In Meißen trafen in der 4. Doppelrunde der Schachbundesliga die Reisepartner Dresden und Schwäbisch Hall auf Meister Solingen und Mülheim.
Gespielt wurde wieder in Meißen bei Dresdens Hauptsponsor UKA, der auch Sponsor der deutschen Nationalmannschaft ist. Diesmal ging sogar der Chef des Sponsors persönlich für Dresden ans Brett. Gernot Gauglitz ist alles andere als ein Anfänger, er ist IM mit einer aktuellen Elo von 2394.
Gernot Gauglitz, re.
Natürlich konzentriert sich dieser Beitrag auf das Spitzenspiel der Doppelrunde am Sonntag zwischen Schwäbisch Hall und Meister Solingen, doch zunächst zu den Geschehnissen am Samstag. Etwas überraschend bot Mülheim nicht seine stärkste Mannschaft auf, sondern trat gerade an den hinteren Brettern mit Nachwuchsspielern an. Damit waren die Schwäbisch Haller, die mit einer in etwa ausgeglichenen Begegnung gerechnet hatten, plötzlich an allen Brettern favorisiert.
Auch bei Dresden waren einige Topspieler nicht dabei. Pavel Eljanov weilte beim Grand Prix, Elisabeth Pähtz war noch bei der WM in Teheran, und Deutschlands Nummer 1 Liviu-Dieter Nisipeanu fehlte ebenfalls. Damit war Solingen klarer Favorit Etwas überraschend gab Anish Giri sein Debüt für Solingen (für den Sohn wurde wohl ein Babysitter gefunden – Ehefrau Sopiko Guramishvili spielte zeitgleich noch im WM-Achtelfinale in Teheran), an Brett 2 spielte mit Pentala Harikrishna ein weiterer absoluter Topstar.
Während sich bei Schwäbisch Hall-Mülheim die Geschehnisse eher gemächlich entwickelten, legten die Solinger furios los: Markus Ragger schlug Jens-Uwe Maiwald nach einem Läuferopfer auf b5 in nur 14 Zügen, und Anish Giri gewann ebenfalls schnell gegen Grzegorz Gajewski. Die Führung gab Solingen nicht mehr aus der Hand, am Ende stand ein glattes und ungefährdetes 6-2.
Bei Schwäbisch Hall-Mülheim hielt die Mülheimer Führung durch Valentin Buckels Sieg gegen Frank Zeller nur kurz, Maxim Matlakov, Viktor Laznicka und Tigran Gharamian sorgten für ein beruhigendes 3-1. Am Ende stand auch hier ein klares 6-2.
Dresden-Solingen
Mülheim-Schwäbisch Hall
Am Sonntag gewann Dresden überraschend deutlich mit 6,5-1,5 gegen Mülheim, nominell waren beide Mannschaften nicht so weit auseinander. Gerade an den Spitzenbrettern kamen die Mülheimer gehörig unter die Räder.
Dresden-Mülheim
Doch jetzt zum Spitzenspiel des Spieltags zwischen Meister Solingen und Schwäbisch Hall. Solingen war an fast allen Brettern den Schwäbisch Hallern nominell überlegen, insbesondere an den hinteren Brettern war der Elo-Unterschied deutlich.
Am Spitzenbrett gab es ein Kräftemessen auf höchster Ebene: Europameister Ernesto Inarkiev traf auf den Weltranglisten-Zehnten Anish Giri. Wer ein „Großmeisterremis“ zwischen den beiden erwartete, täuschte sich: beide ließen es in ihrer Partie richtig „krachen“.
Interessant schon die Anfangsphase: Ernest Inarkiev kam ein paar Minuten zu spät und überlegte erstmal einige Minuten, bevor er zog. Die ersten 5 Züge kamen dann bei beiden a Tempo, danach verfiel Inarkiev wieder für fast 15min in tiefes Nachdenken, während Giri cool durch den Spielsaal lief.
Erst nach 7 oder 8 Zügen begann bei Giri dann die Phase des Nachdenkens. Allerdings wurden hier mit ziemlicher Sicherheit noch keine konkreten Varianten berechnet, sondern es ging wohl nur darum, welche Abspiele man wählen könnte, worauf der Gegner vorbereitet sein könnte, und was wer eventuell schon wann gespielt hatte.
Im Lauf der Partie setzte Giri mit Schwarz voll auf Angriff und ging auch aufgrund des aktuellen Zwischenstands hohes Risiko. Zwischenzeitlich hatte er 3 Bauern weniger, und etliche Figuren hingen auf beiden Seiten. Dazu geriet Inarkiev in große Zeitnot und spielte ab etwa Zug 25 nur noch auf dem Inkrement von 30s pro Zug. Nach großen Verwicklungen hatte er bei unsicherem König zwar eine Qualität mehr aber immer noch 5 oder 6 Züge bis zur Zeitkontrolle zu machen und nahm daher in wohl besserer Stellung Giris Remisangebot an. Gleich nach der Partie galt Giris erster Blick dem Handy und dem Zwischenstand aus Teheran: zeitgleich spielte Ehefrau Sopiko Guramishvili im Tiebreak gegen Harika Dronavalli, sie verlor letztendlich etwas unglücklich im Blitzen.
Die zweite Partie, die die Zuschauer im Atem hielt, war die an Brett 8 zwischen Alexander Naumann und Frank Zeller. Frank Zeller opferte schon in der Eröffnung eine Figur, bekam diese kurz darauf zurück und hatte zwischendurch 2 Bauern mehr, allerdings auf Kosten von Entwicklungsnachteil und einer zersplitterten Bauernstellung. Wer da jetzt bessere stand…schwierig. Nach der Partie sagte Frank, er hätte das schon vor Jahren mal vorbereitet und immer mal wieder angesehen. Sein Hauptproblem war, als die Variante jetzt endlich mal aufs Brett kam, sich an die richtigen Zugfolgen zu erinnern. Nach einigen Verwicklungen und beiderseitig vergebenen Chancen endete die Partie ebenfalls remis.
Zu dem Zeitpunkt waren schon die Partien an Brett 5 und 6 recht ereignislos remis zu Ende gegangen. Und dann brachte Tigran Gharamian die Haller gegen Robin van Kampen in Führung.
Van Kampen-Gharamian
Der Niederländer stellte im Bemühen, eine unangenehme Fesselung am Damenflügel aufzulösen, eine Qualität ein, kurz darauf war die Partie zu Ende. Plötzlich merkten die Haller, dass hier tatsächlich gegen den Favoriten etwas gehen könnte.
Dieser Führung liefen die Solinger bis zum Ende hinterher. Zunächst musste Pentala Hariskrishna die Gewinnversuche in seinem Springerendspiel gegen Maxim Matlakov einstellen. Auch Pedrag Nikolov versuchte sich lange an einem völlig ausgeglichenen Turmendspiel gegen Mathias Womacka, am Ende aber vergeblich.
Die letzte Solinger Chance für den Ausgleich war damit die Partie von Markus Ragger. Er hatte gegen Viktor Laznicka die angenehmere Stellung und gewann folgerichtig einen Bauern. Doch Viktor verteidigte sich über insgesamt 126 Züge zäh und sicherte nach 7 Stunden das Remis zum überraschenden Sieg gegen den deutschen Meister. Markus Ragger hat damit die kürzeste und die längste Partie des Wochenendes gespielt.
Solingen-Schwäbisch Hall
Mit dem Sieg hat Schwäbisch Hall jetzt gute Aussichten, sich vielleicht erstmals einen Platz auf dem Podium zu sichern, Platz 3 scheint in Reichweite, wenn gegen die direkten Konkurrenten aus Bremen und Hockenheim gepunktet werden kann.
Die Solinger haben auf dem Weg zur Titelverteidigung einen herben Dämpfer erlitten, nur Siege in allen restlichen Begegnungen könnten den Klingenstädtern wenigstens noch einen Stichkampf gegen Baden-Baden bescheren.