Das 50ste Land

von ChessBase
18.07.2013 – Briefmarken sammeln ist inzwischen ziemlich aus der Mode gekommen. Heute sammelt manch einer lieber Facebook-Freunde oder zählt seine WhatsApp-Nachrichten. Alina L'Ami sammelt Länder, die sie schon wegen ihrer Schach (und Reise!-) Leidenschaft bereist hat. Südafrika war jetzt das 50ste Land, das sie anlässlich eines großen Schachfestivals besuchte. Afrikanische Leidenschaften...

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Südafrika in Schwarz und Weiß

Die besten Dinge im Leben sind keine Dinge – war auf dem Untersetzer zu lesen, auf dem mein Englisches Frühstück stand.

Die Promenade - hier fühle ich mich wie Alice im Wunderland

Kurz nachdem ich in Südafrika angekommen bin und meinen Fuß auf den monumentalsten Kontinent dieser Welt gesetzt habe, bekomme ich schon Stoff zum Nachdenken! Ok, meinen Kaffee kann ich auch genießen, während ich meinen Geist schweifen lasse... Schließlich enthält der erwähnte Satz viele Facetten, die ich nachvollziehen kann.

Blick aus meinem Zimmer

Ein Motiv, bei dem man nicht widerstehen kann

Manchmal ist das Schachspielerleben hart, wirklich hart.... manchmal.

Manche würden vielleicht Gott sagen, andere Frieden, wieder andere vielleicht Glück, Liebe oder Familie. Ich selbst würde all diese Dinge erwähnen und noch ein Wort hinzufügen: Leidenschaft! Nicht die Leidenschaft, die verzehrt, sondern die Mit-Leidenschaft. Doch ich bin nicht sicher, ob mich die ungewöhnliche Beschriftung meines Tischuntersetzers auf diese Gedanken gebracht hat oder ob das an meinem wunderbaren Omelett lag. Wahrscheinlich liegt all das an der südafrikanischen Seele...

Port Elizabeth - ein typischer Strandort, der bei Touristen, Fremden und Einheimischen gleichermaßen beliebt ist.

Die Eröffnungsfeier war...

...spektakulär! Licht, Musik und Wasserspiel.

Wunderbar!

Denn da stand ich nun händehaltend mit den Mitgliedern einer Familie aus Port Elizabeth, die mich zum Abendessen eingeladen hatte, und sie sangen Dankgebete, um Gott für das Essen auf dem Tisch zu danken. In Europa hätte ich das ungewöhnlich gefunden, hier schien mir all das überraschend natürlich zu sein; ich würde diesen Moment als erhaben bezeichnen.

Schachfreundinnen: WGM Nadig Kruttika, Alina L'Ami, Nida
Siddiqui, die für Pakistan in der Nationalmannschaft spielt, sowie die indischen WGMs Mary Ann Gomes und Soumya Swaminathan

Bei einem so großartigen Event müssen einfach ein paar Simultanveranstaltungen dabei sein

Mittlerweile liegt dieses Erlebnis schon eine Weile zurück und ich frage mich, wie es dazu kam. Als ich unmittelbar vor Turnierbeginn von einer mir vollkommen unbekannten Person zum Abendessen eingeladen wurde, war ich etwas überrascht und reagierte nicht ohne hoffentlich gut versteckte Vorbehalte. Ich konnte ablehnen und weiter mit meiner Kurzsichtigkeit leben oder annehmen und sehen, wie ehrlich und freundlich diese Einladung war. Zum Glück entschied ich mich für Letzteres!

Das Turnier wurde an Brett eins, wo die Nummer eins der Setzliste, Sergey Fedorchuk, spielte, offiziell eröffnet

Fedorchuks Gegnerin war Lauren Van Niekerk aus Südafrika

Als ich nach meinem relativ kurzen Sieg in Runde eins ins Haus der Familie kam, die mich eingeladen hatte, fielen Katzen, Hunde und der Rest der Familie sofort über mich her. Meine Vorbehalte lösten sich in Luft auf und ich hatte das Gefühl, dass die Fremde, die ich war, ein Teil der Familie wurde, vollkommen harmonisch von all den anderen Mitgliedern der Familie, Zweibeiner wie Vierbeiner, aufgenommen...

IM Jovanka Houska aus England

Tshepang Tlale aus Südafrika

Vielleicht verstehen Sie jetzt, dass die oben beschriebene Szene ganz natürlich zustande kam, ohne plötzliche religiöse Erkenntnisse oder dergleichen. Denn egal, ob man gläubig ist oder nicht; nach einem so herzlichen Willkommen ist man nicht mehr die Gleiche!

Vladislav Tkachiev

Ich habe das Gefühl, solch offenherzige Freundschaft ist typisch für die meisten Südafrikaner. Für mich war der Geist des Landes wie ein Strauß wilder Blumen: bunt, frisch, natürlich, ohne jede Absicht, beeindrucken zu wollen, aber doch so, dass die Seele gefangen wird...

Mir ist auch eine Art (und wahrscheinlich nur symbolische) Erklärung dafür eingefallen. In Südafrika gibt es nicht weniger als elf offizielle Sprachen. Die einzige Möglichkeit, um nicht so zu enden wie die Erbauer des Turms von Babel, besteht darin, die universelle Sprache der Seele zu beherrschen. Und nimmt man dazu noch eine Prise Leidenschaft, wie es die Südafrikaner bei fast jeder Gelegenheit tun, dann klappen die Dinge garantiert.

Immer ein Muss: das Gruppenbild

Bei meiner Reise von Amsterdam nach Port Elizabeth ahnte ich allerdings noch nichts von diesen wunderbaren Gefühlen. Im Gegenteil: als ich auf dem Flughafen Schiphol einchecken wollte, erhielt ich den niederschmetternden Bescheid, dass mein Ticket nicht gültig ist! Meine Stimmung in der nun folgenden Stunde voller Sorgen und Tränen (ok, das ist ein wenig übertrieben, aber Sie wissen, was ich meine), ist schwer zu beschreiben und war so ganz als bei dem geschilderten Abendessen...  Die Situation beim Abflug klärte sich dann noch in letzter Minute, weil die Organisatoren ein anderes virtuelles Ticket schickten!

Safaritour bei Nacht. Ich kam ziemlich spät in Port Elizabeth an, doch wurde trotzdem zu einer Safari im Shamwari Wildpark abgeholt! Das erste Mal in meinem Leben war ich den Tieren in freier Wildbahn so nah und natürlich war das viel besser, als sie im Zoo zu beobachten...

Allerdings geht die Sonne in Südafrika in dieser Jahreszeit früh unter: um 18 Uhr ist es bereits dunkel. Aber dafür konnten wir, nachdem der Fahrer das Licht und Motor ausgemacht hatte, einfach im Dunkeln sitzen und dem Klang der Stille lauschen...

...umgeben von Löwen!! Ein unglaubliches Erlebnis.

Als ich in Schiphol erfuhr, dass mein Ticket ungültig ist, war das in meinem begrenzten Universum zunächst eine schlechte Nachricht von beinahe kosmischen Dimensionen, aber im Laufe des Turniers entwickelte ich einen anderen Blick auf die Dinge. Das Festival war einfach phantastisch, genau wie der afrikanische Kontinent. 900 Teilnehmer aus 29 Ländern nahmen an dem Schachfestival teil und machten es zum größten Schachfestival, das je in Afrika stattgefunden hat. Die Bedingungen waren phantastisch und das offizielle Fünf-Sterne-Hotel bot exquisiten Komfort. Versuchen Sie sich einfach einmal vorzustellen, wie viel Aufwand es erfordert, eine so große Zahl von Spielern unterzubringen; oder, in Gedanken an meine afrikanischen Lieblingsgerichte, stellen Sie sich vor, wie viele Straußenvögel und Kudus (Antilopen) gejagt werden müssen, um die Gäste satt zu bekommen! Ich würde zu dem Schluss kommen, das großzügige Budget von ungefähr 300.000 Euro hätte kaum besser ausgegeben werden können!

Nach der Safaritour gab es ein Abendessen mit allen GMs.

Sergey Tiviakov genießt...

...Kudu! (Antilope)

Was wie eine ganz gewöhnliche Käseplatte aussieht, enthält eine kleine Leckerei: die grüne Köstlichkeit sind tatsächlich marinierte Feigen!

In Anbetracht dessen wirkt der Zwischenfall am Flughafen wie ein Sturm im Wasserglas, vor allem, da die Organisatoren gar nicht für die Ausstellung meines Tickets verantwortlich waren! Das Reisebüro hatte die Dinge verbockt, doch als der Abflug Minute um Minute immer näher rückte und meine Nerven immer angespannter wurden, schalteten sich die Organisatoren ein und retteten mich und die Situation. Und wie das Problem praktisch im Handumdrehen gelöst wurde, spricht für die Fähigkeit der Organisatoren, auf unerwartete Zwischenfälle zu reagieren. Ein Phänomen, das ich nach meiner Ankunft in Afrika mehr als einmal beobachten konnte. Und wieder erinnert mich das an Bild der wilden Blumen, die über die Fähigkeit verfügen, allen natürlichen Widrigkeiten zum Trotz immer wieder zu blühen...

Nichts kann den abgebrühten Weltreisenden und ChessBase-Autoren Sergey Tiviakov davon abhalten, ein Bad zu nehmen - selbst eiskaltes Wasser nicht!

Souvenirs und Straußeneier

Tatsächlich gab es bei meinem südafrikanischen Abenteuer viel Schwarz und Weiß, wofür der deutliche Unterschied zwischen dem Abendessen im Kreis der Familie und der Szene am Flughafen von Schiphol wohl das deutlichste Symbol ist. Ich bin vom kalten holländischen Sommer in den milden Winter der südlichen Hemisphäre gereist; nach dem Starrsinn der KLM-Verantwortlichen war es erfrischend, die typisch südafrikanischen Gesichter mit breitem Lächeln und voller Sorglosigkeit zu sehen; und in Anbetracht der Größe des Schachfestivals könnte ich sagen, das Land zeigte sich zehn Tage in Schwarz und Weiß!

Ibisse

Fliegender Ibis

Dieser Ibis genießt den Schatten des Baums

Im Gegensatz zu diesen Gegensätzen habe ich auf meiner Reise auch glückliche Zufälligkeiten erlebt. Ich bin am 3. Juli geflogen, an meinem dritten Hochzeitstag. Und Südafrika war das 50. Land, das ich bereist habe!

Text und Fotos: Alina L'Ami

Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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