Christopher Lutz wirbt simultan

von ChessBase
23.06.2005 – Mit einer Reihe von Simultanvorstellungen werben deutsche Spitzenspieler für die Schacholympiade 2008 in Dresden. Christopher Lutz, seit vielen Jahren einer der besten deutschen Schachspieler, war am Wochenende zu Gast in Herford. Dort spielte er simultan gegen 40 Amateure. Selbst bei einer solchen Veranstaltung waren einige Gegner des Großmeisters mit Hilfe ihres Computers hervorragend vorbereitet und leisteten erbitterten Widerstand. Conrad Schormann lieferte in der Neuen Westfälischen einen plastischen Bericht aus dem Blickwinkel des (durchaus kräftigen!) Frosches am Rand des Teiches, der den Storch beobachtet und führte nach dem Simultan noch ein Interview mit dem Großmeister. Am Ende des Tages musste Lutz ein paar Frösche entkommen lassen. Prima Werbung fürs Schach war es allemal. Alexandra Buck hat die Veranstaltung fotografisch aufregend in Szene gesetzt. Artikel in der Neuen Westfälischen...Interview mit Christopher Lutz, Teil 1...

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Interview mit Christopher Lutz, Teil 1
Von Conrad Schormann
Fotos aus dem vorherigen Simultan: Alexandra Buck

Schacholympiade in Deutschland. Wie bereitet sich die Nationalmannschaft vor?

Vor allen großen Meisterschaften treffen wir uns für einige Tage, tauschen Ideen aus und gewöhnen uns aneinander. Im Vordergrund steht der Teamgeist. Als neuer Bundestrainer hat Uwe Bönsch diese Trainings 1997 eingeführt. Der zweite Aspekt ist natürlich das Schach. An einem normalen Trainingstag spielen wir morgens ein paar Schnellpartien, um warm zu werden. Dann bilden sich Gruppen, und die schauen sich bestimmte Eröffnungen an.

Jeder von Euch hat sein Arsenal von neuen Ideen und Analysen. Wie weit kann man das ausbreiten, ohne dass es später gegen einen verwendet wird?



Man kann nicht mit jedem jede Variante analysieren, das stimmt schon. Aber durch den Austausch mit einem anderen gewinnt man mehr, als man verliert. In der Nationalmannschaft spielt Misstrauen keine Rolle. Rustem Dautow hätte sowie so nichts davon, mit mir eine seiner Spezialitäten zu analysieren, von der ich keine Ahnung habe. Er würde ziemlich viel zur Analyse beitragen, ich fast nichts. Wenn ich mit einem anderen eine Variante analysiere, müssen wir ungefähr auf dem gleichen Niveau sein. Sonst bringt das nichts. Dautow und Jan Gustafsson zum Beispiel haben sich gemeinsam Slawisch mit ...a6 angeschaut. Beide kannten sich vorher gut aus, jetzt noch besser. Sie haben voneinander profitiert.

Und alle profitieren vom Teamgeist?



Zuletzt hatten wir immer eine sehr harmonische Mannschaft. Bei der Olympiade 2000 in Istanbul liefs dann schachlich auch noch sehr gut. Dautow und Jussupow haben sehr gut gespielt, die anderen vier normal bis gut. Am Ende waren wir Zweiter hinter Russland. Aber so läufts nicht immer. Letztes Jahr bei der Olympiade auf Mallorca haben vier von sechs normal gespielt und zwei schlecht.  Letztendlich spielen wir aber seit einigen Jahren oft über unseren Erwartungen.

Obwohl Ihr ohne Top-10-Spieler auskommen müsst.



Wir haben vier bis fünf Spieler, die ungefähr gleichstark sind. Vor ein, zwei Jahren war Alexander Graf sehr stark, besser als die anderen, das hat sich jetzt vielleicht wieder nivelliert. Mit vier, fünf gleichwertigen Spielern ist die Mannschaftsaufstellung leichter. Andere Länder haben ein, zwei Spitzengroßmeister, und die dürfen nie aussetzen. Die anderen müssen dann sehen, wo sie bleiben. Dadurch entstehen Probleme im Mannschaftsgefüge. Wenn bei uns einer mal schwächer spielt, steigt ein anderer ein.

Robert Hübner und Artur Jussupow sind aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, als der Weltschachbund FIDE Dopingkontrollen eingeführt hat. Sind die Rücktritte noch aktuell?

Der von Hübner schon. Jussupow ist auch zurückgetreten, weil er das Gefühl hatte, nicht seine optimale Leistung zu bringen. Jetzt hat er die Deutsche Meisterschaft gewonnen, neues Interesse am Schach gefunden und will sich wieder mehr um sein praktisches Schach kümmern. Könnte sein, dass er bei der Olympiade 2006 wieder dabei ist. Wenn Artur voll konzentriert spielt, ist er einer der Besten.

Warum gibt es keinen deutschen Top-Ten-Spieler?

Solche Talente wachsen nicht auf den Bäumen...

...in der Ukraine?



Da werden in einigen Gegenden Talente von kleinauf gefördert, wenn auch nicht mehr flächendeckend, auch nicht in Russland. Wenn man früh mit dem Spitzenschach in Kontakt kommt, ergeben sich schon einige Möglichkeiten. Ich zum Beispiel habe erst sehr spät mit richtig starken Spielern trainiert. Die nächste Frage ist, wie geht es weiter, wenn man eine gewisse Spielstärke erreicht hat. Als Großmeister in Deutschland ist es finanziell-materiell nicht berauschend. In Russland oder der Ukraine kann man als Schachspieler mehr verdienen als mit einem klassischen akademischen Beruf.

Hast du dir alles allein angeeignet?

Ich hatte zwar früh Trainingspartner vom Verein aus, aber ich war immer schnell besser als meine Trainer. Ich war schon 22 und Großmeister, als ich das erste Mal mit Artur Jussupow und Mark Dworetzki trainiert habe. Viel zu spät, wenn man so will. Im Deutschen Schachbund hat sich erst in den vergangenen zehn Jahren die Erkenntnis herauskristallisiert, dass man mit dem Training früh anfangen muss. Diese Erkenntnis gab es in meinen Jugendjahren nicht. Das meiste habe ich mir selbst angeeignet.

Und wann hast Du entschieden, Profi zu werden?

Das kam schleichend. Nach dem Abitur habe ich ein Studium begonnen, mich aber zunächst aufs Schach konzentriert. Mit 21, 22 habe ich dann einen Leistungssprung auf 2.600 gemacht. Seitdem, würde ich sagen, bin ich Profi.

Was hat dich gehindert, den Elo weiter hochzutreiben?



Mit fehlten damals die Grundlagen. Weil ich mir das meiste selbst angeeignet hatte, war viel Wildwuchs in meinem Schachverständnis. Wenn ich damals schon eine schachliche Grundlage gehabt hätte... Wenn man jung ist, dann macht man sich keine Gedanken, dann spielt man, und meistens gehts irgendwie. Bis Anfang 20 kann man sehr viel über seine Energie erreichen. Man hat viele Ideen, man rechnet, viel Taktik und so weiter. Irgendwann lässt die Energie nach, aber die Erfahrung steigt. Das führt bei vielen Spielern um die 30 zu einer zweiten Leistungsspitze.

Aber um noch weiter zu kommen, hättest du Dworetzki und Jussupow mit 12 gebraucht, nicht mit 22?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt ja auch noch sowas wie Talent, und vielleicht bin ich talentiert genug für Elo 2.650. Für 2.700 muss noch ein Extra dabeisein. Ein Spieler wie Shirow hat nunmal hunderttausende von Ideen und deswegen seine Zahl. Ich spüre diesen Unterschied. Wenn ich gegen einen mit 2.650 Elo spiele, dann gewinne ich mal, und er gewinnt mal. Aber gegen 2.700, 2.750 - das ist ein Klassenunterschied, der sich auf alle Bereiche bezieht: Eröffnung, Endspiel, Mittelspiel, Taktik, Strategie. Anand zum Beispiel ist einfach besser. Da kann man nichts machen.

In der Bundesliga sitzt du Spielern wie Anand oft gegenüber. Bist du bei der Analyse hinterher Zuschauer?

Anand sieht und versteht schon eine ganze Menge mehr als ich. Bei anderen Spielern ist das anders. Peter Swidler hat mir auch ganz viele Varianten gezeigt, aber von denen war nur ein kleiner Teil relevant. Ich hatte das alles nicht gesehen, aber das war nicht schlimm, weil es Unsinn war.

Zweiter Teil folgt...

Weitere Fotos aus dem Simultan:


Heinz-Burkhard Heuermann stellt die Gegner vor, Christopher Lutz begrüßt sie.


Conrad Schormann, rechts, daneben OWL-Meisterin Andrea Brammertz








Die Regionalligameister von KS Herford (von rechts) André Wolf, Michael Lömker, IM Carsten Pieper-Emden (Zuschauer) und Jens Kutschke.


Thomas Klemme (KS Herford)






Bert Hollmann (links) und Jens Kutschke von KS Herford waren parallelgeschaltet




 

 


 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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