Daniel Semcesen ist neuer schwedischer Meister

von ChessBase
22.07.2014 – Als Nummer acht der Setzliste war Daniel Semcesen bei den Schwedischen Meisterschaften, die in der kleinen Stadt Borlänge stattfanden, keineswegs Favorit. Aber nach 9 Runden lag er mit 6 Punkten alleine an der Spitze. Sein Schachappetit war so groß, dass er auch am Blitzturnier teilnahm. Was zu Kontroversen führte. IM Ari Ziegler berichtet.

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Die Schwedischen Meisterschaften 2014: Ein wunderbares Schachereignis

Von IM Ari Ziegler

734 Teilnehmer traten in allen möglichen Wettbewerben gegeneinander an: Seniorenturniere, Jugendturniere, Wochenendturniere, Blitzturniere und vieles mehr. Gespielt wurde in Borlänge, einem kleinen "bodenständigen" Ort mit 50.000 Einwohnern in der Mitte von Schweden, der sich kaum durch irgendwelche Besonderheiten auszeichnet! (Nun gut, meine 18-jährige Tochter erzählte mir, dass in Borlänge vor ein paar Jahren regelmäßig ein Musikfestival stattfand, das dann aber Pleite ging.)

Ursprünglich war Borlänge der Name eines kleinen Dorfes, das 1390 das erste Mal historisch erwähnt wird. 1875 bekam Borlänge eine Bahnstation, die für die schwedische Eisenindustrie sehr wichtig wurde, und 1898 wurde das Dorf zu einer eigenständigen Stadt (Schwedisch: köping) mit ungefähr 1.300 Einwohnern. Das gesamte 20. Jahrhundert hindurch war Borlänge eine typische Schwerindustriegemeinde mit relativ gutem wirtschaftlichem Wachstum; mittlerweile blüht und wächst auch das Dienstleistungsgewerbe.

Die schwedischen Meisterschaften fanden dieses Jahr zum dritten Mal im Kongresszentrum "Galaxen" statt, ein perfekter Austragungsort: ein schöner Spielsaal und viel Platz zum Analysieren und Blitzen. Nach turbulenten Tagen vor Turnierbeginn und einem nervösen Start entwickelten sich die Schwedischen Meisterschaften zu einem phantastischen Schachereignis, das alle schwedischen Schachfans begeistert hat.

Turbulente Tage vor Turnierbeginn
Zwei Wochen vor Turnierbeginn teilte GM Slavko Cicak dem Veranstalter mit, er sei krank und könne nicht spielen. Er wurde schnell durch GM Pontus Carlsson ersetzt, doch ein paar Tage vor Beginn des Turniers wurde dann auch noch Titelverteidiger GM Hans Tikkanen krank! Für ihn sprang IM Wiederkeller ein, der Überraschungsmann des letzten Jahres.

Ein nervöser Beginn
In den ersten beiden Runden ging es munter hin und her, aber dann zeigten die Spieler ihr wahres Können. Viel faszinierendes Schach und jede Menge spannende Partie. Die spannendste war vielleicht GM Semcesen-GM Hector, in der eine komplizierte Stellung die andere jagte - zuviel für einen Menschen.

Sollte man jungen Leuten die Schachlaufbahn empfehlen?
Am Donnerstag, ein paar Stunden vor Beginn der sechsten Runde, stand die Schwedische Blitzmeisterschaft auf dem Programm. Manchmal wollen auch die Spieler aus der Meistergruppe an diesem Blitzturnier teilnehmen. Dieses Jahr zum Beispiel GM Daniel Semceceen. GM Pontus Carlsson vertrat allerdings die Meinung, das sei eindeutig unprofessionell. Als Daniel von den Medien gefragt wurde, warum er am Blitzturnier teilnahm, obwohl er doch bei der Meisterschaft in Führung lag, erklärte Daniel in aller Ruhe, dass er Geld zum Essen brauchte. Ein paar Tage zuvor hätte er lediglich gefrühstückt. Diese Antwort wurde auf der Webseite des Schwedischen Schachverbands teilweise missverstanden. Daniel erklärte hinterher, er das wäre ein Scherz gewesen. Was aber Fragen aufwirft Fragen: ist das Leben als GM ein gutes Leben? Jedes Land wünscht sich Schachstars, aber vielleicht setzen wir die falschen Schwerpunkte?

Jede Partie sollte ein Ereignis sein
Die diesjährige Schwedische Meisterschaft war die härteste aller Zeiten und alle Partien waren äußerst hart umkämpft. Zum Beispiel kann ich ohne Übertreibung sagen, dass die Partien in Runde fünf so viele spannende Momente hatten und so viele schwierige Entscheidungen erforderten, dass ich, egal ob mit Weiß oder mit Schwarz, alle Partien verloren hätte! Die Partie zwischen GM Blomqvist und GM Hillarp ist ein typisches Beispiel: sie war aktuell, scharf und unterhaltsam. Nur das Ende hatte einen Makel. Hillarp überschritt in ausgeglichener Stellung die Zeit.

Endstand

Ein neuer Champion

Schwedischer Meister 2014 wurde Daniel Semcesen. Doch wer ist das? 1986 geboren, lernte er die Regeln mit sechs, mit acht spielte er im Verein, vor vier Jahren wurde er IM und im März 2014 GM (in der Zeit vor dem Aufstieg der Computer eine ziemlich normale Entwicklung für talentierte Spieler). Er ist ruhig und nachdenklich. Er spielt praktisch orientiert und hat einen pragmatischen Zeitverbrauch. GM Pontus Carlsson (der dieses Jahr Dritter wurde) meinte, Semcesen würde so Schach spielen wie Griechenland Fußball: ein paar lange Bälle nach vorne schlagen und hoffen, dass man ein Tor erzielt oder eine Ecke herausschlagen kann. Daniel selbst meint, er würde gerne lebhafte Stellung spielen - manchmal fällt es schwer zu sagen, wo hier die Grenze verläuft. In diesem Turnier war er jedenfalls der Spieler, der als Einziger keine Figuren eingestellt hat. Seine beste Partie war die gegen Emanuel Berg in Runde acht. Er hätte gewinnen können und war nicht glücklich über das Remis, zu dem es letztendlich kam. In der Schlussrunde verließ er bereits im dritten Zug die theoretischen Pfade und erhielt eine objektiv schlechtere Stellung, war allerdings nie wirklich in Gefahr und kam am Ende auch zu einem Remis. Wir gratulieren Daniel und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute!

Zweiter Platz ging an GM Erik Blomqvist, 2496. Er holte 5,5 aus 9

Dritter: Pontus Carlsson, 2485, mit 5 aus 9 Foto The Chess Drum

Pontus wurde 1982 in Cali, Kolumbien, geboren. Als er ein Jahr alt war, starb seine Familie und er wurde von einem schwedischen Paar adoptiert. Sein Stiefvater Ingvar Carlsson (der ehemalige Präsident des Schwedischen Schachverbands) brachte Carlsson die Regeln des Schachs bei, als Carlsson vier Jahre alt war. Carlsson spielte in der spanischen Liga, wo er Spanisch lernte. Neben Schwedisch, Englisch, Deutsch und Französisch beherrscht er jetzt auch diese Sprache fließend. Carlsson möchte allerdings auch noch Russisch lernen, da es gute Schachliteratur gibt, die nur auf Russisch erhältlich ist. Er ist schwedischer und kolumbianischer Staatsbürger und Hip-hop-Fan.

Vierter: GM Emanuel Berg, 2557, 5 aus 9

Platz fünf: GM Pia Cramling, 2491, 4,5 aus 9

Seit Anfang der 1980er zählt Pia Cramling zu den stärksten Schachspielerinnen der Welt. 1992 wurde ihr der Großmeistertitel verliehen und 2003 und 2010 wurde sie Fraueneuropameisterin. Bei Schacholympiaden tritt sie regelmäßig in der Nationalmannschaft der Herren an. Pia ist mit dem spanischen Großmeister Juan Manuel Bellón López verheiratet und hat einige Jahre in Spanien gelebt.

Sechster: GM Jonny Hector, 2483, 4,5 aus 9

Siebter: GM Tiger Hillarp Persson, 2564, 4,5 aus 9

Achter: Die Nummer eins der Setzliste, GM Nils Grandelius, 2588, 4 aus 9

Neunter: IM Michael Wiedenkeller, 2479, 3,5 aus 9 (Foto: Wiki)

Michael Wiedenkeller ist schwedisch-luxemburgischer Meister, der 1990 die Schwedische Meisterschaft gewann und 2008 Schnellschachmeister in Luxemburg wurde. Sein bestes Turnier spielte er 1983 in Eksjö: Gegen einen Gegnerschnitt von 2488 holte er 4,5 aus 5 und kam damit auf eine Elo-Performance von 2626.

Zehnter: FM Tommy Andersson, 2336, 2,5 aus 9. Das reichte, um einen Elo-Punkt zu gewinnen.

Partien

Einige der Partien sind (auf Englisch) kommentiert. Die Kommentare stammen von Ari Ziegler.

Über den Autor

Ari Ziegler stammt aus Schweden, wurde 1966 geboren und ist Internationaler Meister. Er gilt als hervorragender Theoretiker. 2004 gründete er gemeinsam mit Jacob Aagaard und John Shaw den Quality Chess Verlag, der sich in der Schachszene rasch einen ausgezeichneten Ruf erwarb. 2007 Ziegler verließ Ziegler das Unternehmen und wurde Präsident des Schwedischen Schachverbands. Für ChessBase hat er eine Reihe von Fritztrainer DVDs aufgenommen, unter anderem eine DVD über die Französische Verteidigung. Seit 2010 unterrichtet er und schreibt Schachbücher.

Ari Zieglers Fritztrainer DVDs

Turnierseite


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