternacht, aber das hinderte ihn nicht daran, das Turnier zu gewinnen.
Allerdings erst nachdem er den hartnäckigen Widerstand Praggnanandhaas im Finale überwinden konnte. Doch auch für den 16-jährigen Inder waren die Turnierbedingungen nicht ideal: Für ihn war Rundenbeginn um 21:30 und parallel zum Turnier musste er Prüfungen für die Schule absolvieren und entsprechend früh aufstehen.
Insgesamt gesehen war das Turnier für Praggnanandhaa ein bemerkenswerter Erfolg, trotz seiner knappen Niederlage. In der Vorrunde wurde er Vierter und gewann gegen Magnus Carlsen, im Viertelfinale besiegte er Wei Yi und im Halbfinale dann Anish Giri. In zwei Monaten spielt Pragg bei der Schacholympiade in Indien für "India B" und man darf gespannt sein, wie er dort abschneidet.
Nach seiner Niederlage im ersten Wettkampf glich Pragg im zweiten Wettkampf aus. Nach einem Remis in der ersten Partie konnte Pragg in der zweiten Partie im Turmendspiel gewinnen und die Führung übernehmen.
Dann kam es zur dramatischen dritten Partie, in der Ding seine Gewinnchancen in einer komplizierten Stellung nicht nutzen konnte.
In dieser unübersichtlichen Stellung hat Weiß dank der beiden verbundenen Freibauern am Damenflügel Vorteil und den Engines zufolge steht Weiß nach 39.Dd4 sogar auf Gewinn.
Mit 39.Dd4 unterstützt Weiß den Vormarsch seiner Bauern und nach z.B. 39...h5 40.b6 La6 kann er die Koordination der gegnerischen Figuren mit 41.b7 empfindlich stören.
Der Läufer muss auf b7 schlagen, aber dann kann die weiße Dame den Springer auf d3 nehmen. Nach 41...Tb8 nimmt Weiß mit 42.Dd6 alle drei schwarzen Figuren ins Visier und gewinnt.
In der Partie spielte Ding jedoch 39.a5?! und Pragg konnte sich erfolgreich verteidigen. Nach 106 Zügen endete die Partie mit Remis und mit einem weiteren Remis in Partie vier gewann Pragg den zweiten Wettkampf des Finales und konnte sich in den Tiebreak retten.
Die Partien des zweiten Wettkampfs
In der dritten Partie des zweiten Schnellschach-Wettkampfs hatte Ding eine gute Chance verpasst, doch in der ersten Partie des Blitz-Tiebreaks revanchierte sich Pragg umgehend.
Weiß hat einen Bauern mehr, aber scheint den a-Bauern nicht halten zu können. Zumindest auf den ersten Blick. Doch nach 53.Td1! kann Schwarz den a-Bauern nicht nehmen, da er nach 53...Lxa7 54.Sc6+ Ke8 (oder ...Kf8) 55.Td8+ Kf7 56.Td7+ den Läufer verliert. Mit dem a-Bauern auf dem Brett behält Weiß jedoch sehr gute Gewinnchancen.
In der Partie spielte Pragg jedoch 53.Tb1, wonach Ding den gefährlichen Bauern straffrei nehmen und sich in ein Remis retten konnte.
In der letzten Partie des Wettkampfs (und des Turniers) gewann Ding nach 49 Zügen und sicherte sich damit den Turniersieg. Zu diesem Zeitpunkt war es 5 Uhr morgens in Wenzhou, wo Ding lebt, und die Turnierbedingungen waren für die Nummer zwei der Welt nicht besser geworden...
Die Partien des Blitz-Tiebreaks
Doch drei Wochen vor Beginn des Kandidatenturniers scheint Ding trotz aller Widrigkeiten in guter Form zu sein.
Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer
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